Vita dei santi

Hl. Kamillus von Lellis

 

Auszug aus dem Buch: BILDER DER HEILIGEN von Antonio Sicari, Ausgabe Jaca Book

 

Mit vierundzwanzig Jahren war Kamillus von Lellis, aus den Abruzzen stammend, im Jahre 1574 ein gereifter Mann.

Die Chroniken wissen, seine Mutter war schon betagt, sie "hatte weiße Haare und das Gesicht voll Falten." Mit der Freude über die Schwangerschaft war ein wenig Scham verbunden. Sie war sechzig Jahre alt. An das Evangelium denkend, nannten sie die Menschen, die hl. Elisabeth. Die Frau fühlte das Wunder dieser unerhofften Schwangerschaft. Die Entbindung gestaltete sich sehr schwierig und trotzdem ging die Frau in den Stall um das Kind in die Krippe legen zu können, wie "Jesus und den hl. Franz."  Das Kind kam am Pfingstsonntag des Jubiläumsjahres 1550 zur Welt, während die Glocken im Augenblick der Elevation läuteten. Er war ein sehr starkes und großes Kind. Als Erwachsener war er um einen Kopf größer als die anderen. Die Mutter war besorgt wegen ihrem hohen Alter und hatte auch einige traurige Vermutungen.

Es gelang niemanden ihn zu erziehen. Der Vater war fast immer abwesend. Er war Fantariehauptmann und diente in der traurig bekannten Räuberbande von Fabrizio Maramaldo.

Persönlich war Johannes von Lellis ein guter Mensch und in einer Weise auch ein "guter Christ". Seine militärische Laufbahn begann er allerdings mit der Teilnahme an der Plünderung von Rom, im Jahre 1527 und mit einer ähnlichen Episode beendete er sie im Jahre 1559.

Allerdings war er kein guter Vater.

Die Ehefrau starb, als Kamillus dreizehn Jahre alt war. Schon damals war er ein kleiner unverbesserlicher Rebell. Das Kind begleitete den Vater von einem Heereslager in das andere. Dadurch lernte er die zerstörende Passion des Würfel- und Kartenspiels kennen. Durch die Umgebung bildete er sich zu einem boshaften Tyrannen heran.

Der Vater starb im Alter von 70 Jahren. Er meldete sich gerade freiwillig zu dem Krieg gegen die Türken, nachdem sein Sohn sich dort gemeldet hatte. Er hatte alles verloren. Seinem Sohn hinterlies er nur das Schwert und den Dolch.

Kamillus wurde von allen als "phantastisch, frei und eigenartig" bezeichnet. In der damaligen Sprache hieß das, unvernünftig und gewalttätig, aber mit generösen Ausbrüchen, zu sein.

Außer einer kurzen Zeit, von der wir später sprechen werden, verbrachte er Jahre als Söldner. Er setzte sein Leben, während der Schlachten und bei Raufereien, aufs Spiel um das verdiente Geld zu verspielen.

Er wechselt die Kompanien und kommt, auch militärisch, immer mehr herunter. Er tritt auch einer Räuberbande bei.

Im Jahre 1574 konnte er sich bei einem Schiffsbruch retten und ging in Neapel an Land. Dort wurde er von einer echten Spielwut befallen. Er setzte alles aufs Spiel, seinen Entlassungslohn, sein Schwert, seine Hakenbüchse, die Pulverfässer, seinen Mantel. Er ist richtig vor "die Hunde gekommen". Er verlor absolut alles.

Er endete wie ein streunender Hund, irrte umher, stahl und bettelte vor den Kirchen, rot vor Scham. Endlich fand er eine Arbeit beim Bau eines Kapuzinerklosters. Er führte die mit Stein, Kalk und Wasser für die Maurer beladenen Karren.

Er verabscheute die Arbeit mit seiner ganzen Kraft und war versucht, wie er später gestand, die Tiere zu töten und zu fliehen.

