Vita dei santi

 

Der hl. Johannes Baptist von La Salle

Schutzpatron der Lehrer und Erzieher

15 Mai 2000 - Fünfzigjähriges Jubiläum der Ernennung zum Schutzpatron

24 Mai 2000 - Hundertjahrfeier der Heiligsprechung

 

Aus dem Buch Jean Baptiste De La Salle: LA FORZA DI DARE LA VITA

 

Geometrische Linien in blauem Feld

 

Ein kalter Oktobertag. Ein Wagen, von vier Pferden gezogen fährt durch die engen Straßen von Reims. Davor zwei Reiter mit Federn auf den Hüten und Schwert an der Seite. Auf ihrer Brust ist das Wappen der von La Salle: geometrische Linien in blauem Feld.

Der Wagen fährt durch das breite Tor in das Internat «Bons Enfants. »

Ein Diener eilt herbei und öffnet den Wagenschlag. In herrlicher Uniform gekleidet aber mit ängstlichem Blick steigt ein neunjähriger Bub herunter. Seine Mutter in einem herrlichen Spitzenkleid hält ihn an der Hand.

Mit einer leichten Verbeugung begrüßt sie der Leiter in seiner schwarzen Uniform.

Nach wenigen Minuten ist Johannes Baptist von La Salle in der Schulliste verzeichnet.

Sein Platz wird ihm im Klassenzimmer zugewiesen. Er berührt die großen Bücher, welche ihn während der kommenden Jahre begleiten werden. Fünf Jahre Grammatik, zwei Jahre Rhetorik und zwei Jahre Philosophie erwarten ihn.

Andere Kinder sind mit ihm. Alle in der strahlenden Uniform. Alle mit Angst in den Augen. Das Internat «Bons Enfants» hat den Ruf einer guten und strengen Schule. Die Lehrer sind sehr streng. Sogar in den wenigen Minuten der Rekreation müssen diese neunjährigen Kinder Latein sprechen.

Jetzt sitzt Johannes Baptist auf seiner Schulbank zur ersten Unterrichtsstunde. Er öffnet das große Buch und hört die Stimme des Lehrers. Vor sich aber sieht er seine Familie. Das gutmütige Gesicht der Großmutter, seine Brüder und Schwestern. Um diese Zeit tollen sie sicherlich lärmend und scherzend durch die großen Säle. Am Abend werden Hunderte von Kerzen angezündet und die Musiker lassen auf ihren Geigen und Clavicembalo die herrlichen Noten von Lulli und Frescobaldi erklingen.

Als kleines Kind langweilte ihn die Musik und er schütze sich in den Schoß der Großmutter. Die alte Frau mit dem gutmütigen breiten Gesicht nahm ihn auf die Schulter und trug ihn vorsichtig, um die Anderen nicht zu stören in ihr Zimmer. Sie nahm eines der Bücher aus dem Regal und las ihm das Leben eines Heiligen vor.

Johannes hörte mit Erregung die Geschichten der, vor die wilden Tiere geworfenen, Märtyrer und der alten Eremiten die in einsamen Höhlen wohnten. Er hörte von dem Soldaten Ignatius der vor den Mauern von Pamplona verwundet wurde und von dem Missionar Franz Saverio, der bis nach Indien reiste um den Heiden den echten Glauben zu bringen.

Im Schoß der Großmutter träumte auch Johannes Baptist ein Heiliger zu werden. Er sah sich in den Höhlen der Einsiedler, oder auf einem Schiff mit der Mission in fremde Länder, oder sogar, aus Liebe zu Jesus vor die wilden Tiere geworfen. Aber er landet in diesem Internat. Wer weiß ob man auch hier ein Heiliger werden kann?

 

Krieg, Pest, Hungersnot

 

Während im Jahre 1660 für Johannes die Schule im Internat «Bons Enfants» beginnt, ist das Leben um ihn viel härter.

Paris, die Hauptstadt von Frankreich hat nur Dreihunderttausend Einwohner. In ganz Frankreich leben 17 Millionen Menschen. Am Ende des Jahrhunderts, also 40 Jahre später sind es nur mehr 14 Millionen. Hunger, Krieg und Pest verstören nicht nur Frankreich, sondern ganz Europa.

