Heilige
Francesca Saverio Cabrini
Aus dem Buch: BILDER DER HEILIGE von Antonio Sicari, Ausgabe Jaca Book
Im Jubiläumsjahr 2000
feiern wir den Übergang vom zweiten in das dritte Jahrtausend. In diesem Jahr
feiern wir auch den hundertfünfzigsten Geburtstag der heiligen Francesca Saverio
Cabrini, die in Sant'Angelo in der Provinz von Lodi zur Welt kam. Es ist auch
das fünfzigste Gedenkjahr ihrer Ernennung, durch Papst Pius XII, am 17. September
1950, zur Schutzpatronin aller Emigranten. Im Jahre 1946 hatte er sie heilig
gesprochen.
Mutter Cabrini wurde «die Heilige der Italiener in
Amerika» genannt. In einer Biographie liest man wörtlich: «Im 19 Jahrhundert
war es in Amerika üblich, dass Mütter und Großmütter, wenn sie ihre, zu lebhafte
Kinder einschüchtern wollten nicht den schwarzen Mann nannten, sondern:
"ein Italiener" ausriefen. Sofort suchten sie Schutz in ihrem Schoße.
Diese Dinge wurden zwischen Ende des neunzehnten
Jahrhunderts und den ersten Zehn Jahren des zwanzigsten, geschrieben. Sie
zeigen die tragischen Schicksale unserer Emigranten.
Es ist die Zeit, in der die Bars Schilde aushängen
um anzukünden, dass der Eintritt für «Neger und Italiener» verboten sei. Die Italiener
wurden als «weiße Neger» angesehen.
Die Zahl der italienischen Auswanderer zwischen
1876 und 1914, also bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges beläuft sich, laut
unseren amtlichen Quellen, auf vierzehn Millionen. Die Länder, die von unseren
Armen überschwemmt wurden, behaupten "achtzehn Millionen". Die
gesamte italienische Bevölkerung bezog sich damals auf knapp dreißig Millionen
Einwohner.
In den Geschichtstexten liest man von den großen
Völkerwanderungen, von den Zeiten in denen ganze Völker versklavt wurden. Man
vergisst aber völlig, dass die Geschichte unsere Emigranten genauso war.
Italo Balbo schrieb, dass unsere Landsleute das
«Italien von niemandem» waren. Sie waren ein «anonymes Volk weißer Sklaven» und
«Menschenmaterial, welches man zu Tausend handeln konnte. » Sie arbeiteten in
den Kohlenbergwerken, bei dem Bau der Eisenbahnen, bei der Gewinnung von Erdöl,
in der Stahl- und Textilindustrie, in den Werften und in den Baumwoll- und
Tabakplantagen.
Man rechnet, dass mehr Italiener als die gesamte
Zahl der Einwanderer in den Bergwerken arbeitete. Im Jahr kamen sie zu Hunderttausend
und wurden schon bei der Abfahrt und bei der Ankunft von anrüchigen Ausbeutern
abgefangen, welche die Unwissenheit und die Not ausnützten, da ja alle ohne
Schutz waren. Sie wurden buchstäblich das menschliche Material und wie auf
notwendigem, aber wertlosem Abfall baute sich die amerikanische wirtschaftliche
Kraft darauf auf.
Sie lebten in menschlichen Bienenstöcken. Bis zu
achthundert Menschen lebten in einem fünfstöckigen Haus und waren körperlich
und moralisch völlig verfallen. Mit dieser Lebensart bestätigten sie die
allgemeine Meinung, dass Italiener Halbwilde, Streitsüchtige und Gewalttätige wären.
Sie lebten ohne
Schulen, Krankenhäusern, Kirchen und waren in ihrem «Kleinen Italien», Bezirke
sie sich an der Stadtgrenze bildeten, abgeschlossen. Oft war es nicht einmal
ein «Kleines Italien. » Der Lokalpatriotismus teilte sie auf und hetzte die einzelnen
Lokalgruppen gegeneinander. Die Kinder wurden in den Straßen groß. Auf sie
wartete das Schicksal als Zeitungsverkäufer und Schuhputzer, wenn sie nicht
sogar auf die Suche nach Kunden für die Freudenhäuser gingen. Auf die Mädchen
wartete oft ein noch anrüchigeres Schicksal. Auch wenn ihnen jemand helfen
wollte, war das durch die Schwierigkeit sich zu verständigen, fast unmöglich.
Fast alle waren Analphabeten und sprachen nur ihren Dialekt.
Viele begannen
Obst- und Gemüsegeschäfte zu eröffnen oder schlossen sich zu Mafia-Klans
zusammen. Wer Erfolg hatte mischte sich aber nicht unter seine verachteten Landsleute,
sondern versuchte eher den gemeinsamen Ursprung zu vergessen.
Eines Tages
riskierte ein Abgeordnete, im Jahre 1879, den Brief eines venezianischen
Pächters im Parlament zu lesen. «Wir
sind hier wie Tiere. Wir leben und sterben ohne Priester, Lehrer und Ärzte. »
Aber die italienischen Politiker schlossen die Augen.
Das Problem der
Emigration wurde aus der Sicht der öffentlichen Ordnung behandelt. Sie erließen
einige polizeiliche Vorschriften, aber schufen keinen wirtschaftlichen und
sozialen Schutz.
