Heilige Kajetan von Thiene
Aus dem Buch: "Der hl.
Kajetan von Thiene" von Michele Gianpietro
Glückliches Alter der großen Verheißungen
Der künftige Riese des Glaubens wurde im Oktober 1480 in
Vicenza geboren. In dieser Stadt blühte der Woll- und Seidenhandel und die
Stadt befand sich unter dem Einfluss Venedigs.
Kajetans Eltern waren
Graf Gasparo Thiene und Maria Porto ( oder von Porto) und gehörten zu den
adeligsten Familien der Stadt.
Das Kind, er war der
zweitgeborene, wurde nach einem Onkel, einem sehr gebildeten Mann, Kajetan
genannt. Dieser erhielt den Namen von seiner Mutterstadt, Gaeta.
In der Familie Thiene
herrschte Wohlstand. Doch starb der Vater in einem der vielen Kriege, welche
die Halbinsel mit Blut bedeckte. So wurden die drei Kinder zu Waisen. Zu ihrem
Glück ersetzte die Mutter, eine bewundernswerte Frau, mit Würde den Ehemann.
Der zuständige Richter anerkannte in Maria von Porto "Integrität,
Barmherzigkeit, Religion, Humanität, Vorsicht, Aufmerksamkeit und Eifer"
und vertraute ihr die Vormundschaft der drei Kinder an. Bald aber starb ein
Sohn im Kindesalter.
Von dem Kind und dem
Jüngling Kajetan wissen wir sehr wenig. Nach dem Brauch der adeligen Familien
studierte er mit Privatlehrern und besuchte die schöne Kirche der Heiligen
Krone aus dem 13. Jahrhundert, die auch heute noch existiert. Seine Frömmigkeit
schon als Kind und dann als Jüngling war beispielhaft. Seine Barmherzigkeit den
Armen gegenüber war groß. Für sich wagte er um nichts zu bitten, doch für die
Armen, nachdem er ihnen alles, was er besaß,
gegeben hatte, bettelte er bei Verwandten und Freunden. Seine
Lebensweise gab keinen einzigen Anlass zu Vorwürfen. Seine Nächstenliebe wurde
sogar als übertrieben angesehen und man mahnte ihn zur Mäßigung.
Seine Antwort, die er
Verwandten gab, als sie ihm seine sehr bescheidene Kleidung und den Umgang mit
den einfachen Leuten, vorwarfen, ist bekannt. "Es ist wahr, dass wir
als Adelige geboren sind, aber Christen durch göttliche Gnade wurden. Es ist
auch wahr, dass uns unsere adelige Geburt zu weltlichem Prunk verpflichtet,
doch durch die Wiedergeburt in Christus dürfen wir die Demütigungen des
Kalvarienberges nicht vergessen."
Wir wissen, dass der
jung Kajetan von Thiene bescheiden, folgsam und gefügig war. Aber im geeigneten
Augenblick zeigte er mit Stolz seine Glaubeneinstellung. So verhält er sich in
all den tausend Schwierigkeiten seines Lebens.
Nachdem er das
Studium in Vicenza beendet hatte, kam für Kajetan die Zeit an die Universität
von Padua zu gehen. Das war eine Vorschrift für ein Mitglied der Familie
Thiene, welche ja nicht nur adelig und reich war, sondern auch eine kulturelle
Tradition aufwies. Die Universität von Padua war die Älteste der Halbinsel und
alle Wissenschaften waren durch die bekanntesten Dozenten vertreten.
In Vicenza herrschte eine fromme, gesammelte und fast
vertraute Atmosphäre. In Padua kamen die Studenten von ganz Europa zusammen und das Leben war viel freier
und lebhafter. Diese Umstellung, hätte auch bei Kajetan, wie bei vielen anderen
Jugendlichen, eine kulturelle Veränderung und eine Wandlung in den
Gepflogenheiten und im Benehmen hervorrufen können. So wie heute, geschah es
auch damals.
Viele Jugendliche
verlieren sich oft bei einem plötzlichen Wechsel. Sie kommen von einer Klein-
in eine Großstadt. Sie sind nicht mehr unter der Aufsicht der Eltern. Sie
können tun und lassen, was sie wollen. Sie sind aufnahmefähig, können aber noch
nicht das Korn vom Streu trennen.
Wir wären daher nicht
überrascht, wenn das auch unserem Kajetan passiert wäre. Kajetan studierte aber
eifriger als in Vicenza und stärkte seinen Glauben durch Gebet und Buße. Das
war sehr verwunderlich. Außerdem verstärkte er seine Werke der Nächstenliebe
und besuchte Arme und Kranke, brachte ihnen Geschenke und ersetzte manchmal
sogar die mangelhafte Assistenz der Krankenpfleger.
Die tägliche Messe
und Kommunion, die Vorlesungen an der Universität, das Studium und die langen
Spitalbesuche: der Tag war für Kajetan zu kurz. Trotzdem findet er aber auch
noch Zeit um die Klöster aufzusuchen, mit den Brüdern zu diskutieren und sich
ihren Gebeten und Bußübungen anzuschließen. Mit einem Wort, seine Studienzeit
in Padua, schwächern seine religiösen Gefühle nicht, sondern stärken sie und
enden in der Entscheidung, Priester zu werden.
Diesen Gedanken hegte
er schon seit seiner Jugend. Er zeigte eindeutig, dass er weder den geerbten
Titel, noch den väterlichen Palast schätzte und auch nicht die Bequemlichkeiten
welche die Menschen seines Ranges hatten. Die Außenstehenden stimmten mit
seiner Einstellung nicht überein. Die meisten hielten die Absicht für ein
Zeichen der Jugend: heilig, naiv, vielleicht sogar heldenhaft, aber
vorübergehend. Wenn wir aber das betrachten, was später geschah, dann erkennen
wir, dass die Menschen kurzsichtig waren. Der junge Mann sah weit voraus und
was noch wichtiger war, er verstärkte seine Absicht. Er wollte sich völlig Gott
weihen und die Gebote Gottes ausüben und unter den Mittellosesten verbreiten.
Padua verkleinert
nicht seinen Wunsch Priester zu werden, sondern vergrößert ihn. Die
Universitätsfreunde studieren mit mehr oder wenigerem Eifer. Was aber das
Vergnügen betrifft, schließen sie sich nicht im Hause ein. Auch Thiene gönnt
sich, zwischen dem Studium an der Universität und seinen Besuchen bei den Armen
in deren Wohnungen oder Krankenhäusern, Augenblicke der Freude und vertraut
diese einem Tagebuch an.
Wir bringen einen
Auszug:
" Mein Gott, ich
weiß, dass ich nicht würdig bin, unter diesen irdischen Engeln aufgenommen zu
werden (so sah er die Priester) Mein Wunsch ist aber, dies zu verdienen. Ihr
seht meinen brennenden Wunsch mich unlösbar an euch durch die heiligen Gelübde
zu binden. Warum tröstet ihr mich nicht? Aber nicht mein Wille, sondern dein
Wille geschehe. »
Man kann mir nicht
sagen, dass diese nur schöne und geflügelte Worte sind, welche den religiösen
Willen bezeugen. Nachdem sie aber aus einem jungen Herzen kommen werden sie
nach Jahren in den Schatten treten und Gedanken und Lebensweise werden sich der
menschlichen Natur, der Zeit und den weltlichen Notwendigkeiten anpassen. Der
Unterschied zwischen Kajetan Thiene und vielen Gleichaltrigen besteht darin:
diese versprechen und sind in ihrer Art auch ehrlich; später aber schließen sie
andere Kompromisse. Unser Kajetan hält aber auch im Alter, was er in der Jugend
versprach. Er wird zu einem Fels des Glaubens und des karitativen Eifers. In
den kommenden schweren Jahren, die auf die Kirche warten, werden sich viele an
diesen Felsen anklammern.
Arbeitsreicher Aufenthalt in dem Dorf Ramazzo
Noch aus einem
anderen Grund ist der Aufenthalt in Padua bemerkenswert: die Trennung von der
Familie. Keine Trennung der Gefühle, sondern nur der Interessen. In Vicenza
besaßen die Thiene einen Palast und dadurch hatten sie ein angenehmes Leben und
entsprechende soziale Verbindungen. Kajetan missfielen beide. Um sich diesen
Verpflichtungen zu entziehen kehrte er während der ganzen Studienzeit nur
einmal, und nur auf drei Tage, zu seiner Familie zurück. Er liebte seine Mutter
sehr, wie man alle Mütter lieben sollte. Auch herrschte ein gutes Verhältnis
mit seinem älteren Bruder Giambattista. Er hält aber an seiner Gesinnung fest
und bleibt in Padua. Hier wird die engere Verbindung mit Gott (durch die Armen
und Kranken) nicht durch die Verpflichtungen, die jede adelige Familie hat,
getrübt.
Für die Absolvierung
des Diploms im kanonischen und zivilen Recht erhielt der noch nicht
vierundzwanzig jährige die "Lorbeerkrone". Das war der Traum aller
Studenten dieser Zeit. Nach Rückkehr in seine Familie zieht er es vor in dem
einfachen Rampazzo zu leben, wo die Familie Thiene ein Schloss besaß und nicht
in der reichen Residenz von Vicenza.
Der bewundernswürdige
Jüngling bemerkt mit großem Erstaunen, dass die Bewohner von Rampazzo, damals
fast alle Bauer, eine sehr mangelhafte religiöse Ausbildung hatten. Sie hatten
wohl die kleine Kirche des hl. Fermo, aber der Pfarrer wohnte weit entfernt und
kam nur selten hier her. Kajetan nahm sich vor den Mangel zu beheben und guten
Herzens verwandelt sich der ausgebildete Jurist in Religionslehrer. Bald zeigen
sich die Ergebnisse. Allerdings wäre es besser, die kleine Kapelle des hl.
Fermo durch eine größere und würdigere Kirche zu ersetzen.
Kajetan verfügte über
ein gewisses Vermögen; doch dürfen wir nicht vergessen, er war zweitgeborener.
Der größte Teil des Vermögens gehörte, wie es der Brauch der Zeit war, dem
älteren Bruder. Als dieser die Absicht Kajetans eine große Kirche in Rampazzo
zu erbauen, erfuhr, steuerte er großzügig bei. So entstand die Kirche dem
höchsten Gott und Maria Magdalena geweiht. In den folgenden Jahrhunderten wurde
sie vergrößert und existiert auch heute noch.
Ein größerer Aktionsbereich: Rom
Rom hat immer einen
großen Eindruck auf die Menschen ausgeübt. Egal, ob sie Wissenschaftler,
Gottesfürchtige, Künstler oder Geschäftsleute waren. Gar nicht zu sprechen von
den Abenteurern oder Emporkömmlingen.
Kajetan Thiene hat
eine gründliche Bildung und einen festen Glauben. Vor allem aber ist er jung,
nur 25 Jahr alt und ist noch mit heiligen Idealen erfüllt. Das genügt, damit
wir seinen Entschluss, Rampazzo und Vicenza zu verlassen um nach Rom zu kommen,
verstehen.
Das strenge Leben,
welches er in Padua und während des kurzen Aufenthaltes in Rampazzo führte,
geht in Rom weiter. Der Tag verfliegt ihm zwischen Studium, Gebet, Besuche in
Krankenhäusern und Heimen für Obdachlose. Es tut ihm leid, dass der Tag so kurz
ist. Würde er mehr Stunden haben, könnte er Gott, durch andere Werke der
Nächstenliebe, besser dienen.