Zwischen 1618 und 1648 zerstörte der Dreißigjährige Krieg Deutschland, Holland, Frankreich und Spanien. Auch nach dem Friedensabschluss, 1648, führte Frankreich noch 10 Jahre Krieg gegen Spanien. Im Jahre 1658, zwei Jahre, bevor Johannes in das «Bons Enfants» eintrat besiegte Frankreich unter der Leitung von Turenne, zwischen dem Strand und den Dünen von Dunkerque die spanische Flotte.

Deutschland war durch den Dreißigjährigen Krieg völlig zerstört. Die Einwohnerzahl war von 20 Millionen auf nur sechs bis sieben Millionen gesunken. Das Leben war verwildert und die Räuber herrschten über große Gebiete.

In Massen ziehen die Bettler in Frankreich durch die Straßen. Bauern ohne Güter, Handwerker ohne Arbeit, Frauen ohne Familien, Kinder ohne niemanden wandern in die Städte, besonders nach Paris. Sie leben, d.h. wenn sie leben, vor Kirchen und den Palasttoren bettelnd. Man rechnet, dass es im Jahre 1660 zwei Millionen Bettler in Frankreich gibt, bei einer Bevölkerung von 17 Millionen. In Paris, sind es Vierzigtausend. In  Rouen, bei einer Bevölkerung von Sechsundzwanzigtausend, sind es Zwölftausend.

Johannes Baptist ist 1660 über seine Bücher im «Bons Enfants» von Reims gebeugt. Es gibt einen Heiligen, der seine letzten Lebensmonate aufbraucht, im Versuch die Armut Frankreichs zu lindern. Sein Name ist Vinzenz de' Paoli. Er stammt aus keiner adeligen Familie, sondern ist der Sohn eines Schweinezüchters. Allein, ohne Heer und ohne Schätze hat dieser kleine Mann, mit dem bleichen Gesicht, eine Hilfskette geschaffen, die alle überrascht. Er hat Sträflingen, Unkundigen, Waisen, Armen und Kranken geholfen. Er hat Krankenhäuser und die Pflegerinnen geschaffen. Johannes Baptist von La Salle wird bald von diesem einfachen Mann hören und auf dem, von ihm gezeichneten, Weg weitergehen.

 

 

Eine Locke für einen neuen Weg

 

1662: Johannes Baptist ist elf Jahre alt. Er hat, während dieser Zeit, fleißig gelernt und er zeigt seine große Intelligenz. Er hat aber nicht nur studiert. In der Kappelle, bei der täglichen Messe, lernte er mit Gott, respektvoll, aber intim, zu sprechen. Er verstand, dass sein Leben ein Geschenk Gottes ist und dass er es nicht irgendwie verbrauchen darf.

Er betrachtet lange Christus der für uns am Kreuz gestorben ist und sagt ihm: «Du hast dein Leben für mich geopfert. Ich will dir meines opfern. »

Er bittet seine Eltern um Erlaubnis Priester zu werden. Für die damalige Zeit ist das eine seltene Frage. Der Erstgeborene, einer Adelsfamilie führt den Beruf des Vaters weiter. Er wird das Familienoberhaupt und erbt den Titel. Die jüngeren Kinder können das Haus verlassen und in den Militärdienst oder in ein Seminar eintreten.

Die von La Salle, sind echte Christen. Sie erkennen, dass diese Bitte von Johannes Baptist keine Laune, sondern eine tiefe und bedachte Wahl ist und geben ihre Zustimmung.

11 März: Johannes Baptist erhält die Tonsur.  Der Bischof schneidet bei dieser Zeremonie dem Jungen ein Haarbüschel ab. Es ist ein Symbol: der Bub beginnt auf Mode und Eleganz zu verzichten um sich auf seine Hingabe an Gott vorzubereiten. Für den Bischof ist es ein «Versprechen» der christlichen Gemeinde, welches mit Achtung und in Augenblicken der Notwendigkeit mit Hilfe eingehalten werden muss.