Doch die Nähe der Mönche, frisch ausgebildet und von Leidenschaft besessen, betraf ihm irgendwie.

Schon in der vergangenen Zeit, als er bei einer Schlacht um sein Leben fürchtete, hatte er versprochen, aber sofort wieder zurückgezogen, Mönch zu werden.

Im Jubiläumsjahr 1575 traf er auf einer Fahrt nach S. Giovanni Rotondo einen Mönch der ihm sagte: "Gott ist alles. Der Rest ist nichts. Die nicht sterbende Seele muss gerettet werden." Während der langen Heimreise, zwischen den Schluchten des Gargano, dachte Kamillus nach.

Plötzlich stieg er aus dem Sattel und warf sich weinend auf die Erde:

"Mein Gott, ich habe gesündigt. Vergib diesem großen Sünder. Ich bin ein Unglücklicher. Ich kannte und liebte dich nicht. Mein Gott, gib mir viel Zeit, damit ich meine Sünden beweinen kann."

Er wollte in den Kapuzinerorden eintreten, wurde aber zwei Mal aus dem Kloster verwiesen. Den Grund habe ich bis jetzt noch nicht erwähnt.

Schon zur Zeit der Raubzüge mit dem Vater hat sich Kamillus am Bein verletzt. Die Wunde bleibt sein ganzes Leben unheilbar und wird auch immer schrecklicher. Ein Arzt auf Genua, den er aufsuchte meinte es sei "ein großes, eitriges ätzendes Geschwür."

Heute denken viele an die schreckliche Krankheit des Jahrhunderts. An zugezogene oder ererbte Syphilis, wegen seiner und der Laster des Vaters. Die meisten Biographen sprechen aber nur von Auswuchs.

Kamillus zählt aber nun  zu den "Unheilbaren."

Eine Zeit war er schon im römischen San Giacomo, wo man die schrecklichsten Krankheiten bekämpfte. Er hat sogar die anderen Kranken gepflegt.

Sie mussten ihn aber entfernen, weil er besonders im "Geiste erkrankt" war. Er war streitsüchtig, arrogant, nachlässig und immer auf der Suche seine Spielwut zu befriedigen.

Er stieg sogar in der Nacht aus dem Fenster und suchte Bootsleute und Dienstmänner auf. Mit diesen verbrachte er bis zum Morgengrauen die Zeit im Spiel.

Er kehrte als Kapuzinernovize in das Spital zurück. Sein Benehmen war jetzt geändert. Er war barmherzig aber zurückhaltend. Kamillus dachte besonders an sein Kloster.

Endlich konnte er in das Kloster zurückkehren, aber die Geschwulst wurde immer eitriger. Die Kapuziner beschließen seine endgültige Entfernung. So kehrt er in das Krankenhaus zurück, an das ihm anscheinend seine Krankheit fesselt.

Es wird gut sein, wenn wir hier die Zustände der damaligen Krankenhäuser beschreiben. Dabei müssen wir jedoch bedenken, dass die römischen die besten der Welt waren.

In das Spital der Unheilbaren kamen die abstoßendsten Kranken, der Abschaum der Menschheit. Oft wurden sie direkt vor die Tür des Gebäudes gelegt.

Normalerweise gab es siebzig Betten. In gewissen Jahren, wurden es fünfhundert, wenn eine radikale Kur mit Holzwasser, die sehr teuer und sehr bekannt war, angewendet wurde. Besonders Syphiliskranke unterzogen sich dieser Kur, aber auch viele die sich "entkranken" wollten. Torquato Tasso wollte seinen "melancholischen Charakter" heilen und Aldo Manuzio seine Augen. Die Kur dauerte 40 Tage.