Nach einigen Jahren, als Mutter Cabrini, mit Nächstenliebe,
das getan hatte, was die italienische Regierung versäumt hatte, sahen die
Politiker auf ihre gerichtlichen Verordnungen zurück und mussten gestehen: «Wir haben alles falsch
gemacht. »
Auch die amerikanische katholische Kirche konnte
nichts tun. In ganz New York gab es nur zwanzig Priester die italienisch
konnten. Die Sache wurde noch dadurch erschwert, dass unsere Emigranten einen
für sie völlig fremden Brauch vorfanden. Bevor man in die Kirche eintrat musste
man eine Abgabe für die Erhaltung der Pfarre errichten. Sie waren schon arm und
dieser Brauch erschien ihnen ungerecht. Sie nannten diese Opfergabe «die Zollgebühr.
» Nur die Vereinigungen «Giordano Bruno» waren hier tätig. Das einzige Ziel
aber war die Verbreitung und Aufrechterhaltung einer kirchenfeindlichen
Haltung.
Es endete, dass die Emigranten nicht mehr in die
Kirche gingen und den letzten Rest an geistiger und moralischer Würde verloren.
Das Geburtshaus von Francesca
Saverio Cabrini in Lodi (Italien)
In Italien wurde das
Problem von Papst Leo XIII, der es auch in seiner bekannten Enzyklika Rerum
Novarum behandelte, empfunden. Auch der
Bischof von Piacenza Scalabrini, der eine Kongregation für die Betreuung
der Emigranten gegründet hatte, erkannte es.
Francesca Cabrini kam aus Lodi und hatte sich seit
ihrer Kindheit das Missionsleben gewünscht. Sie träumte mit offenen Augen, wenn
der Vater an den langen Abenden aus den Jahresberichten der Propaganda Fide vorlas.
Die Kleine träumte damals von dem mysteriösen China. Sie begann sogar, keine
Süßigkeiten zu essen, da sie überzeugt war, dass es diese in China nicht gäbe.
Sie wollte sich vorbereiten.
Mit großen Schwierigkeiten gründete sie eine kleine
religiöse Gemeinschaft für die Mission. Für ein
Fraueninstitut war das eine ungewohnte Zielsetzung, doch sie fühlte sich bereit
ihren Mädchentraum zu verwirklichen.
Sie traf sich mit Bischof Scalabrini. Er versuchte,
sie von ihrer Idee abzubringen und beschrieb ihr die traurigen Zustände der
nach Amerika Ausgewanderten.
Francesca war verwirrt und beschloss die
Entscheidung Papst Leo XIII zu überlassen. Dieser hörte sie lange an und sagte
ihr dann mit Entschlossenheit: «Nicht in den Osten, Cabrini, sondern in den
Westen! » Für sie war es das Wort Gottes, der seinen Willen offenbarte.
Sie war 39 Jahre alt, lungenkrank und die Ärzte
hatten ihr nur mehr zwei Monate Leben gegeben.
Sie reiste mit sieben Mitschwestern. Auf dem Schiff
befanden sich in der dritten Klasse 900 Emigranten.
Ende März 1889 kam sie in New York an. Sie wusste
sich von Erbischhof Corrigan und einer amerikanischen Adeligen, der Gattin
eines italienischen Grafen und Direktor des Metropolitan Museums of Art, erwartet.
Zwischen den beiden kam es aber zu Meinungsverschiedenheiten und man
verständigte Italien um die Abreise der Schwestern zu verhindern.
Das Ergebnis: niemand erwartete die Schwestern.
Unter strömenden Regen gingen sie an Land und erreichten, mit Gottes Hilfe,
völlig durchnässt und ermüdet das ärmliche Haus der Scalabrinischen Brüder.
Diese konnten die Schwestern aber nicht aufnehmen. Sie endeten in einer schmutzigen
Pension im China-Stadtteil. Die Betten waren derartig schmutzig, sodass sie
nicht den Mut hatten sich niederzulegen. Sie verbrachten die Nacht auf dem Boden
sitzend und an die Mauer gelehnt.
Am nächsten Tag wurden sie vom Erzbischof
empfangen. Kurz angebunden riet er ihnen, dorthin zu kehren, von wo sie gekommen
sind. Doch die Cabrini antwortet: «Exzellenz, niemals. Ich bin hier im Auftrag
des Heiligen Stuhls und hier muss ich bleiben. »
Mit Hilfe der Gräfin gelang es Francesca ein
kleines Waisenheim zu eröffnen, welches sie das «Haus der Engel» nannte.
Das tat sie für die Gräfin. Um den Erzbischof zu
gehorchen gründete sie eine große Schule für italienische Kinder. Er war eine
allgemeine Schule. Die Kinder kamen in großen Scharen. Nur in der ärmlichen
Kirche der Scalabriniani konnte man sie unterbringen. Zwischen einer Messe und
der anderen, im Chor, in der Sakristei, in den durch Vorhänge getrennten Ecken
der Kirche, begann man mit dem Unterricht. Die Sitzbänke dienten als
Schulbänke, die Kniebänke als Katheder.