Er versucht nicht,
Freundschaft mit den Reichen zu schließen. Würde er seinen Rang mitteilen, dann
würden sich ihm viele Türen öffnen. Ihm ziehen aber die Türen der Hütten an, wo
so große körperliche und moralische Armut herrscht. Erstens: der Jüngling hat
immer Brot bei sich und zweitens: das Geschenk gute Worte zu sprechen. Diese erleichtern
die Verzagtheit und lassen Hoffnung aufkommen.
Die finanzielle
Situation Kajetans war nicht gerade rosig. Er löste das Problem indem er sich
das Amt als Sekretär des Papstes kaufte. So war der beklagenswerte Brauch in
dieser Zeit. Von seiner Familie bekam er als zweitgeborener eine Art
Liquidation.
Zu jener Zeit war
Julius II Papst und dieser schloss seinen neuen Sekretär ins Herz und lernte
dessen edle Gesinnung kennen. Kurze Zeit später wurde das Amt eines päpstlichen
Protonotars (ein sehr wünschenswertes Amt) frei. Julius II beachtete nicht die
verschiedenen älteren Anwärter, sondern ernannte Kajetan Thiene.
Das Wohlwollen von
Julius II für seinen «geliebten Sohn, dem Lehrer Kajetan Thiene, Schriftsteller
und unser Sekretär» zeigte sich in der «Gratisübergabe» der Pfarre von Malo, in
der Provinz von Vicenza. Außerdem das Versprechen von anderen drei
«Begünstigungen», die ihm automatisch zugesprochen würden. Ich schreibe das
Wort «Gratisübergabe» unter Anführungszeichen, denn zu dieser Zeit wurden die
kirchlichen Güter, egal ob sie groß oder klein waren, erkauft. Der Preis
richtete sich nach dem Ertrag der Begünstigungen. Es schmerzt, diese Dinge zu
erwähnen, die heute undenkbar sind. Sie wurden auch bedauert, aber sie waren so
verbreitet, dass man sie nicht beachtete.
Dieser Missstand
wurde noch dadurch verstärkt, dass es, für den, der die Pfarre erkauft
hatte, nicht notwendig war persönlich
dorthin zu gehen. Er konnte kürzere oder längere Zeit abwesend sein. Wenn er
wollte, auch für immer, nachdem ein Stellvertreter berufen war. Nach Abzug des
Gehaltes für den Vertreter blieb dem Titular der größte Teil. Dieser musste,
und es war der Fall bei Kajetan Thiene, nicht Priester sein. Dies war kein
Hindernis um ein Amt mit so großer Verantwortung wie das eines Pfarrers
einzunehmen.
Dieses düstere Bild
wird durch einige Lichter erhellt. Nicht alle diese Priester, die wir mit dem
modernen Wort "Abwesende" bezeichnen können, waren immer und nur
Ausbeuter. Damit man ihre Abwesenheit von ihrem Amtsitz, sei es Kirche, Pfarre
oder Bischofssitz, verzieh, übersandten sie diesem oft, große Geschenke.
Die Größe und Tugend
von Thiene kamen in diesem Zeitalter der Dekadenz besonders zur Geltung. Es
stimmte, dass er sehr selten nach Malo kam. Es ist aber auch richtig, dass er
von den Einnahmen nichts nahm, sondern alles, seinem Ersatzpfarrer überließ und
aus eigenen Mitteln noch beisteuerte.
Beim Prozess der Heiligsprechung nannten ihn die Pfarrmitglieder von
Malo den "Erstheiligen".
Wir wissen noch mehr.
Kajetan war ein herzensguter Mensch. Er war großzügig, immer bereit die
Schwächen der Anderen, nicht die Seinen, zu verzeihen. Er war überzeugt, dass
die Kirche, nachdem sie eine göttliche Institution ist, durch diese
abscheulichen Untugenden, die sich verbreiteten, nicht zu Grunde gehen kann.
Die Augen hielt er aber offen und er sah das Übel und litt darunter. Das Übel
kam zur Glaubensgemeinde durch die schlechten Institutionen und den Geistlichen
die diese unbestraft ausnützten und verschlechtern konnten.
Aus dieser schmerzhaften
Feststellung und dem daraus entstehenden Schmerz, reifte in ihm, zu Beginn
zaghaft und unsicher, entschlossen und tätig, daher fruchtbringend, später, die
Absicht die Kirche zu reformieren. Er will den Geistlichen die Würde
wiedergeben die aus einem fehlerfreien Lebenswandel kommt, nicht nur innerhalb
der Kirche, sondern auch im öffentlichen Leben.
Es ist noch zu früh
von dem Orden zu sprechen den er später gründete. Die "Regulierten
Kleriker". Seit dieser Zeit gilt er aber als ein grundlegender Stein im
Gebäude der erneuerten Kirche.
Normalerweise nennt
man "Reform", die von Luther begonnene und "Gegenreform",
diejenige welche innerhalb der Kirche vorgenommen wurde um zu den alten
Grundregeln zurückzukehren. Richtiger wäre es, Protestantisches Schisma und
Kirchenreform zu sagen. Seit damals sagt man auch die katholische Kirche. In
dieser Reform hat Kajetan Thiene seinen genauen, maßgebenden und vollwertigen
Platz. Nach 500 Jahren verdient er noch immer Erinnerung, Liebe und Verehrung.
Unerwartete, aber verdiente Belohnung
Es ist bekannt. Seit
die Welt besteht, verbreitet sich das Schlechte schneller, als das Gute. Die
bösen Zungen der Römer waren bereit die unwürdigen Priester zu tadeln und
ignorierten die vielen anderen, welche die 10 Gebote Gottes nicht nur
predigten, sondern auch befolgten.
In Rom gab es einen
Kreis von Priestern und Laien, welche oft an der Messe und der heiligen
Kommunion teilnahm. An festgelegten Tagen trafen sie sich zum gemeinsamen Gebet
und übten die Nächstenliebe aus. Sie nannte sich die Gemeinschaft der
Göttlichen Liebe und umfasste Unbekannte und Bekannte, wie Jacopo Sadoleto,
Sekretär der Päpste, Gian Piero Carafa, Bischof von Chieti und künftiger Papst
Paul IV.
Die Gemeinschaft der Göttlichen Liebe stammte nicht
aus Rom, sondern aus Genua, wo sie von der zukünftigen Heiligen, der adeligen
Katherina Fieschi-Adorno gegründet wurde.
Kajetan Thiene
besucht die Gemeinschaft und begeistert sich immer mehr an ihrer Tätigkeit,
dieselbe die er schon in seiner Jugend ausübte und wurde ein eifriger
Verbreiter. Später unternahm er viele Reisen. In einer Stadt angekommen, fragte
er sofort ob die «Gemeinschaft der göttlichen Liebe" existierte. War dies
der Fall, so suchte, er sie sofort auf und unterstützte sie in ihrer Tätigkeit an.
Fehlte diese, so gründete er sie.
Der Eintritt Kajetans
in die "Gemeinschaft der göttlichen Liebe" muss erwähnt werden.
Daraus wuchs der Vorsatz, Priester zu werden, zu verwirklichen. Im Gegensatz zu
den Laien die einen vorbildlichen religiösen Lebenswandel führten und die
evangelische Nächstenliebe ausübten beschäftigte er sich mit der Arbeit an der
Kurie. Von Nordeuropa kündigte sich der Zusammenbruch an. Dagegen musste man
eingreifen und die Verantwortung Mittelsperson zwischen den Menschen und Gott zu
sein, übernehmen.
Durch den Kontakt mit
den Mitgliedern der "Gemeinschaft der göttlichen Liebe" überzeugte
sich Kajetan, dass die Demut, welche bei jedem Christen gut ist, bei einem
Priester noch deutlicher hervor kommt. Die Gläubigen, welche notwendigerweise
eine gute Meinung von ihm haben, werden ihn noch mehr schätzen, wenn sie sehen,
dass der Priester nicht nur klug, religiös und mitleidsvoll, sondern auch
demütig ist.
Der neue Priester war
36 Jahre alt und feierte seine erste Messe erst nachdem er drei Monate im Gebet
verbracht hatte. Allerdings, nach dieser ersten Messe, feiert er jeden Tag das
göttliche Opfer. Nicht alle Priester hielten das so.
Don Kajetan hat nun,
da er Priester ist, neue Pflichten gegenüber den Gläubigen und den Kranken.
Seine tägliche lange Arbeit als apostolischer Protonotar hindert ihn allerdings
an dieser Tätigkeit. Julius II ist nicht mehr im Pontifikat. Leo X ist bestrebt
der Kirche neuen Glanz zu geben - mehr äußerlichen als innerlichen. Don Kajetan
ersucht, ihn aus seinem Amt zu entlassen. Schweren Herzens willigt der Papst
ein, denn er weiß, dass die Kurie ein wertvolles Element verliert.
Jetzt Priester und
frei von den Verpflichtungen des Vatikans fährt Don Kajetan in seinem Werk der
Nächstenliebe fort. Ein Augenzeuge, ein gewisser Don Enrico Danese, berichtet
von seiner Lebensart:
«Er war makellos,
keusch, gutmütig, menschlich und voll Aufmerksamkeit gegenüber den Erkrankten.
Er fütterte, pflegte und bediente sie. Sein Zimmer war einfach eingerichtet. Es
gab nur einen Strohsack und ein Kissen zum Schlafen, einen einfachen Tisch und
einen Schemel, einige Bücher und ein Bild aus Papier. Seine Kleidung bestand
aus rohem Stoff, weißen Garnsocken und Hosen nach venezianischer Art.....
Don Kajetan leitet die geistige
und materielle Verwaltung des Krankenhauses San Giacomo. Doch er, und die
Mitbrüder von dem «Divino Amore», sahen all die Unheilbaren, welche durch die
Straßen der Stadt irrten und von allen gemieden wurden.
Von Don Kajetan
aufgefordert, gelang es den Mitbrüdern, welche durch ihre zivilen und
religiösen Ämter Einfluss auf die Behörden hatten, nach Überwindung von tausend
Hindernissen große Unterstützungen vom Adel zu erhalten. So konnte das San
Giacomo in ein Spital für Unheilbare umgewandelt werden. Die Aufnahme der
Ausgesetzten, welche arm, zerlumpt und verstoßen bis jetzt durch die Straßen
irrten, war sicher ein sehr anerkennenswerter Erfolg.
In diesem Artikel
kann nicht alles erwähnt werden, was aber gesagt werden sollte, und «das
brennende und erleuchtende Feuer», welches das erste Jahr als Priester Don
Kajetan charakterisierte, betrifft. Den Preis, den er in der Weihnachtsnacht
des Jahres 1516 erhielt, muss aber erwähnt werden.
In der Kirche Maria
Maggiore befinden sich, in der Kapelle mit der Weihnachtskrippe, Holzstücke der
Krippe Christies in einer wertvollen Urne. Hier war Don Kajetan im Gebet
vertieft, als er plötzlich ohne, einem offensichtlichen Motiv die Arme gegen
Maria mit Jesuskind streckte.
Es geschah das
Unglaubliche. Die Jungfrau Maria legte in den ausgestreckten Arm von Don
Kajetan «das zarte Kind, Fleisch und Hülle des ewigen Wortes. »
Von diesem Wunder
wissen wir aus einem Brief, den der Protagonist selbst, ein Monat später, an
die Nonne Laura Mignani in Brescia schreibt. Sie war eine hochwertige Frau und
Don Kajetan und andere Priester wurden, ohne sie persönlich zu kennen zu ihren
religiösen Söhnen.
Er erzählt diese Erscheinung
und gibt dazu den Kommentar: «Mein Herz war hart, das könnt ihr mir glauben.