Vom medizinischen Standpunkt aus waren die Krankenhäuser anerkannt, aber in einer anderen Art waren sie schrecklich. Selten wurden Pfleger für diese abstoßenden Kranken gefunden. Sogar die Priester verweigerten den religiösen Beistand. Die Kranken waren richtigen Handlangern ausgeliefert. Einige Verbrecher waren zu dieser Arbeit verurteilt. Auch Menschen die keine andere Einkunftsmöglichkeit hatten. Was dort geschah, ist für uns unvorstellbar.

Eine Seite eines Berichterstatters aus dieser Zeit:

"Sie waren gezwungen den Abschaum der Menschheit zu verwenden. Menschen ohne Wissen, Verbrecher oder Häftlinge in Untersuchungshaft, die zur Strafe in diese Krankenhäuser geschickt wurden.

Eines war sicher. Diese Armen, auch wenn sie tagelang mit dem Tod kämpften hörten nie ein Wort des Trostes oder der Hoffnung.

Wie oft geschah es, dass sie Tage hindurch kein Essen bekamen, weil es ihnen niemand reichte? Wie viele Schwerkranke, die ihr Bett nicht allein säubern konnten, lagen wochenlang zwischen Würmern und Unrat?

Wie viele schwache stiegen aus irgendeinem Motiv, von ihrem Bett herunter, fielen nieder und starben oder verwundeten sich? Wie viele schmachteten und bekamen aber keinen einzigen Tropfen Wasser? Wir wissen, dass viele aus Verzweiflung ihren eigenen Urin tranken.

Was ich jetzt sage, wird vielleicht niemand glauben. Wie oft haben diese jungen Handlanger, die noch in Agonie liegenden, aus ihren Betten gehoben und zu den Toten gelegt?

Das sind keine Übertreibungen. Auch von anderen Krankenhäusern haben wir die gleichen Berichte.

Als Kamillus und seine Mitbrüder im größten Krankenhaus von Mailand, dem "Ca' granda" mit der Arbeit beginnen, finden sie dort derartige Zustände, dass er sie als "Todesursache" ansieht

"Nur der Herrgott weiß wie viele wegen dieser schmutzigen, übel riechenden und verschlammten Orte gestorben sind."

Zu dieser allgemeinen Fahrlässigkeit kommt noch die körperliche Gewalttätigkeit dazu. Diese Krankenpfleger zwingen oft mit Faustschlägen und Ohrfeigen die Kranken ihre Medizin zu nehmen. Oft heben sie die Kranken mit derartiger Heftigkeit aus den Betten, dass diese in ihren Armen sterben.

Im "Haus der Unheilbaren" ist Kamillus Veränderung bekannt. Bald wird er "Spitalmeister", d.h. verantwortlich für die wirtschaftliche und organisatorische Leitung. Er beginnt Ordnung zu schaffen.

Er weiß aus eigener Erfahrung wie diese "teuflischen Menschen" sind, er kennt jeden Trick dieser Taugenichtse. Tag und Nacht ist er überall. Er erscheint dort, wo er nicht erwartet wird. Er rügt, tadelt, macht Vorwürfe und zwingt alle ihre Arbeit zu verrichten und zwar gut.

Er prüft die Einkäufe, streitet mit den Kaufleuten, schickt die defekte Ware zurück. Und wenn er etwas nicht erreichen kann, so bietet er sich als Vorbild an.

Es handelt sich um die "Zärtlichkeit".

Sie sehen wie er mit nackten Händen die geschwollenen Gesichter dieser Armen säubert und küsst.

Er führt den Brauch der Aufnahme ein und kümmert sich persönlich darum. Jeder Kranke wird am Tor empfangen, umarmt, die Füße werden ihm gesäubert und geküsst, seine zerrissenen Kleider werden durch saubere Wäsche ersetzt und dann wird er in ein sauberes Bett gelegt.

Er erklärt seinen Handlagern: "Die armen Kranken sind die Lieblinge Gottes und was den Armen getan wird, macht man für Gott."

Er sammelt die Feinfühligsten um sich, betet mit ihnen und er, der kaum lesen und schreiben kann, erklärt  ihnen die Grundbegriffe der Nächstenliebe.