Der Unterricht begann oft damit, dass die
Schwestern diese schmutzigen und zerzausten Kinder wuschen und kämmten. Am
Nachmittag war «Katechismus» und dann Freizeit mit Spiel in einem von hohen und
dunklen Häusern umgebenem Hof.
In ihrer Freizeit und bis spät am Abend lief Mutter
Cabrini durch die schlammigen engen Straßen des italienischen Stadtteiles und
suchte die Eltern auf um sie kennen zu lernen.
Am 30 Juni 1889 schreibt die Zeitung New York Sun
einen Kurzartikel. « In den letzten Wochen sieht man einige Frauen, in der
Kleidung der Schwestern der
Nächstenliebe durch die italienischen Stadtteile «Bend» und «Little Italy»
laufen. Sie klettern die steilen und engen Stiegen hinauf, gehen in die
schmutzigen Kellergeschosse hinunter und sogar in gewisse Löcher, in die nicht
einmal die Polizei von New York den Mut hätte, allein hinein zu gehen. »
Trotz der anfänglichen Hilfe der Gräfin, blieb die
Finanzierung das Hauptproblem. Die Schwestern liefen daher durch alle Straßen
um Hilfe zu finden und lehnten grundsätzlich jede Diskriminierung ab.
In diesen
Statteilen herrschte jedoch eine genaue Aufteilung. Die Italiener waren nach Familien-
und Ortsgruppen getrennt. Die katholischen Irländer betrachteten die Italiener
als Neuheiden. Die "Eingeborenen" schlossen sich in Organisationen
zusammen um den "Rassenschutz" zu organisieren. In diesem Klima zogen
die Schwestern mit Würde, Freundlichkeit und Liebe umher.
Sie wurden freundlichst aufgenommen. Geschäftsleute
ohne Unterschied nach Rasse und Religion riefen sie und beluden sie mit
Vorräten. Fabrikanten entschlossen sich ihnen einen Scheck auszustellen. Die
Besitzer der Markthallen sorgten dafür, dass diese mutigen Schwestern nicht belästigt
wurden. Sogar ein deutscher jüdischer Tischler übergab ihnen gratis Mobilien,
die sie für die Schule und das Waisenhaus brauchten. Die irländischen Patrioten
verlangten von der Polizei den Verkehr zu stoppen, wenn die Schwestern mit
ihren Sachen kamen, denn sie waren die "Vertreter des Papstes". Auch
völlig Unbekannte drückten ihnen in der Straßenbahn einige Dollars in die Hand.
Inzwischen hatte sich das «Haus der Engel»
vergrößert und auch Negermädchen, Chinesinnen und Mischlinge kamen zum Unterricht.
Am 17 Juli 1889
zog eine geordnete Prozession von Dreihundertfünfzig Kindern durch die
Straßen von Little Italy. Die Mädchen mit Schleier und Rosenkranz und die Buben
mit den Armbinden der Vereinigung. Immer dreißig Kinder waren in einer Gruppe
und trugen die Banner des heiligen Ludwig, der heiligen Agnes, des heiligen
Antonius.
Wer sich noch an gewisse Prozessionen erinnert, die
in unseren Pfarren abgehalten wurden als die Vereinigungen blühten, kann sich
eine Idee von diesem Bild machen.
Wir können uns aber kaum vorstellen welchen Eindruck
dies auf die Irländer und Protestanten machten, als sie diese Kinder, die sie
für schmutzige Diebe hielten, in Ruhe und Würde ziehen sahen.
Der erste Kampf war gewonnen. Man war aber erst am
Beginn.
Im selben Monat kehrte Francesca nach Italien zurück
um sich um das Noviziat ihre Kongregation zu kümmern. In Rom erfuhr sie, dass
die amerikanischen Jesuiten einen großen Landbesitz in West Park, an den Ufern
des Flusses Hudson, 150 Meilen von New York entfernt, verkauften.
Sie kehrt mit sieben Mitschwestern zurück und hatte
die für die Anzahlung notwendigen fünftausend Dollar. An die restlichen zehntausend
Dollar, hätte der liebe Gott gedacht. So gründete sie das Haus für die Bildung
des Institutes, ein Internat und sogar ein Krankenhaus für die tuberkulösen
Mädchen. Tuberkulose war die Krankheit, die damals unter den Armen wütete.
Unwillkürlich taucht die Frage auf: wie fand sie
das Geld? Man könnte tausend Antworten
erhalten. Wenn ein Wohltäter ihr den jährlichen Scheck von dreihundert Dollar
ausschrieb, war Francesca im Stande seine Hand auf der letzten Null
festzuhalten. Mit einem Lächeln, so wie sie es mit den Kindern tat, führte sie
dann die Hand weiter und setzte noch eine Null dazu. Man muss Nächstenliebe,
wie lesen und schreiben lehren.
Es gibt ein Ereignis, das man erwähnen soll, denn
es zeigt ihre Art und ihren Glauben.
Im Jahre 1892 lernt die Mutter in New Orleans einen
reichen sizilianischen Draufgänger kennen, der seinen Reichtum, mit Schiffbau,
Brauereien, Versicherungen und Bauwesen erlangt hatte. Außerdem besaß er zirka
Sechzehntausend Hektar von Baum- und Zitronenplantagen.
Aus der
Biographie von G. Dell'Ongaro erwähnen wir folgenden Bericht.