Nachdem es bei diesem Anblick nicht zerronnen ist, ist mein Herz hart wie ein
Diamant. » Und seufzte: «Geduld. »
An zwei Feiertagen,
der Beschneidung und am Dreikönigsfest, wiederholte sich das Wunder. Don
Kajetan war darüber sehr erfreut und bestätigte und bekräftigte seinen
«unsterblichen Kampf, gegen die drei abscheulichen Feinde, dem Fleisch, der
Welt und dem Teufel, mit Hilfe des Kreuzes auszufechten. »
In vier Städten gründet ein Mittelloser das wertvolle "Spital der
Unheilbaren"
Don Kajetans Mutter
erkrankte und wünschte ihren Sohn zu sehen.
Dieser kehrte nach
dreizehnjähriger Abwesenheit nach Vicenza zurück. Wir wissen, dass er während
seiner Studienzeit in Padua nur einmal, und nur für drei Tage, in das
Elternhaus zurückkehrte.
Während seiner
zweiten Rückkehr nach Vicenza pflegte er seine kranke Mutter bis zu ihrem Tod,
Mitte August 1518.
Nach der traurigen
Leichenfeier war an eine Abreise nicht zu denken. Er war das Familienoberhaupt
und hatte tausend Dinge in Ordnung zu bringen. Besonders da nach dem Tod seines
Bruders Giambattista das Vermögen der Familie Thiene einen Zusammenbruch
erlitten hatte.
Er brauchte geraume
Zeit, doch dann hatte er alles in Ordnung gebracht. Er bezahlte die Schulden,
übergab, seiner jungen Nichte, eine beträchtliche Ausstattung und schenkte den
Rest seinen Kusinen. Für sich behielt Don Kajetan nur einige Grundstücke. Wir
werden bald sehen, was er mit diesen machte.
Er blieb drei Jahre
in Vicenza. Während dieser Zeit lebte er aber nicht in seinem Palast. Seit
langer Zeit verweigerte er sich schon jeden Luxus. Er wohnte im Krankenhaus um
in direkter Berührung mit den Kranken zu sein und ihnen helfen können.
In Vicenza gab es
eine, dem «Divino Amore» ähnliche, Vereinigung, die Bruderschaft des Heiligen
Hieronymus. Sie bestand nur aus Menschen aus dem Volk und dies war für Don
Kajetan noch schöner und wertvoller. Ihr Ziel war den Armen und Kranken zu
helfen, sei es durch Spitalsdienst oder auch in der eigenen Wohnung.
Kaum erfuhr Don
Kajetan von dieser Vereinigung, schrieb er sich ein, und schenkte ihr die schon
erwähnten Grundstücke. Die Mitglieder schätzten diese konkreten Schenkungen.
Nachdem alle aus der Volksschicht stammten schätzen sie noch mehr den
religiösen Unterricht und das große Vorbild, das Don Kajetan ihnen gab, durch
seine Hingabe an alle Leidenden.
Diese begeisternde
Nächstenliebe, die er in dieser Zeit und unter dem Volk ausübte, wird in einem
Gespräch mit dem Vorstand der Gemeinschaft kund getan «... er wollte alles
den Armen schenken. Er wollte weder einen Platz für sein Grab, noch Geld für
seine Beerdigung haben.
Er unterbrach seinen
Aufenthalt in Vicenza durch eine Reise nach Verona, wo er einige Monate blieb.
Hier gab es die Gemeinschaft «San Siro», die nach dem Vorbild des «Divino
Amore» gebildet war.
In Vicenza kamen alle
Mitglieder aus der Volksschicht. Hier waren sie, sei es Priester, sei es Laien,
aus der oberen Schichte. Alle ehrten aber Thiene und hörten mit Ehrfurcht seine
Vorschläge und Erfahrungen an, die er während seiner Aufenthalte in Rom und
Vicenza gesammelt hat. Die Bescheidenheit, Aufrichtigkeit, Natürlichkeit und
Spontaneität von Don Kajetan, waren der Schlüssel, der alle Tore öffnete, auch
die zu Beginn ihm feindlich gesinnten.
Die Mitglieder von
San Siro nahmen ihn mit offenen Armen auf. Wisst ihr, wie er den Aufnahmeantrag
unterschrieb? « Kajetan Thiene, unwürdiger Priester, wurde von dieser
heiligen Gemeinschaft als letzter der Brüder aufgenommen. »
Besonders drang er in
Verona darauf, auch hier, ein Krankenhaus für die Unheilbaren zu bauen. Er
konnte alle von diesem Gedanken so begeistern, dass bei seiner Rückkehr nach
Vicenza das genannte Krankenhaus in Verona schon bestand.
Es war aber bestimmt,
dass sich Don Kajetan nirgends lange aufhalten konnte, auch nicht in den Orten
die er besonders liebte, wie Vicenza. Er bekam Einladungen von wichtigen
Persönlichkeiten aus Venedig. Auch dorthin war der Ruf seiner Heiligkeit und
seiner organisatorischen Tüchtigkeit gelangt. Erst lächelte er darüber, weil er
sich für ungeeignet hielt in einer Weltstadt, mit ihrem Handel, zu wirken. Als
ihm jedoch im März 1521 gesagt wurde: «Christus wartet, aber niemand rührt
sich», überwand er Zweifel, Unsicherheit und Angst und reiste ab.
In Venedig bleibt
Kajetan nur zwei Jahre, doch diese genügen um zwei Institutionen ins Leben zu
rufen: die ««Divino Amore» und das Neue Krankenhaus der Unheilbaren, welches
von der Republik als öffentliches Gut
angesehen wird. Dieses Werk wurde von allen so geschätzt, dass Adelige und
Regierung ihre Hilfe anboten. Das Spital durfte in der Stadt und im ganzen Land
die Almosen einsammeln und alle unheilbare Kranke oder Schwerkranke mussten in
das Spital kommen. Viele zweifelten und entzogen sich dem Befehl. Don Kajetan
streifte durch alle Straßen um sie zu finden und dann überzeugte er sie, mit
seinen Worten der Nächstenliebe, ihm in das Krankenhaus zu folgen.
Hier hatte er keine
bestimmte Obliegenheit. Je nach Notwendigkeit war er Direktor, Krankenpfleger
und Dienstmann. Zu seiner Freude sah er, dass die Kranken von Adeligen gepflegt
wurden.. Ich erwähne nur die Ehefrau und den Sohn von dem Dogen Grimani und dem
Staatsanwalt der Republik Venier. Kraft der Tugend und Auswirkung des
Vorbildes!
Auch Padua, dass
unser Heiliger durch seine Studienzeit sehr liebte, hatte einen großen Vorteil
durch ein Spital für die Unheilbaren. Die Einrichtung von Venedig war aber noch
zu jung und konnte nicht verlassen werden. Don Kajetan war ein großer Lehrer,
beabsichtigte jedoch nicht, irgend etwas irgend jemanden zu lehren. Durch seine
Schulung war der Spanier Girolamo von Solana, in der Lage in Padua ein «Divino
Amore» und ein Krankenhaus für die Unheilbaren zu gründen. Er koordinierte den
Willen, die Arbeit und auch die finanziellen Verpflichtungen aller dieser
Großzügigen. So gelang es ihm in vier Städten ein Krankenhaus für die
Unheilbaren zu eröffnen.
Neue Arbeiter des Weingartens werden geboren
Vicenza, Venedig und
Padua, waren ein herrlicher Boden, um den Gedanken der Nächstenliebe und die
organisatorische Fähigkeit von Thiene aufzunehmen. Doch bald wurde dieses
Gebiet für ihn zu klein. Auf ihn wartete ein größeres Gebiet. Das neue Rom. Von
dort kam die ermutigende Nachricht einer religiösen Erneuerung. Allein die Wahl
von Hadrian VI, einem Ausländer der durch sein einfaches Leben und seiner
Sittenstrenge bekannt war, lässt erkennen, dass die Wichtigkeit einer Änderung
und Einführung von Reformen in den hohen Schichten spürbar war. Das Volk war
von dem Luxus des Hofes, der Größe der Kirchen, der Feste bei denen die
weltlichen Elemente die heiligen in die zweite Reihe drängte angezogen. Es
erfreute sich an der zu Ehren der triumphierenden Kirche geschriebene Musik und
Poesie. Von der Freigiebigkeit der Päpste und Kardinäle war es begeistert. Ihre
Wirksamkeit das religiöse Gefühl der Leute zu stärken war aber fragwürdig.
Mit Hadrian VI beginnt
die Veränderung. Sein Wirken (leider, viel zu kurz) kann in der Absicht
zusammengefasst werden: « jedem Nutzen (im Sinne von einer Pfarre oder anderer
religiösen Institution, die eine Rente abgibt) einen Priester geben und nicht
jedem Priester einen Vorteil verschaffen. » Wäre er nicht so schnell
verstorben, hätte er große Werke vollbringen können und die Regeln, Sitten und
Gebräuche wieder aufrichten. Aber nur wenige haben ihn verstanden. Tatsache
ist, dass das Volk, statt bei seinem frühen Abgang zu weinen, in unangebrachten
Jubel ausbrach. Das zeigt eindeutig, dass es durch Weichheit, Toleranz und
Großzügigkeit, die zu lange Zeit herrschten, verführt wurde.
Ende des Jahres 1523,
verlässt Don Kajetan Venedig und wandert zu Fuß nach Rom, mit dem Beutel auf
dem Rücken und den Pilgerstab in der Hand. Dort angekommen umarmt er die Brüder
vom «Divino Amore», die sich inzwischen vergrößert hatten. Unser Heiliger
schätze unter den Neuen besonders den jungen Priester, Doktor der Rechte,
Bonifazius de' Colli. Dieser war von hohen Gefühlen und mustergültigen
Angewohnheiten erfüllt.
Don Kajetan nahm die
Arbeit im Krankenhaus der Unheilbaren wieder auf, als wäre er nie fünf Jahre
abwesend gewesen. De' Colli folgte ihm mit Eifer und Großzügigkeit. So lernten
sich die Beiden besser kennen. Sie waren sich beide darüber einig, dass es
notwendig wäre, den Klerus zu einem einfachen Leben zurück zu bringen, gemäß
der alten evangelischen Lehre. Von dieser Überlegung war der Weg einen neuen
Orden zu gründen kurz. Dieser sollte sich auf die traditionellen Pflichten,
Armut, Gehorsam und Keuschheit streng einzuhalten, stützen.
Thiene und de' Colli
waren sehr bescheiden und dachten nicht, dass sie den protestantischen
Predigten widerstehen könnten. Sie wollten nur eine Alarmglocke sein, allen die
schwebende Gefahr zeigen. Mit einem Wort ein Vorpostensein, für das große Heer
das folgen sollte. Thiene und sein Schüler de' Colli dachten: - wir können das
trockene Feld in einen kleinen Gemüsegarten verwandeln. Sie pflanzten die drei
Bäume Armut, Gehorsam und Nächstenliebe ein. Dadurch entfernten sie das
Unkraut, welches schon seit langer Zeit den Boden der Kirche zerstörte.
Von dieser Absicht
erfuhr auch Gian Pietro Carafa. Er war Bischof von Chieti und Erzbischof von
Brindisi, hatte aber auch ein Amt bei der Kurie und wohnte daher in Rom, wie es
der verwerfliche Brauch war, der in der Kirche damals herrschte. Er nützte aber
diese Situation nicht zu seinem Vorteil aus. Im Gegenteil, er litt darunter,
denn er hielt es nicht gut für das Wohl der Seelen.