Er hat nur eine feste Idee. Die Handlanger müssen durch Menschen ersetzte werden, die nur aus Liebe bei den Kranken sind.

Er will nur Menschen, die nicht "aus Geldgier, sondern aus Liebe zu Gott, wie Mütter ihre kranken Kinder pflegen" um sich haben. Das ist sein Vorhaben, doch zeigen sich sofort die Schwierigkeiten. Die Freunde die gemeinsam beten und über das Argument sprechen sind wenig. Einige denken sogar, das Kamillus sich das Spital aneignen will, andere halten dieses Vorhaben für nicht realisierbar.

Selbst der Beichtvater von Kamillus, der hl. Philipp Neri, rät ihm ab. Er denkt, dass dieser ungebildete Mann nicht den Stoff hat diese zusammengewürfelten Menschen zu führen.

Kamillus ist aber überzeugt: "Mir scheint, dass die ganze Hölle nicht im Stande ist, meine begonnene Arbeit zu stören." Er ist überzeugt, Christus selbst hätte ihn beauftragt.

Jedoch begreift er, dass er und seine Gleichgesinnten Priester werden müssen um Glaubwürdigkeit zu erlangen. Auch wenn er über die theoretische Theologie fast nichts weiß und keine Seite ohne vielen lächerlichen Rechtschreibfehlern schreiben kann, gelingt es ihm die Priesterweihe zu erhalten.

Er verlässt das Spital der Unheilbaren, wo er nicht mehr erwünscht ist. Mit seinen Gleichgesinnten zieht er in ein kleines Haus, wo sie zu dritt zwei Decken haben. In der Nacht schlafen sie Turnusweise um sich zudecken zu können. Sie beginnen ihre Arbeit in dem großen römischen Santo Spirito (= Krankenhaus des Heiligen Geistes.)

Es ist das bekannte "Hospitium Apostolorum", vom Papst gegründet und den Geistlichen des "Heiligen Geistes" anvertraut. Papst Innozenz III, der große Papst des 12. Jahrhunderts, gründete es damit "die Gebieter ( d.h. die Kranken) und die Diener (d.h. die anderen Christen) hier wohnen können."

Die leitenden Brüder hatten gelobt "Diener" ihrer Gebieter, der Kranken, für das ganze Leben zu sein.

Leider, zu Kamillus Zeiten waren diese "Diener" sehr wenig und wurden immer mehr die "Gebieter."

Papst Sixtus IV, der Papst der Sixtinischen Kappelle, erneuert das Krankenhaus mit solcher Pracht und gibt ihm so wenigstens den äußerlichen Originalwert wieder.

Es gibt nicht nur die Sixtinische Kapelle, sondern auch den Sixtinischen Krankensaal von Santo Spirito. Er ist einer der schönsten Kunstwerke Roms.

Keine Kirche Roms, auch die Sixtinische Kapelle hat so einen prachtvollen Eingang. Man gelangt in einen immensen Saal von 120 m Länge, 12 m Breite und 13 m Höhe, mit einer Kassettendecke, die den schönsten Basiliken Roms gleichgestellt ist und in der Mitte eine herrliche achteckige Kuppel hat. Die Wände sind oben mit Fresken bemalt und unten mit verziertem Leder bedeckt. Längs der Wände die Krankenbetten, alle etwas erhoben und mit einem Baldachin, wie Throne überdeckt.

An der Rückseite ist eine kleine Kapelle von Palladio, wo das Sakrament ausgestellt ist. Es gibt eine große Orgel. Zwei mal in der Woche werden während der Mahlzeiten Konzerte für die Kranken gegeben.