-
« Ihr Besuch ehrt
mich, Mutter Cabrini. Von ihnen spricht ganz Amerika. Was kann ich für sie tun?
»
-
« Nichts. Ich will
ihnen helfen. »
-
« Ich brauche nichts.
Ich bitte niemanden um Nichts. Ich will nur meine Geschäfte in Ruhe abwickeln.
»
-
«Ich kümmere mich
nicht um ihre Geschäfte. Mich interessiert ihre Glückseligkeit. Man hat mir
gesagt, dass sie seit Jahren verheirate sind, aber keine Kinder haben. Das ist
traurig. »
-
«Leider, das ist so.
Kinder gefallen mir, aber. »
-
«Schade. Wirkliche
schade. All diese herrlichen Dingen und kein Erbe. Haben sie sich jemals nach
dem Grund gefragt, warum sie alle diese Geschenke vom Himmel erhalten haben? Es
muss einen Grund dafür geben. Ich bin sicher, dass der Herrgott Pläne für sie
hat. Sie wissen nicht welche Freude Kinder bringen können! »
Der Mann gesteht ihr, dass er schon an eine Adoption gedacht hatte aber aus
Angst auf Wiederstand der Ehefrau zu stoßen, darauf verzichtete und endete:
-
«Lassen sie mich
nachdenken. Ich werde mit meiner Ehefrau sprechen und wenn Maria damit
einverstanden ist, rufe ich sie, und sie bringen uns das Kind. »
-
«Das Kind? Wer hat
von nur einem Kind gesprochen? Warum nur eines? »
-
«Und wie viele wollen
sie mir geben Mutter? »
-
« Was halten sie von
fünfundsechzig, zum Beginn? »
Der
Geschäftsmann finanzierte ein ganzes Waisenheim. Nach einigen Jahren wurde es
zu klein und er schenkte noch einmal fünfundsechzig tausend Dollar, eine enorme
Summe für die damalige Zeit.
Nach Gründung von dem West Park-Haus kehrte die
Cabrini nach Italien zurück. Hier leitete sie die wachsende Mission und blieb
einige Monate. Dann reiste sie mit noch achtundzwanzig Mitschwestern ab,
entschlossen in Nikaragua eine neue Gründung zu eröffnen. In Granada eröffnete
sie ein Internat. Vier Jahre später wurde es jedoch während, einer, der vielen,
mittelamerikanischen Revolutionen zerstört.
Von hier zog sie in die südlichen Staaten Amerikas
und hier erwartete sie die entsetzlichste Begegnung. Nach Virginia, Caroline
und Louisiana wanderten besonders die Sizilianer aus und fanden hier Menschen
voll Rassenhass vor. Offiziell war die Sklaverei erst seit dreißig Jahren abgeschafft
und die Amerikaner hatten kein Mitgefühl für die «Neger mit weißer Haut», wie
sie unsere Emigranten bezeichneten.
Aber die Sizilianer waren nicht wie die Neger
widerstandslos. Der Mafia-Klan der Brüder Matranga und Provenzano regierten und
kämpften um den «Besitz des Hafens. »
Im Jahre 1890 fiel der Polizeichef von New Orleans
einem Attentat zum Opfer und neunzehn Italiener wurden angeklagt. Es gab keine
Beweise. Einige Journalisten hatten jedoch den
Polizeichef, bevor er im Krankenhaus starb, murmeln gehört: « die Dagos
haben mich angeschossen. » Dagos war der verächtliche Name für die «Südländer.
»
Der Prozess hielt die Nation im Atem. Die
Mafiahäuptlinge, von den besten Anwälten verteidigt, wurden alle im März 1891
frei gesprochen.
Auch wenn sie die Macht hatten ihre «picciotti»
vor Gericht zu verteidigten hatten sie aber nicht die Macht sie vor dem Volkshass
zu retten. Vom Vizebürgermeister angeführt, überfiel eine wütende Menschmasse
von zirka zehntausend Personen das Gefängnis und lynchten die Gefangenen. Zwei
wurden erhängt, zwei mit Eisenstangen erschlagen und andere wurden erschossen.
Die Körper wurden an Bäumen und Lichtmasten aufgehängt.
Fast mehr als die Hälfte Amerikas billigte dieses
Blutbad und die Spannung stieg derart an, dass der italienische Botschafter von
Washington abberufen wurde. Weitere Blutbäder folgten in anderen zwei Städten
von Louisiana.
In die vom Hass zerrissene Stadt New Orleans kam
Mutter Cabrini am Karfreitag des Jahres 1892. Sie begriff sofort, dass mit der
neuen Generation begonnen werden musste. Diesen Kindern, welche warteten um die
Schar der Verbrecher zu vergrößern, musste eine andere Aussicht und eine andere
Hoffnung gegeben werden. Sie musste die Stadt zwingen die Würde dieser
gedemütigten und gefürchteten Menschen anzuerkennen.
Um beginnen zu können benötigte sie zumindest ein
Waisenhaus, eine Schule, ein Pensionat und fünftausend Dollar.
Merkwürdiger Weise, hatten gerade in New Orleans viele Italiener den
Wohlstand erlangt. Es gab viele Fabrikanten und Geschäftsmänner, aber sie
dachten nicht daran sich als Italiener erkenntlich zu geben. Im Gegenteil, sie
versuchten mit allen Mitteln ihre Abstammung zu vergessen.