Carafa, künftiger
Kardinal und Papst, wurde der rechte Arm von Thiene und hatte eine führende
Rolle in der Entwicklung des Ordens. Die Regularkleriker, welche
sich Theatiner nennen, weil er Bischof von Chieti, dem antiken Theate,
ist. Er war Neapolitaner, temperamentvoll und redegewandt. Er war ein
leidenschaftlicher und überzeugender Redner. Auf seine Mitmenschen übte er
großen Einfluss aus. Er war von stattlicher Statur und sein Herz war von
Nächstenliebe und religiösem Eifer erfüllt. In seinem Inneren hegte er schon
lange den Wunsch die religiöse Vollkommenheit zu erreichen. Dafür hätte er auf
jedes Amt und ererbtes Gut verzichtet, um den Regeln von Don Kajetan zu folgen.
Drei sind die
Pioniere der Regulierten Kleriker: Thiene, de' Colli und Carafa. Zu ihnen
gesellt sich noch der römische Priester Paul Consiglieri. Auch er kommt aus der
Schule «Divino Amore» und daher an ein einfaches Leben und der Ausübung der
Nächstenliebe gewöhnt.
Die Ordensregel wurde
ausgearbeitet. Die drei bekannten Gelübde bildeten die Basis, doch musste
die Armut vollkommen sein. Die Kleriker hätten angenommen, was man ihnen
für ihre Erhaltung gab, aber nie um etwas gebettelt.
Das Armutsgelübde
baute sich auf der evangelischen Lehre auf. Die Vögel säen, ernten und sammeln
in den Getreidespeichern nicht und doch ernährt sie der Himmlische Vater. Die
Lilien arbeiten und spinnen nicht und haben trotzdem ein schöneres Kleid als
Salomon.
Gerade diese
Auffassung fand bei der Kurie, der die Regel vorgelegt wurde, den größten Wiederstand.
Er schien diesen «Guten Leuten» als würden die neuen Regulierten Kleriker die
göttliche Vorsehung zwingen, die Wunder zu erneuern,
Mit vielen Änderungen
kam dann durch das «Breve» die Annahme der Regel. Die vier Anhänger durften,
unter dem apostolischen Schutz, die Gelübde aussprechen, in Gemeinschaft leben,
den Talar tragen und den Namen Regulierte Kleriker führen. Sie konnten sich den
Vorsteher wählen und andere, aus allen Volksschichten kommend, nach einem
einjährigen Noviziat, aufnehmen
Ein andere Breve
wurde noch am gleichen Tag Carafa geschickt. Der Papst nahm seinen Rücktritt
von den zwei Diözesen an, doch musste er sich weiterhin, theatinischer Bischof
nennen und seine päpstlichen Ämter ausüben. Von den anderen Verpflichtungen
wurde er freigesprochen, gemäß dem Gelübde der Armut.
Vor einem Notar
verzichten die Regulierten Kleriker auf alle ihre Besitztümer und nehmen als
ihren Wohnsitz ein Haus von Bonifazius de' Colli an. Zeitig in der Früh begeben
sie sich nach San Peter um das öffentliche Gelübde, in den Händen von Bischof
Bonciani, dem Abgeordneten des Papstes, abzulegen. Dieser Bischof verspätete
sich aber sehr. Inzwischen füllte sich die Kirche mit den Menschen. Alle
wollten die vier mutigen Männer sehen, die auf ein bequemes Leben verzichteten
um mit einem schwierigen zu beginnen.
Die Theatiner «Licht und Weihrauch der Heiligkeit»
Die kleine
Gemeinschaft der Regulierten Kleriker ließ sich in der Leoninastrasse, im
Marsfeld, im Zentrum von Rom, nieder. Das Haus gehörte dem de' Colli, musste
aber, nach dem Prinzip der Kongregation keinen Besitz zu haben, nach drei
Jahren verkauft werden. Die Lebensweise hatte einen doppelten Zweck:
kontemplativ, d.h. Studium und Gebet und aktiv, d.h. den Bedürftigen
beizustehen, besonders den Unheilbaren vom Krankenhaus San Giacomo. Obwohl
Carafa Bischof war, widmete er sich als Krankenpfleger, so wie die Anderen.
Neben dem Haus
existiert und existierte auch noch heute die kleine, selten besuchte, Kirche San Nicola im Marsfeld. Die Theatiner
übernahmen sie und verwandelten sie in eine Schmuckkassette. Besonders Don
Kajetan, mehr als seine Mitbrüder verwendete Besen und Scheuertücher. Sie waren
immer bereit die Beichte abzuhören und feierten die Messe mit großer
Feierlichkeit. Nicht nur aus dem Marsfeld kamen bald die Gläubigen.
Als würde die Arbeit
in der eigenen Kirche nicht genügen, predigten die Theatiner, so wurden sie
bereits von allen genannt, auch in anderen und größeren Kirchen. Sie waren ein
Beispiel für die Kirchenhüter, Pfarrer, Kapläne, Kanoniker, usw. bei denen es
der Brauch war die Predigten den Brüdern zu überlassen, als wäre die Predigt
nicht ihrer Würde wert. In Wahrheit müssten sie ihre Unfähigkeit und ihre
Lustlosigkeit erklären
Ein großer Verdienst
der Theatiner war ihre Predigt an das Volk, besonders nachdem sie Zuwachs
bekommen hatten. Don Kajetan verneinte die theoretischen theologischen Studien
nicht. Er war aber der Meinung, dass diese dem Volk keinen Ansporn geben. Um
Licht und Weihrauch, das war sein liebster Ausspruch, zu bringen, mussten sie
unter das Volk treten und es mit entsprechender Sprache an der Glaubenswahrheit
teilnehmen lassen. Die Theatiner brachten daher das Wort Gottes, Licht und
Weihrauch in die Städte, zu Fuß gehend auf das Land, wo die anderen Priester
wenig oder gar nicht hinkamen.
Was für das Leben
notwendig war besorgten sie sich so: alle vier Ordensgründer hatten auf ihre
Grundstücke, wie schon gesagt wurde, verzichtet. Die kleinen Geldbeträge die
sie besaßen, legte sie zusammen und so konnten sie die ersten Ausgaben
begleichen. Getreu des Vorsatzes, baten sie nie um etwas. Doch kamen die
Spenden spontan. Das, für das tägliche Leben notwendige, wurde genommen und der
Rest den Armen gegeben.
Nachdem das damalige
Rom, an der heutigen Zeit gemessen, ein kleines Städtchen war, ist es nur
natürlich, dass die Lebensweise der vier Regularkleriker bekannt war. Es liegt
auf der Hand, dass nicht der ganze römische Klerus sie bewunderte. Innerlich
waren einige enttäuscht, denn sie waren zu bequem und zu gleichgültig. Viele
Priester anerkannten sie aber und nahmen sie zum Vorbild. Nicht alles war
verloren. Es gab noch Gute, die nur auf den Ruf warteten, den gerechten Weg einzuschlagen.
Ein anderer Beweis,
des guten Rufes der Theatiner, bilden die Neulinge, welche in die Via Leonina
kamen. Es ist wahr, viele die um Aufnahme ansuchten, gingen wieder, nachdem sie
die Regel zu streng fanden. Viele aber blieben. Sogar wichtige Persönlichkeiten. Nur um einen Namen
zu sagen, erwähnen wir den Priester von Magliano Sabina (Rieti) Bernardino
Scotti. Er kam aus einer reichen Familie, war Rechtsanwalt des Konsistoriums,
und Professor in Latein, Griechisch und Hebräisch. Er verzichtete auf sein Erbe
und lebte in vorbildlicher Armut unter dem Talar der Theatiner. Später wurde er
der erste Kardinal der Kongregation.
Nach einiger Zeit
wurden sie zwölf, alle aus der Erfahrung vom «Divino Amore» kommend und damit
stellte sich das Problem des Obdaches. Das Haus in der Via Leonina war zu
klein. Kardinal Giberti löste das Problem. Als Bischof von Verona lernte er Don
Kajetan kennen und bewunderte ihn sehr. Er arbeitete an der päpstlichen Kanzlei
und war der Privatsekretär des Papstes. Er war von mustergültiger Sittsamkeit,
wünschte eine Kirchenreform und wollte Theatiner werden. Dies genehmigte ihm
der Papst natürlich nicht. Er wusste das Haus in der Via Leonina zu klein und
kaufte aus eigenen Mitteln einen Weingarten mit Haus an den Abhängen des
Pincios. Nach einigen Arbeiten, konnten die zwölf Theatiner dort einziehen.
San Giacomo mit
seinen Unheilbaren befand sich in der Nähe des neuen Wohnsitzes und blieb die
Schule der Regulierten Kleriker. Im Jubiläumsjahr 1525 verdoppelte sich ihre
Arbeit durch eine Pestepidemie. Hauptsächlich wurden Pilger von der
Krankheit befallen. Wahrscheinlich waren sie, durch die Anstrengungen der
endlosen Reise, denn sie kamen zu Fuß, sehr geschwächt. Diese Unglücklichen,
allein, ohne Familie, die Stadt nicht kennend, ohne oder nur mit wenig Geld,
waren, von Don Kajetan und seinen Mitbrüdern besonders in ihr Herz geschlossen.
Nach einigen
gemeinsam verbrachten Jahren, kam für die Regulierten Kleriker, der Augenblick,
sich eine feste Regel zu geben. Carafa hat diese ausgearbeitet, aber der
geistige Schöpfer war Don Kajetan, der wenig sprach, aber immer richtig sah.
Hier ist es
angebracht, den Anteil zu bestätigen, den die Theater bei der Reform der
kirchlichen Sitten, hatten. Diese Notwendigkeit war schon vor dem
protestantischen Sturm spürbar. Klemens VII hatte eine Kommission, unter dem
Vorsitz von Kardinal Giberti, einberufen. Auch Bischof Carafa, mit noch einigen
Anderen, war Mitglied und war der Bahnbrecher, sei es durch seine natürliche
Kämpfernatur, sei es durch seine gesammelte Erfahrung in der theatinischen
Lebensgemeinschaft.
Außerhalb der Kurie
wurde er von den Widerspenstigen, die durch die Einschränkungen der Kommission
betroffen wurden, verhöhnt und beschimpft.
Das Unkraut, das in
der Kirche Wurzeln gefasst hatte, konnte nicht an einem Tag ausgerottet werden.
Die Kommission erreichte aber einige Besserungen. Wer Priester werden wollte,
musste zumindest einen Kurs in der «Grammatik» absolvieren. Wer ein höheres Amt
wollte, musste durch eine Prüfung seine größere Bildung beweisen. Ausländer,
die unbekannt waren und in Rom Abenteuer suchten, empfingen nicht mehr die
Priesterweihe, auch wenn sie diese teuer bezahlten. Früher war das der Brauch.
Die Kleidung durfte nicht mehr, weder zu nachlässig noch zu auffallend sein.
Alle musste den Talar tragen und sich rasieren.
Die Kommission
unterzog aber auch die höchsten Würdenträger einer Prüfung.
Wir wissen schon,
dass Carafa Bischof von Chieti, Erzbischof von Brindisi war, aber in Rom lebte.
Es war aber noch schlimmer. Tommaso Campeggio, päpstlicher Konsul, war seit
fünf Jahren Bischof von Feltre, ohne jeder Weihe. Er befolgte jedoch die
Anweisung der Kommission und bereitete sich auf die Prüfungen vor, die er vor
Carafa ablegte. Innerhalb weniger Tage, während er fastete, erhielt er die
Priester- und endlich auch die Bischofsweihe. Später behandelte er seine, ihm
unterstellten Priester mit genau der selben Strenge.
Die «Plünderung Roms» der sogenannte
«Sacco di Roma»
Viele Seiten wären
notwendig um die politischen Ereignisse zu erklären welche im Jahre 1527 zum «Sacco di Roma» führten. Es war die
größte Beleidigung. Die Plünderung dauerte zwölf Tage, und die größten
Verbrechen wurden begangen und die Stadt in einen Schlachthof für Menschen und
schaurigen Friedhof verwandelt.