Der Eintritt in den Krankensaal war für alle frei. Wer am Vormittag die Messe hörte, konnte dann Christus, den er im Sakrament verehrt hatte, in dem er die kranken Brüder pflegte, dienen. Tatsächlich kommen alle in das Spital des Heiligen Geistes die Nächstenliebe und Barmherzigkeit üben wollen. Die freiwillige Hilfe ist allen erlaubt und wird Pilgern, Geistlichen, Priestern, Kardinälen, Wissenschaftlern, Handwerkern, Büßern, Sündern und Heiligen empfohlen.

Das Santo Spirito war ein Vorbild für alle Krankenhäuser, da es nach der christlichen Auffassung geleitet wurde. Am Eingangstor des Krankenhauses Maggiore von Turin und auch auf vielen anderen war geschrieben: "Die Liebeshandlung für Christus, Gott und Mensch, der in den Armen erkrankt ist."

Im Santo Spirito war diese Glaubenserklärung sichtbar.

So wie sich der feste Glaube der Kirche zeigte, war auch die irdische Armseligkeit sichtbar.

Die Menschen verdienten diese herrliche Struktur nicht. Das Problem der Handlanger war wie in den anderen Krankenhäusern. Die sanitären Probleme und der Schmutz waren eine Beleidigung für diese Pracht. Das Volontariat verwandelte sich in Chaos und die Ideale in tägliche Engherzigkeit.

Das "Santo Spirito" war eine Art der extremen Verwirklichung zwischen Geheimnis und Wiederspruch der Kirche.

An diesem Ort war die "menschliche" Besserung als "unmöglich" angesehen. Hier arbeiten Kamillus und seine Freunde dreißig Jahre und bilden so, eine neue religiöse Kongregation: den Orden der Krankendiener.

Für sie bedeutet das Krankenhaus alles. Langsam übernehmen sie die ganze Arbeit und verbreiten die Tugend der Zärtlichkeit.

 Kamillus liebt die Musik. Manchmal geht er in die Kirche um die Konzerte zu hören. Wenn er herauskommt sagte er:

"Ich höre aber lieber eine andere Musik. Die, welche die armen Kranken im Krankenhaus machen, wenn sie gemeinsam rufen und bitten: "Vater, gib mir Wasser, mache mein Bett, wärme mir die Füße."

Einmal sehen sie ihm: " vor einem Kranken kniend, der eine Geschwulst im Munde hatte und einen derart üblen Geruch ausstrahlte, dass seine Nähe nicht zu ertragen war. Kamillus war über ihn gebeugt und sprach mit ihm. Es schien, als wäre er wahnsinnig aus Liebe geworden und nannte ihn: mein Gebieter und Herr, was kann ich für euch tun? Er war überzeugt seinen geliebten Jesus Christus vor sich zu haben... "

Ein Augenzeuge berichtet: "Ich sah ihn oft aus tiefer Ergriffenheit weinen. In jedem Kranken sah er Christus und betete ihn wie Gott an."

Er wollte keinen Ruhetag. Wurde er dazu gezwungen, damit er sich nicht völlig aufbrauchte, kehrte er geheim zurück.

Alles was die Kranken brauchten, hatte er bei sich. Weihwasser, Gebetbuch, Trinkwasser, Nachttöpfe und sogar eine "kleine Kupferschale" als Spucknapf.

Das waren die Gewänder und Instrumente seiner Liturgie.

Oft, gestand Kamillus den Kranken, während er sie ärztlich behandelt, seine Sünden. Er ist überzeugt, dass er direkt mit Gott spricht. Hören wir noch einen Zeugen.

 "Wenn er jemanden in den Armen hielt und das Bett ordnete, tat er es mit so großer Liebenswürdigkeit als würde er Jesus Christus selbst halten."

Er verließ nie einen Kranken ohne ihn zu küssen. Wer ihn kannte sagte: "hätte er hundert Arme, würde er alle hundert in diesem Dienst verwenden."

Nicht immer erhielt er dafür Anerkennung.