Francesca suchte sie einzeln auf. Die Rocchi,
mailändische Reeder. Die Marinoni aus Brescia, Bankiers und Besitzer von Baumwollplantagen.
Den Neapolitaner Astrada, Besitzer der berühmten Restaurants. Den bekannten
Arzt Formenti. Die Frau Bacigalupo, Besitzerin der Lebensmittelgeschäfte. Die
Bevilacqua und Monteleone, Besitzer der luxuriösen Schuhgeschäfte. Auch den
reichen Sizilianer Pizzati, von dem wir schon sprachen.
Das sind nur einige Namen die wir nennen wollten,
weil sie noch in unserem Land gebräuchlich sind. Fast alle begriffen und schätzten
die Absicht von Francesca. Sie wollte dieser Stadt beweisen, dass das
Hauptproblem in der sozialen Interesselosigkeit lag. Man schätzte Italiens
Musik und Künstler, hasste aber die Italiener, denn in ihnen sah man nur die
Mafia-Anhänger und mögliche Verbrecher. Die Jugendlichen ließ man einfach ohne
Pflege und Schutz.
Das Waisenhaus in der Saint Philipp Street wurde
zum sozialen Zentrum, sei es für die dort wohnenden Kinder, sei es für einige
hundert andere, die es als Oratorium benützten. Es kamen sogar Dutzende Kinder
anderer Rassen und Hautfarben.
Die Hauskapelle wurde die Kirche der Italiener.
Auch in diesem Fall hielt man eine feierliche Prozession, zu Ehren des heiligen
Herzens, wie in alten Zeiten ab, um die wiedergewonnene Ehre zu feiern. Diese
Umzüge waren auch bei den Bewohnern von New Orleans sehr beliebt. Die viele
heiligen Lieder und das jubelnde «Va, pensiero» rührten sogar die weißen
«Herrscher», obwohl der Jazz in der Stadt triumphierte.
Zum ersten Mal zogen die verschiedenen Klubs,
Gesellschaften, Vereinigungen und all die anderen Gruppen, in denen die Italiener
seit langem aufgeteilt waren, zusammen durch die Straßen.
Im Jahre 1905
brach in der Stadt eine Epidemie von Gelbfieber aus. In ihrer Unwissenheit lehnten
die Emigranten aller Rassen und Farben die Medikamente ab. Sie beachteten weder
die hygienischen Maßnahmen noch die Vorbeugungsmittel und weigerten sich ihre
verseuchten Wohnungen zu verlassen. Die Schwestern Francescas übernahmen die
Aufgabe, oft unter Lebensgefahr und auch ihr Leben tatsächlich opfernd, von
Haus zu Haus zu gehen. Sie wollten die Menschen überzeugen, dass die Maßnahmen
zu ihrem Wohle waren.
Alle hatten zu
den Schwestern Vertrauen. Nach Ende der Epidemie ging der Dank der ganzen Stadt
New Orleans, der amerikanischen Regierung und Roms an die Schwestern.
Kehren wir nach New York zurück.
Durch das gesundheitliche Problem konnte man die
Tragödie der Emigranten deutlich spüren.
Sie wurden als
menschlichen Rohstoff betrachtet. Keiner kümmerte sich um die, durch unmenschliche
Lebensbedingungen, Erkrankten. Keiner um die Opfer des sogenannten «Blutbades
der Industrie»; Hunderte wurden bei der Arbeit verletzt. Es gab keine Krankenhäuser,
in denen die Emigranten aufgenommen wurden.
Es gab natürlich Krankenhäuser gegen Zahlung. Doch
auch wer die finanzielle Möglichkeit hatte, wollte nicht hingehen. Was nütze es
den Kranken, wenn sie sich nicht verständigen konnten. Sie konnten ihre
Krankheitssymptome nur in einem Gemisch, aus einheimischem Dialekt und dem
Slang der amerikanischen Elendsviertel, erklären.
Den Patienten erschien es als würden sie vorzeitig
in ein Gefängnis, oder Leichenschauhaus zu kommen. Alles war so kalt und
unpersönlich. Oft verloren sie die Hoffnung, ohne einem tröstenden Wort einer
Schwester oder eines Priesters.
Sie starben lieber in ihren Hütten, ohne Hilfe oder
Sauberkeit, aber mit ein wenig Liebe. Mit vereinter Kraft hätten die Italiener
sicherlich ein eigenes Spital errichten können. Die amerikanische Regierung
hätte geholfen und auch die italienische Regierung war bereit.
Es fehlte nicht an Plänen. Es war ein Wunschtraum
aller und viel wurde diskutiert, aber alle Versuche scheiterten. Man hätte ein
Krankenhaus für die Sizilianer, eines für die Neapolitaner, eines für die
Kalabresen, eines für die Lombarden usw. gebraucht. Man kümmerte sich immer nur
um die Leute aus der eigenen Region oder sogar nur aus der eigenen Stadt.