Die Regulierten
Kleriker, waren in ihrem Haus am Abhang vom Pincio, der damals noch nicht der
heutige bezaubernde Garten war, vor dem Blutwahn der Soldaten sicher. Aber
niemand brachte ihnen mehr die Gaben, die ihr einziger Lebensunterhalt waren.
Eines Tages teilte Don Kajetan ein Stück Brot in vierzehn Teile, da sie auch
noch zwei Gäste hatten. Es beklagte sich niemand. Sie dachten, dass es jemanden
in der Stadt gäbe, der nicht einmal diesen ärmlichen Brotbrocken hat.
Doch Don Kajetan war
fest überzeugt, dass Gott immer das Notwendige, ja sogar das Überflüssige gibt
und wurde nicht enttäuscht. Die Straßen Roms waren verschmutzt und verlassen,
doch die Militärwägen, beladen mit Raubgut, fuhren durch. Die Wägen wurden in
großer Eile beladen, und daher ist es denkbar, dass etwas auf die Straße fiel.
Ein Mann aus dem Volke, leider ist er unbekannt geblieben, folgte einem Wagen,
hob die heruntergefallene Ware auf, und stieg auf den Pincio und teilte das Gut
mit den Regulierten Klerikern. Diese willkommene Hilfe wiederholte sich einige
Tage hindurch.
Diese Tatsache ehrt
den Menschen und den Christen. Es ist, als wäre eine Blume auf einem Misthaufen
gewachsen. Die geschichtliche Wahrheit verlangt nun, dass ich gerade von diesem
Misthaufen, wenn auch nur symbolisch, spreche.
In der Passion
Christies gibt es den guten Simon von Kyrene und Judas. Gerade diese zwei
Personen erscheinen beim Leidensweg von Don Kajetan. Wir haben den guten Simon
von Kyrene gesehen. Jetzt erscheint Judas in Gestalt eines ehemaligen Dieners
der Familie Thiene. Dieser, nach Rom gezogen, erkannte Kajetan, folgte ihm und
war von seinem Reichtum überzeugt. Er führte eine Schar von gereizten und
sittenlosen Soldaten in das Haus am Pincio.
Die ärmliche, wenn
auch saubere (bemerkten die aber die Sauberkeit?) Umgebung hätte sie überzeugen müssen, dass hier kein Geld
vorhanden war. Sie verlangten es aber trotzdem. Don Kajetan wendete sich an den
ehemaligen Diener und sagte ihm gelassen: « Es stimmt, einmal war ich reich.
Seit ich mich bekehrte, habe ich meinen Besitz, aus Liebe zu Christus, den
Armen gegeben. Jetzt besitze ich nur mehr die Liebe zu Gott. Wenn du mir diese
stehlen willst, dann freue ich mich, ja ich wünsche es sogar. Bereue und Gott
wird dich aufnehmen. Wenn du willst, sind wir gemeinsam reich. »
Heilige Worte, aber
Bonbons für die Esel. Die Wahnsinnigen, wütend über den fruchtlosen Weg,
ergreifen Don Kajetan, entkleiden ihn und quetschen seine Beine zwischen einer
Kiste und dem Deckel ein. Sie binden einen Strick um seinen Körper, das andere
Ende um einen Dachbalken und vergnügen sich lachend ihn auf und ab zu ziehen.
Auch die anderen Kleriker wurden erniedrigt und angespuckt. Als die Soldaten
genug hatten, gingen sie endlich.
Die Demütigung
erschien Don Kajetan größer als der körperliche Schmerz. Er ersuchte aber seine
Mitbrüder die Schmerzen, aus Liebe zu Gott, zu ertragen. Er tat sogar mehr. Er
bat Gott diese Beleidigung zu verzeihen.
Es war aber noch
nicht zu Ende. Die Deutschen gingen und die Spanier kamen. Auch diese wollten
Geld. «Hier gibt es keines? Gut, dann
bleibt ihr bei uns, bis wir es finden»
Sie fesseln alle und
bringen sie in ein notdürftiges Gefängnis auf dem spanischen Platz.
Was machen hier
unsere zwölf Kleriker? Sie stellen sich vor in einem Kloster zu sein, und
beten. Die Wärter sind darüber wütend. Aber statt sie nach Hause zu schicken,
bringen sie die Gefangenen in den Vatikan, zu dem Wohnsitz ihres Hauptmannes.
Er war überzeugt,
dass das Geld früher oder später auftauchen würde und ließ die Gefangenen ohne
Nahrung. Diese aber, voll heiliger Leidenschaft, überbrückten den Hunger indem
sie Lobliede auf Gott sangen.
In den anliegenden
Räumen lachten die Gefangenenwärter. Doch ein Oberst, der zum Essen bei dem
Kapitän geladen war, hörte sie, lachte nicht, sondern wollte sie sehen. Er
hatte Mitleid und, Rose ohne Dorne, ließ er sie stärken und entließ sie.
Frei ja, aber was
sollen sie in einer fast verlassenen Stadt und ohne einen Heller in der Tasche
machen? Nach gemeinsamem Rat entschließen sie nach Venedig zu gehen, um im
«Divino Amore» Unterkunft zu finden und im Krankenhaus der Unheilbaren ihren
Dienst wieder aufzunehmen. Gerade in diesen Monaten hatte dieses Spital Thiene
und Carafa zu den Bevollmächtigten, Staatsanwälten, Verteidigern und größten
Beschützer bei der römischen Kurie ernannt.
Zwei verschiedene Früchte aus dem gleichen Geld
Während seines früheren
dreijährigen Aufenthaltes in Venedig hatte Don Kajetan «Licht und Weihrauch»
ausgebreitet. Die Venediger erinnerten sich daran und nahmen ihn und seine
Mitbrüder mit Freude auf. Nicht nur mit Worten, sondern mit Taten. Sie kannten
ihr Gelübde der Armut. Jetzt, nach der tragischen Erfahrung der «Plünderung»
waren sie noch erschöpfter. Sie hatten kein Geld, was aber den Geist betrifft,
waren sie richtige "Ehrenmänner".
Die Regulierten
Kleriker fanden nach einem vorübergehenden, einen endgültigen Wohnsitz, in der
Kirche und dem anschließenden Haus von San Nicolò di Tolentino. Kirche und Haus
wurden immer verbessert.
Ich wiederhole nicht,
was ich schon vom Leben der Theatiner gesagt habe. Ihr Leben war in Armut. Ihre
Kirchen wollten sie aber immer schön ausgeschmückt haben. Thiene sagte diese
genauen Worte: « Das Haus kann klein, die Zelle ärmlich, mangelhaft das
Essen, und die Kleidung kann zerrissen sein. Aber die Kirche muss reich, und
ausgeschmückt sein. »
Noch etwas muss
gesagt werden, wenn es auch überflüssig erscheint. Sie hatten sich noch nicht
richtig einquartiert und nahmen sofort ihre Arbeit im Krankenhaus der
Unheilbaren auf, so als hätten sie dieses am Tag vorher verlassen.
Der Krieg gegen
Kaiser Karl V hatte eine entsetzliche Hungersnot zur Folge. In Venedig litt man
darunter. In der Umgebung starb man an Hunger. Natürlich hat die Regierung die
notwendigen Maßnahmen getroffen, konnte aber nicht verhindern, dass Massen von
Bauern nach Venedig kamen und Brot verlangten. In diesem traurigen Zustand bewiesen
die Theatiner nicht nur ihre allgemein bekannte Nächstenliebe, sondern auch ein
enormes Organisationstalent. Der adelige Girolamo Emiliani gab ihnen das
notwendige Geld. Er war kein Theatiner im eigentlichen Sinn des Wortes, hatte
sich aber an der Schule von Kajetan gebildet. Von diesem erlernte er die Liebe
zu den Mittellosen, besonders zu den Kindern. Er zog sich auf seine Grundstücke
von Somasca zurück und gründete den
Orden Somasco. Dieser übernahm in großen Zügen die Regel der Regulierten Kleriker,
aber widmete sich, nach der Lehre seines Gründers dem Heiligen Girolamo
Emiliani, besonders der Jugenderziehung und besonders der Waisenkinder.
Die Theatiner waren
mit sich selbst streng, aber generös, verständnis- und mitleidsvoll den
Mitmenschen gegenüber und daher wurden sie sehr bewundert. Viele ersuchten um
Aufnahme. Der Zuwachs, trotz der strengen Regeln, war groß. Wie Don Kajetan die
neuen Mitbrüder wählte sieht man an der Ablehnung den Abgeordneten von Verona
Flaminio, in den Orden aufzunehmen. Wegen seinem gesundheitlichen Zustand
ersucht er um bessere Nahrung und eine Erleichterung der klösterlichen Disziplin.
Statt den gerühmten
Flaminio, nahm Don Kajetan einen eigenartigen Mönch, der ein Weltenbummler war,
auf. Einen gewissen Bernardo von Todi, der den Spitznamen Bernardone hatte, da
er groß und dick war. Mit einem großen Kreuz versorgt, zog er durch Venetien
und auf den Plätzen predigte er auf seine Art das Evangelium. Er war weder
kultiviert noch hatte er eine bestimmte Lebensregel. Er war wie ein
wildwachsender Baum, der viele Früchte, aber keine Frucht für den Bauer, gibt.
In Venedig
angekommen, will er Thiene kennen lernen. Dieser prüft seine Seele und da er
seine Güte erkannte riet er ihm mit dem Herumziehen zu enden und etwas Nützlicheres
zu machen. Zu Beginn befolgt Bernardone den Ratschlag nicht. Er kommt aber noch
einige Male zu ihm und sagt dann endlich: «Don Kajetan, nehmt mich auf und
lehrt mich das wahre Kreuz zu tragen und nicht dieses Holzstück. »
Liebevoll
aufgenommen, hat er die Hoffnungen nie enttäuscht. Er war so bescheiden,
diensteifrig und unermüdlich, dass
Carafa, Papst geworden (Paul IV) ihn als seinen Privatsekretär in den Vatikan
mitnahm. In dieser Zeit hätte er schon den dunkelvioletten Talar tragen müssen.
Er bat und erhielt, die Erlaubnis immer nur in dem bescheidenen und verblassten
Talar der Theatiner zu gehen. Als der Papst starb, kehrte er in das Kloster von
Venedig zurück und nahm mit Einfachheit und Freude das strenge Klosterleben
wieder auf.
Die Theatiner waren
gebildet und stellten ihr Wissen für alle bereit und das gibt das Recht über
ihre kulturelle Fähigkeit zu sprechen.
Selbstverständlich
hatten nicht alle, die im Laufe der Jahre in den Orden eintraten, die selbe
Bildung der vier Gründer. Es ist aber sicher, dass die Ordenregel die
theologische Bildung zu ihren Zielen hatte. Der Tag jedes Ordensbruders war mit
Verpflichtungen ausgefüllt und darunter war auch das Studium.
Die Theatiner
schätzten di Kultur und verlangten sie auch. Wir wissen schon, dass Carafa in
der Reform der kirchlichen Sitten verlangte, dass werdende Priester einen Kurs
der «Grammatik» ablegen mussten. Wer Bischof werden wollte, musste eine Prüfung
ablegen.
Zu diesen allgemeinen
Bedingungen kommt noch eine spezifische Arbeit. Während der Jahre ihres zweiten
Aufenthaltes in Venedig unternahmen die Theatiner ein besonderes Studium. Mit
Genehmigung und Förderung des Papstes beginnen sie das Brevier zu ändern und
zu vereinheitlichen.