 Im Alter sagte er seinen Mitbrüdern:

"Ich habe oft Fausthiebe, Ohrfeigen, Spucke und Frechheiten aller Art von den Kranken erhalten. Ich habe mich darüber sogar gefreut. Meine Kranken dürfen mir Befehle geben, mich beschimpfen und beleidigen, denn sie sind meine Gebieter."

Einmal hatte er einen jungen Bruder bei sich um ihm die Säuberung der Kranken zu lehren und hatte daher völlig schmutzige Hände.

Der junge Mönch sah es mit Ekel. Kamillus sah ihn an und sagte: "Der Herrgott gewähre mir die Bevorzugung mit solchen Händen zu sterben."

Einem anderen ließ er das Stroh der Materasse durchwühlen und sagte ihm: "Da schau, es hat die Farbe von Gold. Es ist auch tatsächlich Gold, denn mit diesem kauft man sich das Paradies."

Er entschuldigte sich, weil er nur von Nächstenliebe, sprechen und wie ein Landpfarrer nur das Messbuch lesen, kann: "ich kann von nichts anderem sprechen."

Am Abend, in das Kloster zurückgekehrt versammelt er die Mitbrüder. In der Mitte des Zimmers stellt er ein Bett auf, legt Matratzen und Decken darüber und ersucht einen Mitbruder sich nieder zu legen. Dann zeigt er wie das Bett gesäubert und die Bettwäsche erneuert wird, ohne den Kranken zu stören. Dann mussten alle üben.

Manchmal zürnte er: "Liebevoller, ich will mütterliche Liebe sehen", oder " mehr Gefühl in die Hände."

Eines Tages kommt der Leiter des Santo Spirito in das Krankenhaus und verlangt sofort Kamillus zu sprechen. Dieser ist aber gerade mit einem Kranken beschäftigt.

"Sagt dem gnädigen Herrn, dass ich jetzt gerade mit Christus beschäftigt bin. Kaum bin ich fertig, komme ich zu seiner geehrten Person", lässt er antworten. Er sagt das nicht aus Überheblichkeit, sondern er ist tatsächlich dieser Meinung.

Sein Biograph sagt: "Es schien, als würde nicht er in seinem Körper sein. Nur Jesus und seine Armen lebten in ihm."

Mit der Zeit schließen sich ihm andere junge Leute an und Kamillus beginnt, auch andere Krankenhäuser zu erobern.

Er kommt bis nach Neapel, Genua, Mailand und Mantua. Gerade in Mailand ist das Krankenhaus in Schwierigkeit. Ohne sich zu beraten übernimmt Kamillus das Krankenhaus, d.h. nicht nur die Krankenbetreuung, sondern die gesamte Leitung.

Für Kamillus gib es keinen Unterschied zwischen Materie und Geist. Alles was die Kranken betrifft, will er tun. Seine Mitbrüder sind aber nicht dieser Meinung. Mit Recht sind sie davon überzeugt, dass in dieser Weise nur den Verwaltern geholfen wird Geld zu sparen, während die Brüder sich wörtlich zu Tode arbeiten.

Was auch nur von Weitem die Armen betrifft, ist für Kamillus heilig.

Er ist der Erste der in dieser Arbeit völlig aufgeht.

Die Tiberüberschwemmung zu Weihnachten 1598 ist bekannt geblieben. Die Mitbrüder und Diener brummen und behaupten es wäre keine Gefahr. Kamillus zwingt sie jedoch die 300 Kranken in das obere Stockwerk zu bringen

Als der letzte Kranke umgelegt war, überschwemmte der Tiber bis zu drei Metern den Boden. Aber die Kranken waren gerettet.

In jeder Gefahr wendet man sich an Kamillus. Besonders bei Pestepidemien oder Hungersnot die mit enormer Kraft ausbrechen. Manchmal scheint es, dass die Toten, die nicht begraben werden können, die "Lebenden ermorden."

Kamillus hat in seinem Leben vierzehn Klöster gegründet und acht Krankenhäuser ( in vier die völlige Direktion) mit 80 Novizen und 242 Priester geleitet.