Es ist wahr, dass man das «Krankenhaus Giuseppe
Garibaldi» öffnen konnte, in der Hoffnung, dass der Freiheitsheld der zwei Welten
alle geeinigt hätte. Der Generalkommissar für die Emigration erkannte jedoch
entmutigt, dass «die italienischen Ärzte zwölf Monate im Jahr da drinnen
streiten» und das gesammelte Geld für die Erhaltung des Krankenhauses auf
unerklärlicher Weise verschwand.
Francesca spürte, mit Unbehagen, dass sich die
Augen und Hoffnung auf sie richteten, aber sie fühlte sich für diese Aufgabe
nicht bereit.
Anderseits
hatte sie schon mit Schulen und Waisenhäusern viel zu tun.
Dann geschahen zwei Ereignisse, die sie in ihrem
Inneren als zwei Stimmen empfand, eine himmlische und eine irdische. Beide
verlangten aber dem Willen Gottes zu gehorchen.
Die irdische Stimme hörte sie durch eine Erzählung
zweier Schwestern, die das städtische Spital aufsuchten. Ein Junge, der dort
seit einigen Monaten lag, begann zu weinen als er italienisch sprechen hörte.
Seit drei Monaten hatte er einen Brief aus Italien unter dem Kopfkissen, war
aber Analphabet und keiner im Krankenhaus konnte italienisch. Auch die
Schwestern hatten große Mühe den Brief zu entziffern. Es war die Mitteilung des
plötzlichen Todes seiner Mutter in Italien.
Drei Monate hatte er seinen Kopf auf diese
Nachricht gelegt ohne sie zu erfahren. Francesca weinte lange. In der Nacht
träumte sie, und dies war die himmlische Stimme einen Krankensaal in dem eine
sanfte und wunderschöne Frau zwischen den Betten ging. Mit unglaublicher Zärtlichkeit
streichelte diese die Kranken und deckte sie zu. Im Traum - oder wer weiß, eine
Vision! - , erkannte sie die Heilige Jungfrau und lief um ihr zu helfen.
Es war nicht
die Aufgabe der Himmelskönigin die Kranken zu pflegen. Doch die Jungfrau -
immer im Traum - sah sie aus traurigen Augen an und sagte: «Ich tue, was du
nicht machen willst. »
Am nächsten
Morgen hatte Francesca schon entschlossen. Für diese Aufgabe bestimmte sie zehn
ihrer Mitschwestern.
Zuerst versuchte
sie ein Krankenhaus in dem schon die Scalabriani wirkten, aber in finanzieller
Not war, zu übernehmen.
Als sie feststellte, dass diese Leitung, viel Geld
erforderte, vollbrachte sie ein Meisterstück. Sie mietete zwei Häuser, kaufte einige Betten und die Schwestern nähten die
Matratzen. Dann führte sie die Kranken, alle mit ihrem Besteck unter den Decken
versteckt und einigen Flaschen Medizinen in die neue Unterkunft. Die Schwestern schliefen
auf Matratzen, am Boden liegend und in ihre Mäntel gehüllt.
Hundert Jahre nach der Entdeckung von Amerika
begann im Jahre 1892 das Columbus Hospital mit der Arbeit. Zwei amerikanische
Ärzte arbeiteten umsonst, da sie von dem Mut dieser Frau begeistert waren. Für
den Unterhalt war immer gesorgt. Francesca fand immer neue Wege und öffnete
neue Hilfsquellen, bis endlich auch die staatliche Hilfe einlangte.
Nach wenigen
Jahren waren die Cabriniane überall unter dem Namen «die Schwestern Kolumbus»
bekannt. Sechshundertfünfzehn war die Zahl der Kranken, die im Jahre 1896 kostenlos
aufgenommen wurden. In den ersten dreißig Lebensjahren sorgte das Spital für
Hundertfünfzigtausend Kranke.
«Aber hier sind
wir in Italien» rief der italienische Kommissar für die Einwanderung verblüfft
aus, als er das südliche Klima sah, welches in dem Krankenhaus herrschte. Dann
wartete er, mit der Selbstüberhebung fast aller wichtiger Personen, dass man
ihm die Mutter vorstellte. Er war gekommen «um die Sachlage zu sehen und der
zuständigen Behörde mitzuteilen. »
Er war von
ihren durchdringenden und forschenden Augen und der unbeugsamen Kraft, die von
dieser zarten Person ausging, beeindruckt. Noch überraschter war er über die Offenheit,
die keinen Wiederspruch erlaubte, als sie sagte: «Sie reden zu viel! Es ist
überflüssig über die Notwendigkeit die Emigranten zu schützen, zu diskutieren.
Der Schutz muss, geschaffen werden. Ich diskutiere nicht, sondern bin
überzeugt: ein gutes Werk muss werden. Ich beginne sofort mit meinem Institut
mit der Arbeit und verzweifle nie. Ich habe Vertrauen, dass ich auf irgendeine
Art und Weise immer Hilfsmittel finden werde. »
Der Kommissar
wurde ihr Freund und begeisterter Bewunderer und sagte einige Jahre später:
«Mutter Cabrini. Sie sorgen für die italienischen Emigranten mehr, als das
ganze Außenministerium zusammen. »
1903 baute sie
ein neues Krankenhaus in Chikago. Dafür kaufte sie ein Luxushotel um
Hundertzwanzigtausend Dollar, hatte aber nur zehntausend für die Anzahlung, die
sie unter den Italienern der ganzen Stadt gesammelt hatte.