Besonders die
ungebildeten Laien betrachten diesen bekannten Text als das Gebetbuch der
Priester. Das ist es auch, aber es ist auch viel mehr. Es ist eine
Zusammenfassung von Leben und Lehre der Kirche, Symbol und Schöpfer der katholischen Einheit. Durch ihre
«Lehrstücke» und «Predigten» ist es das Gesetzbuch der evangelischen
Vollkommenheit. Durch die «Erinnerungen» ist es Zeugnis der Geschichte der
Universalkirche.
In dieser
Neugestaltung, (zwecklos zu betonen, dass es ein Zeugnis der theatinischen
Kultur ist), wurde das Brevier von vielen venezianischen Priestern verwendet
und später dem Papst vorgelegt. Jahre vergingen, bevor das neue, es ist das
heutige, Brevier angenommen und dem ganzen Klerus vorgeschrieben wurde. Das
geschah erst nach dem Konzil von Trient, als die Revisoren der venezianischen
Theatinergruppe verstorben waren. Aber vom Himmel aus sahen sie, dass ihre
Arbeit angenommen, geschätzt und kodifiziert war.
In diesem Kapitel
wurde viel von der Tätigkeit der venezianischen Theatinergruppe und wenig von
der Tätigkeit Don Kajetans erwähnt, obwohl er immer der Gründer war. Daher will
ich dieses Kapitel mit dem Bericht eines Ereignisses, das beinahe als Wunder
angesehen werden kann, beenden.
Unser Heiliger will,
dass die Kirche, von den Fundamenten aus, für Gott würdig ist. Er hat die
Kirche San Nicolò von Tolentino erhalten? Fähige Baumeister und erfahrene
Arbeiter sollen sie immer mehr verschönern. Man spart im Haus, bei den
Lebensmitteln und der Kleidung der Mitbrüder und verwendet das Geld für die
Verschönerung der Kirche.
Doch einmal waren die
Kosten höher als die erhaltenen Spenden und Don Kajetan musste einen Kredit
aufnehmen. Am Tag der Rückzahlung war das Geld nicht vorhanden und er bat um
Aufschub.
Kurz und trocken
angebunden gewährt der Geldgeber Aufschub, «aber nicht um einen Tag länger.
» Als der Tag ankam, hatte sich die Lage
nicht verändert. Kein Geld war vorhanden und Don Kajetan hielt sich für
unwürdig Gott um Hilfe anzuflehen.
Wenige Minuten vor
der vereinbarten Zeit an der, der Geldverleiher immer kam, erschien vor unserem
Heiligen ein Jüngling von strahlender Schönheit, grüßte respektvoll, sprach
aber kein Wort und überreichte ihm ein kleines Päckchen.
Dieser ging und der
Geldverleiher kam. Es war ein anderes Gesicht und ein anderer Gruß. Don Kajetan
hatte die Eingabe, sprach kein Wort, sondern öffnete das Paket. Welch
Überraschung! Es enthielt das Geld um die Schuld zu löschen.
Es ist eine schöne
Geschichte, hat aber noch eine Fortsetzung. Der Geldgeber hatte den Jüngling
mit dem leuchtenden Gesicht gesehen und sah das selbe Licht jetzt im Gesicht
von Don Kajetan aufblitzen. Er schwieg, dachte nach und suchte eine Antwort auf
die Frage, die sich auf seinen Lippen bildete. Inzwischen erweichte sich auch
sein Herz. In einem Augenblick von Reue, Ergriffenheit, Bewunderung und Liebe
gab er Don Kajetan das Geld zurück, küsste ihn und sagte: « In meinen Händen,
wird es wieder nur zu Geld. In ihren bringt es die Gnade von Gott. »
Haben Venedig und Neapel den gleichen Gott?
Wieso wurden die Theatiner nach der «Plünderung von Rom»,
als das normale Leben zurückkehrte und sie hier so gute Arbeit geleistet
hatten, nicht zurückgerufen? Dafür gibt es mehrere Gründe, jedoch der
Hauptgrund ist: sie haben sich nie zu einem Beispiel aufgeblasen, aber bieten
immer ein Beispiel durch ihre, dem evangelischen Lehren, angepasste
Lebensweise. So haben sie einigen den Appetit verdorben und deren Schlaf
gestört. Diese waren natürlich froh, sie entfernt zu wissen.
Die Berufung kam
nicht von Rom, sondern von Neapel. Erst waren es private Stadtbürger, welche
auch die notwendigen Mittel versprachen und von der heilbringenden Tätigkeit
der Theatiner in Venedig wussten. Später war es die Behörde mit Vizekönig Pedro
von Toledo an der Spitze. Dieser war ein persönlicher Freund und Verehrer von
Carafa. Dieser Autorität konnte schlecht "nein" gesagt werden, schon
aus Rücksicht auf den Papst, der die Berufung unterstützte.
Am 2. August 1533
reisten Don Kajetan und Don Giovanni Marinoni, eine andere leuchtende Figur der
Theatiner, der Bußübung und Aktivität zu vereinen wusste (später wurde auch er
heilig gesprochen), nach Neapel. Mit welchem Fahrzeug? Zu Fuß und wie immer auf
die göttliche Hilfe vertrauend. Mitte August erreichten sie Rom, ersuchten um
Audienz und wurden zum Papst empfangen. Mit verschmutzter Kleidung und die Folgen
der Anstrengung im Gesicht, sagten sie, dass die Reise sehr unbequem war.
Klemens VII verstand
und stellte die Frage: « Und wo werdet ihr, bei dieser Hitze sterben? »
Mit der gleichen
Offenheit antworte Don Kajetan: « Eure Heiligkeit hat so befohlen und wir
kümmern uns nicht um den Tod, damit wir den Befehl ausführen können. »
Der Papst bewunderte,
segnete und entließ sie. Nach einem Aufenthalt von einigen Tagen im Krankenhaus
der Unheilbaren, setzten die Beiden ihren Weg nach Neapel fort.
Die Versprechungen
der Gastfreundschaft wurden eingehalten. Der Graf von Oppido hatte ein bequemes
Haus für sie vorbereitet. Nachdem sie sahen, dass der Aktionskreis groß war,
riefen sie noch sechs Mitbrüder.
Die Beschäftigung war
immer die selbe. Studium und Gebet im Haus. Peinlichste Pflege der ihnen
anvertrauten Kirche. Die Priester waren
immer bereit Beichte zu hören und Kommunion den Gläubigen zu spenden. Strenge
Befolgung der Liturgie und mitreißende Predigten. Heute sind das, normale
Dinge, aber in der damaligen Zeit, wurden sie auf die leichte Schulter
genommen. Die Gläubigen sahen, verglichen, verstanden und füllten die Kirchen.
Keinen Erfolg hatten
die Theatiner im Krankenhaus der Unheilbaren. Natürlich gab es eines in Neapel
und unsere guten Brüder wollten auch dort, wie in den anderen Städten, die
Kranken pflegen. Die Direktion wollte aber nichts davon wissen. Sie dachten
nicht an die Vorteile der Kranken, sondern mehr an die eigenen.
Für die Theatiner
sorgte der freizügige Graf von Oppido. Er versorgte sie mit allem Notwendigen
und gab ihnen auch mehr als sie brauchten. Don Kajetan schickte daher den
Überschuss zurück. Oppido war ein Wohltäter. Er war auch religiös, verstand
aber diesen grenzenlosen Glauben in der göttlichen Hilfe nicht, welcher
aber die Basis des Lebens der Theatiner ist. Er wiederholte immer wieder, dass
man nicht in den Tag hinein leben konnte. Ein sicheres, wenn auch kleines,
Einkommen musste vorhanden sein. Er wollte seinen Besitz dem kleinen Kloster
schenken. Don Kajetan, treu dem Prinzip der Armut verweigerte das Angebot. So
kam Graf Oppido eines Tages, mit einigen Priestern, die ihn unterstützen
sollten um Kajetan umzustimmen und die Schenkung anzunehmen.
- Von wo kommen die
Erträge, die ihr für so sicher hält? - fragte Thiene, die Priester.
- Von dem Grundbesitz
und den vermieteten Häusern.
- Und wenn die Mieter
aus Notwendigkeit oder Unanständigkeit nicht zahlen?
- Wir haben
unanfechtbare Schriften, durch die wir sie vor Gericht bringen können.
Es schien, als könnte
man ihre Gedankengänge nicht widerlegen.
Doch Thiene sagte: -
Ich habe gültigere Schriften, ich habe die Heilige Schrift, die mit dem Blut
Christies beglaubigt wurde. Er verpflichtet sich das Notwendige und auch mehr,
denen zu geben, die das Reich Gottes suchen. Gott gab uns, während der
Hungernot in Venedig, was wir für unser Leben und die Kirche benötigten. Er
wird uns auch hier helfen.
- Aber Venedig ist
reich und Neapel arm - entfuhr es Graf Oppido und Don Kajetan wendete sofort
ein: -Ich glaube der Gott von Venedig ist derselbe von Neapel.
Diese Frage wurde von
Graf Oppido noch oft aufgeworfen. Don Kajetan wollte sie endlich beenden. Er
forderte seine Mitbrüder auf, nur das Brevier zu nehmen und auf die Straße zu
gehen. Er ging als letzter, schloss die Türe ab und sandte den Schlüssel an den
Eigentümer mit den Worten: - Wir gehen und wollen sehen, ob der Herrgott von
Neapel der selbe ist, wie in Venedig.
Die Theatiner stießen
nicht nur auf dieses Unverständnis in Neapel. Davon will ich aber nicht
erzählen, sondern von einer Tatsache, die als Wunder bezeichnet wurde. Nicht
von dem einfachen Volk, sondern von einem ehrlichen und gewissenhaften Arzt.
Ein Laienbruder
erledigte eine gewisse Arbeit, fiel nieder und brach sich ein Bein. Er wurde
mit dem Mittel und System der damaligen Zeit behandelt. Trotzdem bildete sich
Eiter und Gangräne, war zu befürchten.
- Die einzige Hilfe
ist eine Amputation - stellte der Arzt fest und ging. Er versicherte am
nächsten Tag mit den notwendigen chirurgischen Instrumenten wieder zu kommen.
Unser Heiliger kannte
aber einen anderen Arzt, welcher weder Medikamente, noch chirurgische
Instrumente verwendet. Sein Name ist Gott. Innigst betet er zu ihm und fordert
den Verunglückten auf, sich diesem Gebet anzuschließen. Er segnet ihn und zum
Abschied neigt er sich über das Bein und küsst die eitrige Wunde.
Am nächsten Tag kam
der Arzt mit seinen Instrumenten und Assistenten. Erst ungläubig, dann
bewundernd, bis zu Tränen gerührt, musste er, die Heilung des Beines
feststellen. Es war gesund und beweglich wie vor dem Unfall.
Der Zutritt zum
Krankenhaus der Unheilbaren war ihm versagt, doch Don Kajetan fand andere
Tätigkeitsfelder.
Er gründete, nach dem
Vorbild der Theatiner, ein Nonnenkloster. Später wurde es den Kapuzinern
anvertraut, deswegen wurden, und werden sie auch noch heute, Kapuzinerinnen
genannt.
Er gründete noch ein
anderes Kloster für die Rehabilitation der verdorbenen Frauen und nannte
es "der Convertite" (= "der bekehrten Frauen")
Als würde die
karitative Tätigkeit nicht genügen, trat Don Kajetan auch in die Bruderschaft
der «Bianchi», ein, das waren Geistliche welche die zum Tode Verurteilen zum
Schafott begleiteten. So übte er auch dieses barmherzige Amt aus. Er fand
immer die richtigen Worte um die Qual der Verurteilten zu lindern und ihren Tod
Gott zu weihen.