Im Alter zieht er sich von der Führung zurück und wünscht nur leben und sterben im Santo Spirito zu dürfen. Er will die Augen unter seinen Armen schließen.

Dem Vorsteher der Unbeschuhten Karmeliter, der ihn besuchte, sagte er:

"Ich war ein großer Sünder, Spieler und schlechter Mensch."

 Aber er kann auch von sich sagen:

 "Ich kann mich nicht erinnern eine Todsünde oder auch nur eine lässliche Sünde begangen zu haben seit dem mich Gott erleuchtet und zu seinem Dienst berufen hat."

Im Sterbezimmer Kamillus sieht ihn ein Bruder ein Bild betrachten, dass ihn vor einem Kreuz stehend abbildet.

"Was ich mache? - antworte Kamillus - ich warte auf die gute Nachricht Gottes: "Kommt, ihr von meinem Vater gesegnete, denn ich war krank und ihr habt mich geheilt".

Er stirbt mit 64 Jahren. Vorher hat er sein Testament geschrieben, ließ es von allen Brüdern unterschreiben und sich um den Hals binden. So wollte er begraben werden.

Das Testament enthält seine völlige Hingabe.

"Ich, Kamillus von Lellis, hinterlasse meinen Körper der Erde von der ich gezeugt wurde,

….Ich hinterlasse dem Teufel, dem ruchlosen Verführer, alle meine Sünden und Kränkungen gegen Gott, die ich aufrichtig bereue.....

Idem: hinterlasse ich der Welt allen Hochmut...... Ich will das irdische Leben mit dem Paradies tauschen. Meinen ganzen Besitz mit den ewigen Schätzen, alle meine Freunde mit den Heiligen, meine Verwandten mit der Liebe der Engel und schließlich alle irdischen Eigenheiten mit der echten Ansicht von Gottes Gesicht.

Idem: schenke ich meine ganze Seele meinem geliebten Jesus und seiner Mutter und meinem Schutzengel.

Idem: ich lege meinen Willen in die Hände der Jungfrau Maria, Christies Mutter, und will nur das, was die Engelskönigin wünscht.

 Außerdem übergebe ich mich, mit Leib und Seele, dem gekreuzigten Jesus Christus und hoffe, dass er mich, in seiner Güte und Barmherzigkeit aufnimmt und verzeiht so wie er Magdalena verzieh. Ich hoffe, er wird mir wohlwollend sein, so wie dem guten  Schächer am Kreuze... "

Er starb lächelnd, während der Priester, der ihm beistand die Worte des Gebetes sprach: " Mitis atque festivus Christi Jesu tibi aspectus appareat ", "Christus zeigt dir sein liebevolles und feierliches Gesicht."

Kamillus von Lellis erfüllte ganz Italien mit seiner  Barmherzigkeit für die Kranken. Heute erscheint diese Arbeit weit entfernt und nicht mehr so wichtig.

Unsere Krankenhäuser und unsere Kranken befinden sich nicht mehr in den dramatischen  Zuständen, die Kamillus vorfand.

In Wirklichkeit liegen die Dinge aber nicht so. Die gleichen  Ereignisse die von Kamillus berichtet werden, lesen wir heute wieder in den Berichten von Mutter Teresa von Kalkutta und ihren Schwestern. Auch sie umarmten Tausende von Armen und halfen ihnen "wie Engeln" zu sterben. Sie fanden sie auf den Straßen und im Sumpf. Auch heute noch erkennen sie in allen Aussätzigen unserer Zeit, Christus.

Im Western sind die Krankenhäuser nicht mehr diese entsetzlichen Orte, wie wir sie beschrieben haben. Zumindest so lange, wir Epidemien und tödliche Infektionen eindämmen können.