Die Leistung der Renovierung vertraute sie einigen
Schwestern an. Diese wurden aber von skrupellosen Unternehmern betrogen. Durch überflüssige
und schlecht ausgeführte Arbeit verursachten sie enorme Schulden.
Die Basilika Cabriniana |
Nach zehn Monaten kehrte Francesca zurück, als
schon alles verloren schien. Sie verlor nicht den Mut, entließ Unternehmer,
Architekten und Maurer, nahm neue Maurer, Tischler, Installateure auf, und
unter ihrer direkten Leitung begann die Arbeit von vorne. Sie stieß mit dem
Mafia-Klan von Illinois zusammen und erhielt Drohungen und Warnungen. Es war
Winter als sie ihr die Wasserrohre durchbrachen und das ganze Erdgeschoss wurde
mit Eisschichten zugedeckt. Hacken waren notwendig um diese zu brechen. Sie
legten in den Kellern Feuer und drohten mit Dynamit alles zu sprengen. Keiner
dachte daran, denn die Arbeiten waren noch nicht beendet, als sie die Kranken
hinein verlegte. «Wir werden sehen, ob sie die Kranken in die Luft sprengen»,
sagte sie. Sie wurde in Ruhe gelassen.
Sie hatte gewonnen und konnte vor ihrer Abreise die
Dienstregulierung für Ärzte und Krankenschwestern aufstellen. Sie schien unverwüstlich
zu sein und bekam den Kosenamen «Schwester moto perpetuo. »
Eines Tages,
während sie in der Eisenbahn durch Colorado, das voll von Banditen war, reiste,
wurde der Zug angegriffen. Ein Geschoss drang in das Abteil von Francesca ein
und bedrohte sie zu treffen. Im letzten Augenblick wechselte es die Richtung,
und sie blieb unverletzt.
«Man würde sie
nicht einmal treffen, wenn man ihnen mitten ins Gesicht schießt», sagte ihr
bewundert ein Eisenbahner. Diesen Eindruck erweckte sie tatsächlich, immer wenn
sie eine Schwierigkeit oder eine Gefahr vor sich sah.
Wir können
nicht alle Episoden erzählen, die wir in Erinnerung haben. Wir können sie nur
kurz zusammenfassen.
Hier einige
wichtige Namen und Daten.
1896: Gründung
eines Internates in Buenos Aires, wo sie nach Überquerung der Anden ankommt,
nachdem sie auf Eselsrücken bis auf viertausend Meter Höhe stieg.
1898: Eröffnung
drei neuer Schulen in New Jork, einem Internat in Paris und einem in Madrid.
1900: andere
Gründungen in Buenos Aires und ein Internat in Rosario de Santa Fé. Eine Schule
in London und ein Haus in Denver in Colorado.
1903: Eröffnung
des Columbus Hospitals in Chikago. Baubeginn eines Waisenhauses in Seattle.
1905: Eröffnung
eines Waisenhauses in Los Angeles.
1907: Gründung
eines Internates in Rio de Janeiro.
1909: Eröffnung
eines neuen Krankenhauses in Chikago.
1911: Eröffnung
einer Schule in Philadelphia.
1914: Eröffnung
eines Waisenhauses in Dobs Feny in New York.
1915: Eröffnung
eines Sanatoriums in Seattle.
Außerdem noch
die Gründungen in Italien, zwischen ihren Reisen: wie das Instituto Superiore
di Magistero in Rom, ein Internat in Genua und Turin.
Zusammenfassend,
in siebenunddreißig jähriger Tätigkeit: Gründungen von siebenundsechzig
Instituten.
Zurücklegend:
Vierzigtausend Meilen zur See ( über ihren bäuerlichen Ursprung scherzend,
nannte sie den atlantischen Ozean: «der Weg durch den Gemüsegarten»);
Und
Sechzehntausend Meilen zu Land.
Die Zahlen
zählen aber noch nicht alle Werke der Sendung der Cabriniane auf.
Es genügt, wenn
wir daran erinnern, dass Francesca einige bis in die Bergwerke von Denver
brachte, das heißt neunhundert Fuß unter die Erde. Mit großem Feingefühl sagte
sie: «Es wird nicht schwer sein den Bergwerksleuten vom Paradies zu sprechen.
Sie leben ja in der Hölle. »
Ab dieser Zeit,
bestimmte sie immer einige Schwester für alle die «ohne Luft und ohne Familie»
sind.
So bestimmte
sie auch einige für Sing Sing. So wie die Kranken ihre Krankheiten nicht erklären
konnten waren hier viele verurteilte Italiener, die sich nicht verteidigen
konnten und von Hass und Verzweiflung verzehrt wurden.
Die Schwestern
sorgten hauptsächlich, dass die Verbindung zwischen Gefangenen und deren Familien
erhalten blieb.
Die Gefangenen
weinten, als sie erfuhren mit welcher Verzweiflung Francesca für den Aufschub
eines Todesurteils gekämpft hatte. Es handelte sich um einen Jungen, ein Einzelkind,
der nicht sterben wollte ohne seine Mutter noch einmal zu sehen. Er wollte sie
um Verzeihung bitten, da er sie allein in ihrem Land gelassen hatte. Francesca,
brachte sie von Italien und bezahlte auch aus eigenen Mitteln die Überfahrt.