Der Wucher war
ein verbreitetes soziales Übel. In Neapel vielleicht noch mehr als in anderen
Städten. Wer gezwungen war ein Darlehen aufzunehmen, musste mit einem derartig
hohen Zinssatz rechnen, dass er meistens in eine Reihe von Schulden kam und
sich nicht mehr davon befreien konnte.
Don Kajetan dachte,
dass dieses Übel mit einer Pfandleihanstalt bekämpft werden kann. Man
hinterließ ein Pfand für das erhaltene Geld. Mit nur geringer Erhöhung bekam
man bei der Rückzahlung das Pfand wieder. Um diese nützliche Idee zu
verwirklichen brauchte man Kapital. Aber weder er, noch der Orden, hatten es.
Er erinnerte sich an
Graf Oppido, der ihm vor Jahren sein ganzes Vermögen vererben wollte. Er suchte
ihn auf und legte ihm seinen Plan vor. Der Graf war einverstanden und bereit
sein ganzes Vermögen aufzuwenden und auch andere Adelige zu finden, die seinem
Beispiel folgen. So entstand die Pfandleihanstalt von Neapel, aus der
später die «Bank von Neapel» entstand..
Diese große und
verbreitete Bank, hat seinen Gründer nie vergessen. Zu seinem Andenken und
seiner Ehre schenkt die Bank vor einigen Jahren der Kirche «San Paolo Maggiore»
eine große Orgel. Ich komme noch darauf zurück.
Auch in Neapel waren
die Vorläufer der Lutheranischen Bewegung erschienen. Drei, sicherlich
gebildete aber entgleiste Männer liefen durch die Stadt. Einer war Mönch und
gab sich auch immer als Mönch aus. Sie drangen in Versammlungen, Gemeinschaften
und Familien ein, schürften Zweifel und legten das Evangelium in ihrer Art und Weise
aus. Männer und Dinge der Kirche wurden von ihnen entwertet.
Don Kajetan der immer
seine Worte maß, war erzürnt. Er stellt sich ihnen gegenüber, widerlegt ihre
Ansichten, straft sie ihrer Lügen, zeigt die Schwäche ihrer Pseudo-Doktrin und
die Falschheit ihrer Seele auf. Mit einem Wort, er brach ihre Waffen und zwang
sie zum Rückzug. Folglich waren, zumindest im Augenblick, die Neapolitaner
gegen die protestantischen Predigten immun. Diese Predigten hatten sie von
ihren Ahnen geerbt. Obwohl sie naiv waren, aber voll Hitze, waren sie
zerstörend, ketzerisch und ließen den Glauben versiegen. Don Kajetan und seine
Mitbrüder beweisen ihre Liebe, Fähigkeit und Aufopferung für Neapel. Wenn mehr
Platz wäre, könnten wir noch viele Beispiele erwähnen. Langsam fallen Hader,
Unverständnis und Nichtbeachtung. Man beginnt überall mit großem Respekt von
den Theatinern zu sprechen und viele, nennen den Vorstand bereits einen
Heiligen.
Diese geänderte
Haltung bemerkte man, als die erste Kirche der Theatiner, Santa Maria della
Stalletta ( = Heilige Maria des kleinen Stalles) zu klein wurde. Diesen
Namen hatte ihr Don Kajetan gegeben, weil an dieser Stelle früher ein Stall war
und besonders um die Menschen zu erinnern, dass der Erlöser in einem Stall
geboren wurde.
Bei der Suche nach
einer größeren Kirche, damit die Theatiner einer größeren Anzahl von
Neapolitanern dienen können, dachte man an den herrlichen Tempel, im Herzen von
Neapel, an San Paolo Maggiore. An dieser Stelle zerstörte der Apostel der
Völker, nach Neapel gekommen, zwei Götzenstatuen. Es gab aber verschiedene
andere Schwierigkeiten. Die größte bestand darin, dass die Kirche eine
"Pfarre" war und Don Kajetan wollte absolut nicht die Bindungen,
besonders die finanziellen, die eine Pfarre mitbringt. Lange wird diskutiert,
bis der Vizekönig, ein großer Verehrer der Theatiner persönlich eingreift. Am
28. Mai 1537 ergreifen die guten Brüder Besitz. Sie vergrößern, verschönern und
bereichern sie und bilden ein unermüdliches religiöses Fürsorgezentrum.
Herrliche Blüten eines alten Baumes
Don Kajetan altert,
weniger durch die Jahre, als durch die Arbeit, die Buße und die Sorgen, welche
mit der Führung der Theatiner verbunden sind. Es wäre an der Zeit, sich etwas
Ruhe zu gönnen und die Führung zu übergeben. Ein Bein war oft geschwollen, so
dass er es oft, nachziehen musste. Die Verantwortungen wurden nicht weniger. Im
Gegenteil mehr, da der neue Papst Paul III den Bischof Carafa in Rom wollte und
dieser sich daher dem Orden nicht mehr widmen konnte.
Unser Heiliger hätte
sich gerne zurückgezogen, doch die Mitbrüder halten ihn für unersetzbare und
wählen wieder ihn zum Vorstand. Hört, mit welch einem Geist der Unterordnung er
die Wahl annimmt: «Es leide das Alter,
die Demut, mein eigenes spirituelle Interesse soll verzichten ( er
dachte, er müsse sich auf den bevorstehenden Tod vorbereiten), doch der mir
aufgelegte Gehorsam soll siegen. Ich erkenne darin die Stimme und den Willen
Gottes. »
Die Berufung von
Carafa nach Rom, er bereitet das Konzil von Trient vor, ließ die Ernennung zum
Kardinal erkennen.
Diese kam unerwartet,
im Jahre 1527, während Carafa schwer erkrankt war. Er war Gast bei den
Dominikanern. Mit Don Kajetan an der Spitze kamen viele Theatiner denn die
dreijährige Amtszeit war abgelaufen und die Neuwahl musste durchgeführt werden.
Don Kajetan war in
der Klosterzelle, wo der Kranke auf einem einfachen Bett ruhte, als ein
Gesandter des Vatikans den Kardinalshut, Zeichen der Ernennung, brachte. Dieses
ungewöhnliche Vorgehen ist durch die Krankheit des Ernannten erklärt, der, wie
man sagte, im Sterben lag.
Als Don Kajetan den
Hut sah, wurde er bedrückt, denn diese Ernennung war im Gegensatz zu den
Prinzipien der Genügsamkeit und der Armut, welche die Grundlagen des Ordens
waren. Er bedeutete Carafa zu verzichten. Diese Geste bedeutet aber Ungehorsam
und Undankbarkeit dem Papst gegenüber und Carafa nahm die Ernennung an.
Doch wohin legen? In
der Zelle gab es nicht einmal einen Tisch. Die Augen des Kardinals richteten
sich auf deinen Nagel an der Wand. Der Abgeordnete verstand und hängte den Hut,
der für viele Prälaten, war und sicherlich auch heute noch, der Traum eines
ganzen Lebens ist, dort auf.
Carafa hat die
Bischofswürde immer beibehalten, wenn auch das Amt nicht ausgeführt, doch
dieses Ereignis zeigt, dass er die Armut immer ausgeübt hatte.
Der neuernannte
Kardinal erholte sich von seiner Krankheit und widmete sich völlig seiner neuen
Arbeit. Die Kirchenreform war sein Sorgenkind. Das Konzil von Trient ist noch
nicht beendet, doch hat Papst Paul III schon einige strenge Bestimmungen
erlassen. Darunter, dass ein Bischof nur eine Diözese leiten durfte und dort
ansässig war. Für diese Bestimmung kämpfte Carafa besonders, denn er erinnerte
sich an die Zeit wo er gleichzeitig Bischof von Chieti, Erzbischof von Brindisi
und Ämter an der römischen Kurie einhatte und seinen Pflichten, nicht nachkam.
Carafa blieb immer
kämpferisch und arbeitsam. Doch als Kardinal konnte er den Talar der Theatiner
nicht mehr tragen, und auch kein Amt bekleiden, obwohl er Freund und Beschützer
des Ordens blieb. Dies bedeutete jedoch für Don Kajetan mehr Arbeit, größere
Verantwortung und Aufenthalte einmal in Venedig und einmal in Neapel.
Wir können ihm leider
nicht auf all seinen Reisen folgen und erwähnen daher nur die
bedeutungsvollsten Episoden. Diese zeigen sein stilles Heldentum, die genaue
Beachtung der Armut, die Idealisierung der religiösen Lehre.
Die Neapolitaner
helfen dem Kloster der Theatine immer. Natürlich ist diese Hilfe nicht an einen
gewissen Tag, oder Stunde gebunden. Manchmal kam mehr als notwendig war und die
Armen freuten sich sehr darüber. Manchmal waren die Theatiner die Armen. Eines
Tages geschah folgendes.
Der Koch hatte nichts
zum Kochen und so verrichtete er andere Arbeiten, horchte aber immer auf die
Glocke, in der Hoffnung, dass jemand eine Spende brachte.
Es vergeht aber
leider der Vormittag und die Glocke bleibt still. Er konnte nicht mehr länger
warten und musste dem Klostervorstand die tragische Nachricht bringen. Dieser
dachte nach und sagte dann: - «Wenn die Zeit gekommen ist, dann läute die
Glocke für die Tischzeit. »
Es läutete und die
Brüder, versammelten sich um den ungedeckten Tisch. Wir kennen die Worte nicht,
die Don Kajetan in dieser traurigen Minute sagte. Er lobte die heilende Armut
und die Barmherzigkeit Gottes. Die Menschen, sind kurzsichtig und sehen nur das
Geschenk, nicht aber die Hand, welche die Geschenke austeilt. Sie freuen sich
im Augenblick des Überflusses und werden in der Bedrängnis schwermütig.
Den genauen Wortlaut,
kennen wir nicht, doch bezeugten diese Worte die eingewurzelte Offenheit und
Demut von Don Kajetan, denn sie wurden sofort belohnt. Die Glocke läutete. Der
Koch lief um die Türe zu öffnen und findet sich mit einem Brotkorb beladen. Man
erfuhr nie, von wem die Gabe kam. Er selbst sagte, dass er niemanden gesehen
hätte. Es war weißes, duftendes, schmackhaftes Brot. Niemand hatte je so ein
köstliches Brot gegessen.
Sie nannten es das
Brot der Engel. Jeder Mitbruder sagte sich aber innerlich, dass dieser Engel
einen Namen hatte: der Heilige Kajetan Thiene.
In unserem Heiligen
kam die tief wurzelnde Bescheidenheit aus einem ununterbrochenen Studium
und einer genauen Kontrolle. Im richtigen Moment zeigte er aber Autorität und
Würde, welcher Respekt und Unterordnung verlangten. Zum Unterschied von vielen
faulen, willenlosen und nur auf Verdienst bedachten Priestern, wollte Don
Kajetan, dass ein Priester jeden Tag die Messe zelebriert. Er war der
Ansicht, dass das Messopfer Priester und Gläubige verbessert. Nach einer kurzen
Besinnung und bedachten Vorbereitung zelebrierte jeder Theatine täglich die
Messe.
Diese Messe, durch
die Andacht, Ordnung, Einhaltung des Zeitplanes und der Sprache, war wie ein
Heiliges Spiel und vom Volk sehr geschätzt und von dem sie geistigen Vorteil
hatten.
Eines Tages erfuhr
Don Kajetan, dass Carafa, wegen seiner vielen Pflichten, nicht die Zeit fand
sich auf die Messe vorzubereiten und sie auch manchmal nicht zelebrierte. Diese
Nachricht bereitete ihm große Sorge und beschloss nach Rom zu gehen um Carafa
an seine Pflicht, täglich Messe zu lesen, zu erinnern. Man bedenke, er ist nur
ein Priester und Carafa ein Kardinal, ein «Stützpunkt» der Kirche. Es verband
ihn mit dem Orden der Theatiner nur mehr die Freundschaft.