Tatsächlich wissen wir moderne Menschen nicht, wie wir reagieren würden, sollten die Zeiten zurückkommen, wo Ärzte, Krankenpfleger, Dienstpersonal usw. täglich ihr eigenes Leben riskieren müssten, um die Kranken heilen zu können. Die Zeichen dafür sind nicht gerade ermutigend. Panik und Egoismus würden auch unsere modernen Strukturen sofort wieder in ein Chaos werfen. Dann wären die Heiligen notwendig. Und nur die Kirche kann diese hervorbringen.

Aber noch ärger ist es, dass die menschliche Grausamkeit, trotz unserer gesundheitlichen Organisation und unserer medizinischen Erfahrung, bleibt.

Würden die Sünden, welche die Kirche heute anzeigt ( das Gemetzel der Unschuldigen durch den Abort, die Manipulation des Fötus, die geheim oder öffentlich angewendete Euthanasie), in ihrer konkreten Unmenschlichkeit beschrieben werden, würden sie uns auch grausam und abstoßend erscheinen. Im Gegenteil. Wir haben gelernt die Spuren schneller zu verwischen, als in den frühren Jahrhunderten.

Sogar die Kranken, welche heute in Krankenhäusern aufgenommen und geheilt werden, beklagen sich oft, dass sie nicht als Menschen angesehen werden, sondern als erkrankte "Teile" Ärzten und Krankenpfleger übergeben wurden in der Hoffnung geheilt zu werden. (Heute meint man bereits, der Staat müsse bestimmen, wer aufgenommen wird und wer nicht, da man Sparmaßnahmen vornehmen muss.)

Der Kranke wird nicht völlig gewertet. Wer ihn heilt, opfert sich nicht völlig auf. Bestenfalls ist die Begegnung mit einem Kranken eine Verantwortung. Der Rest ist anonym und die Einsamkeit ist bitter. Die völlige Hingabe die Kamillus gab und lehrte, seine Fähigkeit sich jeder Person anzupassen, glänzen wie die Sonne.

Ein Biograph von unserem Heiligen bemerkt richtig, dass auch unsere Krankenhäuser, keine dem Schmerz und der Begegnung von Menschen, geweihte Orte sind. Oft sind sie nur "entweihte Häuser, welche von Interesse, Ehrgeiz und Gefühllosigkeit der Gesunden verdorben sind."

Das Problem wird erst gelöst werden, wenn die Kranken als heilige Personen betrachtet werden.

Heute, in einer Zeit in der die Gefahr der Euthanasie zunimmt, müssen wir uns besinnen. Die Brüder des Heiligen Kamillus wurden in Bologna und Piacenza vom Volk die "Väter des guten Todes" und in Florenz, in der Toskana, die "Väter vom schönen Sterben" genannt wurden.

Die Kirche hat für alle menschlichen Probleme Antworten. Diese kommen nicht nur aus ihrer Klugheit, sondern besonders aus ihrem Gedenken ihrer Heiligen. Diese liebten Christus so sehr, dass sie sich aus Barmherzigkeit in allem menschlichen aufopferten.

Ein Minister Indiens verglich die Ergebnisse von Mutter Teresa mit denen der staatlichen Fürsorge und eines Tages sagte er ihr mit Bewunderung und aber auch mit ein wenig Trauer: Der Unterschied zwischen euch und uns ist der: "Wir machen es für etwas. Ihr für jemanden."

Das ist das Geheimnis und das Licht der Christenheit: Alles und alle sind Zeichen von Jemanden. Und das ist der Erlöser.

Zum Abschluss noch eine kleine Episode aus dem Leben von Kamillus: "Einmal sah er die Kranken auf Stroh am Boden liegend, da alle Betten besetzt waren. Einige fragten ihn, warum er darüber so traurig und verzweifelt wäre. Seine Antwort war: ich esse das Brot der Verzweiflung, weil ich den Körper Christie im Schmerz sehe."

Für ihn bedeutete das Leben " sterben, um für den gekreuzigten Christus in den Kranken zu leben."