Sie begleitete die arme, in ihren schwarzen Schal gehüllte, Frau mit unendlichem
Zartgefühl.
Leider hatten
wir nicht die Möglichkeit den Charakter dieser Schwestern zu beschreiben. Immer
mehr kamen mit der Mutter, wenn sie von ihren Reisen nach Italien zurückkehrte.
Es genügt ein
Beispiel. In Erwartung der Einschiffung nach Amerika erklärte eine Schwester
ihren Verwandten, die sich von ihr verabschiedeten: «Ich bringe gerne dieses
schwere Opfer und reise nach Amerika! » Francesca die daneben stand unterbrach
sie barsch: «Mein Kind, Gott verlangt keine so großen Opfer von dir. Bleib
hier! » Sie tauschte sie sofort mit einer anderen Schwester.
Härte? Nein:
Realismus. Derselbe Realismus, der Nichts für unmöglich hält. Dieser Realismus
sagte ihr, dass man nichts unternehmen konnte ohne sich der Sache mit Freude völlig
zu widmen und von sich selbst und den eigenen geistigen Gewohnheiten getrennt
sein muss.
Sie hatte ein
unfehlbares pädagogisches System: «Wenn ich eines unserer Häuser besuche und
lange Gesichter Zerknirschung, Unwillen und schlechte Laune sehe, dann frage
ich nicht: 'Was hast du oder was hast du nicht?', sondern beginne mit einer
neuen Arbeit und die Schwestern sind beschäftigt. »
Nur Gott weiß,
was passieren würde und wie sich gewisse Institute erneuern würden, wenn die
respektiven Äbte und Oberinnen den Mut hätten ähnliche Methoden anzuwenden.
Noch etwas
wollen wir sagen. Gewisse «Laien» wiederholen gerne mit Hohn, «mit dem Vaterunser
kann man nicht regieren», und auch nicht mir der «sozialen Glaubenslehre» der
Kirche.
Doch zeigen uns
viele Seiten der Geschichte, dass Glaube und Gebet eine konkrete und
vielseitige Tätigkeit ausüben können. Die soziale Schöpferkraft (Sollicitudo
rei socialias),
ist so treibend
und überzeugt uns, dass gerade, wenn Gebet und besonders der echte Glaube
fehlt, die Menschen in den folgenschwersten Egoismus verfallen, gerade, wenn
sie ihre Mitmenschen regieren und neuen sozialen Fortschritt schaffen wollen.
Besonders ein «intellektueller» Egoismus, der den
Menschen notwendigerweise zwingt sich mit sich selbst, mit den eigenen Vorurteilen
und der eigenen kleinen «Partei», so groß man sie auch gestalten will,
abzugeben.
Die Folge ist eine unvermeidbare geistige
Kurzsichtigkeit um die Probleme zu verstehen und in Angriff zu nehmen. Es ist
die Kurzsichtigkeit eines Menschen dem der ewige Atem des Gebetes und des
Glaubens fehlt.
Sant'Angelo Lodigiano: Denkmal der Heiligen Francesca Saverio
Cabrini Statue: Enrico Manfrini |
«Die Welt ist
zu klein, ich möchte sie völlig umarmen», sagte oft Mutter Francesca Cabrini.
Sie gestand
auch, gewisse Schulerinnerungen hervorholend: «Ich werde erst Ruhe haben, wenn
über dem Institut die Sonne nie untergeht! »
Trotzdem sagte
sie auch mit der gleichen Überzeugung, wie schon andere Heilige vor ihr: «Gott
ist alles, und ich bin nichts. »
Der Unterschied
der von ihrem «Vaterunser» kam, lag hier. Sie hoffte ihr Institut in alle Ecken
der Welt zu bringen bis die Sonne nie darüber untergehen konnte. Sie dachte nie
an sich oder an ihre Absichten. Sie wünschte sich nur, dass es ihr gelinge Christus,
der in ihrem Herzen brannte, überall hin zu bringen.
«Jesus ist für
uns eine beglückende Notwenigkeit», sagte sie mit freudigem Ausdruck.
Sie glaubte,
alles wäre möglich, denn sie wiederholte mit dem heiligen Paulus: «Ich kann
alles, weil ER mir die Kraft gibt. »
Den damaligen
und den heutigen Katholiken erinnert sie: «Ohne Modernisierung kann man nichts
schaffen. Was machen die business-men in der Geschäftswelt! Warum tun wir nicht
das Gleiche im Interesse unseres geliebten Jesus? »
Durch die
Arbeit, aber auch durch die Freude erschöpft, starb sie 1917 in Chikago, in dem
Krankenhaus das sie gegründet hatte. Unsere Emigranten sagten mit Liebe und
ewigem Dank. «Der Italiener Kolumbus hat Amerika entdeckt, aber nur sie, Francesca,
hat die Italiener in Amerika entdeckt. »
Divo Barsotti schrieb
richtig: «Das Leben von Francesca Cabrini ist wie eine Legende. Eine Kirchengeschichte
die diese zarte Frau vergisst, ist mangelhaft. Eine Geschichte Italiens die sie
nicht erwähnen will ist parteilich eingenommen. »