Zu dem Kardinal sagte
er:
- «Glaubt ihr demütig
zu sein, wenn ihr den Altar meidet nur weil ihr euch nicht richtig vorbereitet
habt? Das ist eine falsche und schuldige Demut. Sie verweigert dem Gott die
Ehre, die Glorie den Heiligen und die Kraft der Kirche. Außerdem entzieht sie
den Lebenden und Toten, und besonders euch, die großen Werte welche das
göttliche Opfer bringt. Gemeinsam haben wir gekämpft, damit die Laien sich oft
an dem eucharistischen Brot nähren, wie könnt ihr jetzt hungern? Kehrt zu dem heiligen, von unseren Gesetzen
vorgeschrieben, Brauch zurück, jeden Tag das göttliche Lamm zu opfern und sich
von seinem Fleisch ernähren» -
Carafa hatte auch
noch im Alter einen stolzen und heftigen Charakter. Vor Don Kajetan neigte er
aber das Haupt und versprach immer die Zeit zu finden um sich vorzubereiten und
die tägliche Messe, mit Andacht und Demut, die er von seinem Lehrer erlernt
hatte, zu zelebrieren.
Sie umarmten und
verabschiedeten sich. Nach einer Nachtruhe trat Don Kajetan den Rückweg an. Was
kümmerte ihn die mühsame Reise von Neapel nach Rom und wieder retour, wenn sein
geliebter Mitbruder, und jetzt so hoher Vorgesetzte ihm versprochen hat,
täglich die Heilige Messe zu zelebrieren?
Um von Venedig nach
Neapel zu gelangen, hatte sich Don Kajetan für eine Schifffahrt entschlossen.
Die ersten Tage verliefen ruhig unter dem blauen Himmel. Doch auf halbem Wege
wurde aus der erholsamen, eine tragische, Reise, denn innerhalb weniger Minuten
kam ein Sturm auf.
Den Anordnungen des
erfahrenen Kapitäns folgend, machten die Matrosen das menschlich Unmögliche.
Die Furie der Elemente war aber stärker und bald sahen sich Mannschaft und
Passagiere in der Gewalt von hohen Wellen. Mit vor Angst geöffneten Augen
drängten sich viele zu dem einzigen, unbekannten Priester und baten um
Absolution.
Don Kajetan sagte:
"Nein. Ihr werdet leben um Gott zu dienen und eure Familien zu ernähren.
Deswegen wird euch dieses unschuldige Lamm retten"
Aus seiner
Brusttasche hatte er eine Wachsscheibe mit aufgeprägtem göttlichem Lamm
genommen, hielt es hoch und sprach weiter:
- Kinder und Brüder.
So wie ich dieses Göttliche Lamm, das die Sünden der Welt nimmt, in das Meer
werfe, legt, nach aufrichtiger Reue eure Sünden ab und ich sage euch, der Sturm
wird enden.
Der Ausdruck der
Verzweiflung auf ihren Gesichtern, verwandelt sich in Hoffnung. Sie beteten,
riefen Gott an, beichteten und versprachen. Don Kajetan mit der Würde, mit der
er die geweihte Hostie hob, warf die Scheibe mit dem Göttlichen Lamm in das
Meer.
Wie von Zauberhand,
legte sich der Sturm und die Sonne leuchtete wieder. Don Kajetan lief Gefahr
von den Umarmungen und Dankesgesten der Menschen erdrückt zu werden, die,
nachdem sie den Tod in die Augen gesehen hatten, wieder zum Leben erwachten.
Als er sprechen konnte, sagte er: - Dankt nicht mir. Ich bin ein Sünder wie ihr
und vielleicht ein noch größerer. Danken wir Gott, beten wir ihn an und dienen
ihm in Gedanken und Taten.
Der Mensch stirbt und der Heilige wird geboren
Kajetan Thiene hatte
seinen Kampf in Neapel gewonnen. Die, anfänglichen Feindlichkeiten und Voreinnahmen,
haben der Anerkennung seiner großen Werke Platz gemacht. Viele betrachteten und
nannten ihn bereits einen Heiligen. Das war natürlich für einen Menschen, der
immer unbeachtet bleiben wollte, sehr unangenehm. Für ihn war es ein Tag der
Freude als er von seinem Amt als Vorsteher des Ordens entbunden wurde. Sein
Nachfolger war der würdige Don Johannes Marinoni.
Don Kajetan konnte
sich daher der religiösen Tätigkeit innerhalb der Kirche besser widmen. Er
verrichtete aber auch mit Natürlichkeit die niederen Arbeiten, wie aufkehren
oder Wäsche waschen. Im Haus der Unheilbaren, hielt er sich die meiste Zeit
auf, nachdem es ihm endlich erlaubt wurde. Was machte er dort? Alles, auch die
unangenehmsten Dienste. So kehrte er am Ende seines Lebens zu seinen Anfängen
zurück. Den Armen dienen, als wäre es eine ihm von Gott geschenkte Ehre.
Die Stunde des
gerechten Schlafes näherte sich. Aber davor musste er noch, aus einem bitteren
Kelch trinken. Das Traurige ist, der Kelch kommt, wenn auch nur indirekt, von
der so heiß erwarteten Kirchenreform und von seinem geliebten Sohn, Kardinal
Carafa.
Mit der Absicht die
katholische Kirche von den ketzerischen Abweichungen zu schützen, wurde die
Heilige Inquisition gegründet. Leider schlug diese in Spanien sofort eine
politische Bahn ein. Diese Regierung, mit der Ausrede den Glauben zu
verteidigen, verfolgte und verdammte die eigenen Gegner.
Don Pedro von Toledo,
der im Namen des Kaisers in Neapel regierte, verlangte ein Inquisitionsgericht.
War das wirklich notwendig? Oder wollte er sich, mit der Ausrede der Ketzer nur
ein politisches Hilfsmittel geben?
Beides kann stimmen.
Wir wissen mit Sicherheit, dass er von Rom ein Inquisitionsgericht verlangte.
Und Kardinal Carafa, der damals der Vorstand war, gewährte es.
In Neapel litten alle
darunter. Die Intellektuellen sahen darin die Unterdrückung der schon so
wenigen Freiheit, die sie hatten. Die Adeligen fürchteten für ihre Privilegien.
Der Klerus sah eine Gefahr für ihre große Immunität. Das Volk schrie von
Übergriffen, Ungerechtigkeiten und Aushungerung. In so einer gespannten Lage,
genügte wenig um einen Volksaufstand ausbrechen zu lassen.
Ein gemeiner
Verbrecher wurde in den Kerker gebracht, sah eine Gruppe von Jugendlichen,
schrie um Hilfe und beteuerte er wäre ein unschuldiges Opfer der Inquisition.
Ohne zu denken stürzten sich diese auf die Wächter und verhalfen dem Verbrecher
zur Flucht. Das Volk war von dieser Geste begeistert. Der Vizekönig aber
anderer Meinung. Die jungen Befreier wurden entdeckt und drei wurden erhängt. So
begann der Aufstand, der von Tag zu Tag größer und blutiger wurde. Der
Vizekönig hatte die bewaffneten Truppen. Das Volk von gestapelter Wut besessen,
besaß eine große Beweglichkeit, die List der Flucht und der plötzlichen
Rückkehr, die Barrikaden und die Solidarität von anderen Volksschichten. Beiden
Seiten war es ernst und die Straßen füllten sich mit Toten.
Der Schmerz von Don
Kajetan war groß, die blutigen Straßen von seinem geliebten Neapel und die
verzweifelten Herzen des geliebten Volkes zu sehen, welches die religiösen
Handlungen so gerne verrichtete. Zu zeitig gealtert, in schlechter Gesundheit,
mit dem schmerzenden Bein, rief er Gott um Hilfe an und versuchte die Rivalen
zu trennen. Über der Menschenmasse hielt er das Kreuz und sprach Worte des Friedens,
der Toleranz und der Nächstenliebe.
Er lief auch zum
Vizekönig und ersuchte um eine Gnadengeste, um die aufgeregten Geister zu
beruhigen. Aber alles war umsonst. Wo er erschien, wurde der Kampf schwächer,
nur, um an anderen hundert Stellen ärger auszubrechen. Die Spanier schossen.
Das Volk flüchtete, erschien aber wenig später aus anderen Stadtteilen.
Sein Herz blutete und
Don Kajetan fühlte sich immer schwächer. Er legte sich auf sein Bett, welches
nur aus Holzbrettern bestand und folgte den ärztlichen Vorschreibungen. Er
lächelte dabei, denn er wusste seinen Todestag und nannte diesen auch seinen
Freunden. Mit innigem Gebet bereitete er sich auf ihn vor. Er betete auch damit
der Bürgerkrieg endete.
Der erste Arzt, der
gerufen wurde, meinte er wäre unmenschlich ihn auf Holzbrettern zu lassen.
Sofort wurde eine Matratze geholt. Doch der auserlesene Mann, schon auf dem Weg
zur Heiligkeit, mit Schmerzen am ganzen Körper, aber klar im Geiste, wies sie
mit diesen Worten zurück:
- Mir Sünder, der
viel Buße bringen muss, will man ein weiches und bequemes Bett geben? Meinem
mutlosen Körper will man Liebkosungen und Genuss anbieten? Das darf nie
geschehen. Ich will und muss in Asche und mit dem Bußgürtel, den er noch
trug, sterben. Die Zärtlichkeiten und die guten Behandlungen gehören den
nach dem Ebenbild Gottes geschaffenen und nicht dem feigen Körper der aus Staub
und Schlamm besteht. Ohne Buße kann man nicht hoffen, in das Paradies
einzugehen.
Dies waren die
letzten Wünsche und Lehren von Kajetan Thiene, der sein
außergewöhnliches Leben am Abend des 7 Augustes 1547 beendete.
Seit seiner
Jugendzeit wo Adel und Reichtum viel galten, hatte er beides verachtet. Fünfzig
Jahre, von ununterbrochener Arbeit in allen Bereichen, (Bildung, Armut,
Nächstenliebe, Verteidigung der Glaubenswahrheit und Priesterwürde), haben ihm
einen neuen Reichtum und inneren Wert gegeben, den die normalen Menschen nicht
sehen. Er wurde freiwilliger Diener der Unheilbaren. Dieser Reichtum und dieser
Edelmut, welche Kajetan Thiene durch ein fünfzig Jahre dauerndes Opfer
(unbekannt von der Masse, aber hart und doch voll Freude für ihn) erreichte,
hat nur einen Namen: Heiligkeit.
Die Kirche geht in
diesen Dingen mit berechtigter Langsamkeit vor. Die Heiligsprechung erfolgte
erste viel später, im Jahre 1671. Das Volk sprach aber schon zu seinen
Lebzeiten von ihm als von einem Heiligen und verehrte ihn, kaum war er
verstorben. Das Volk wurde Zeuge und Protagonist eines neuen Wunders. Kaum
wusste man vom Tod des Wohltäters der Ärmsten, des Trösters der Bedrängten, des
Verteidigers des wahren Glaubens, hörten die Kämpfe, wie durch ein Wunder auf.
Dieselben Männer, welche sich bis jetzt bekämpft und ermordet hatten, knieten
vor dem umtrauerten Toten nieder und ließen jeden Hader fallen. Die Neapolitaner
ehrten ihren neuen großen Heiligen. Sie kehrten zum Frieden, zur Arbeit und
Brüderlichkeit zurück. Sie glaubten wieder in die unsterbliche Wahrheit, welche
alle zusammenfasst und von Don Kajetan immer gepredigt wurde: « Liebt euch
einander, wie ich, Christus, euch geliebt habe. »