Pierre Dozet, der Onkel von Johannes Baptist, ist Kanzler der Universität und Chorherr der Kathedrale von Reims. Er verfolgte das brillante Studium des Neffen während, der fünf Grammatik- und den zwei Rhetorikjahren. Mit Stolz sah er ihn bei einer Ausbildungsprüfung. Er entscheidet, kaum ist es möglich, ihm seinen Titel als «Chorherr» zu übergeben.

17 Januar 1667. Als nur sechzehnjähriger begibt sich Johannes Baptist, mit seinem violetten Mantel bekleidet in den Chorstuhl. Es ist traurig, die Chorherrn der damaligen Zeit zu beschreiben. Die Aufgabe eines Chorherrn ist, täglich für das Volk Gottes zu beten. Doch er musste aus adeliger Familie stammen und erhielt einen reichen Lohn und hatte Kutsche und Pferde.

Christus sagte zu seinen ersten Jüngern: «Sie dürfen nicht einmal einen Stein besitzen um diesen als Kopfkissen zu verwenden. » Johannes Baptist wird Chorherr, bleibt aber dennoch ein aufrechter Christ. Der Lohn interessiert ihn nicht. Jeden Tag betet er aufrichtig, damit er ein guter Priester wird, fährt in seiner strengen Lebensweise fort und schreibt sich in der Universität von Reims ein.

 

490 Personen für ein königliches Essen

 

Seit 9 Jahren regiert Ludwig XIV in Frankreich. Dieser junge König hat die aufgehende Sonne als sein Emblem gewählt und wird, wegen der Pracht seines Hofstaates der «Sonnenkönig» genannt.

Die völlige Macht hat er mit 18 Jahre übernommen und regiert wir ein absoluter Diktator. Er hat sich als «Gesetz- und Justizquelle» erklärt, ist Haupt der staatlichen Verwaltung und oberster Heerführer. Ohne Zustimmung seiner Untertanen kann er neue Steuern einführen und ohne Gerichtsurteil kann er das Todesurteil aussprechen.

Von seinem Hofstaat wird Ludwig XIV im wahrsten Sinne des Wortes «angebetet. » Hier treffen sich Adelige, Lehnherrn, Literaten und Künstler. Sein Aufstehen ist ein Ritus und erfordert zwei Stunden. Jedes Kleidungsstück wird ihm von einem Adeligen gebracht. Das Hemd darf nur von einem Prinzen gebracht werden. Während der Messe stehen die Höflinge mit dem Rücken zum Altar und das Gesicht zum König gewandt. Auch das Essen ist eine komplizierte Angelegenheit. Jeder Gang wird von einem Adeligen getragen, vor dem ein Wächter und ein Diener schreiten und drei mit Gewehren bewaffnete Soldaten folgen. Für das Essen des Königs sind 490 Personen notwendig.

Diese Masse von Nichtstuers, die auf Kosten des Staates leben sind eine Beleidigung für die arme Volksmasse.

Ludwig XIV gibt enorme Geldsummen für die Verstärkung des Heeres aus und beginnt 1665 wieder mit einem neuen Krieg. In den nächsten drei Jahre liefern sich die Spanier und die Franzosen blutige Kämpfe und zerstören das Land. Die Ernte ist verloren und das Sterben beginnt wieder.

Vor den Toren von Paris beginnt der entsetzliche Verkauf der Kinder. Die Preise gehen von 8 Soldi bis zu 1 Lire. Sie werden an Bettler verkauft, welche sie zu Krüppeln schlagen um größeres Mitleid von den Mitmenschen zu erwecken. Man verkauft sie auch an Magier für ihre Experimente.

 

In Saint Sulpice mit Gott sprechen

 

Auch die katholische Religion befindet sich in einer schweren Krise. Fast alle Bischöfe stammen aus dem Adelsstand, verlassen ihre Diözesen und verwandeln sich in Höflinge.

Der Königshof von Versailles feiert die Messe mit dem Gesicht zum König und nicht zum Altar gewendet. Die Kommunion wird mit Faulheit und Laster gemischt. Die Bischöfe überlassen die Diözesen ihrem «Vikar», die Landbevölkerung ist gezwungen große «Abgaben» an Adel und Bischöfe zu erstatten. Laut Josef Lortz ist das eine «Verhöhnung der Gebote Gottes und lassen die katholische Berufung als Heuchelei erscheinen. »

Gerade während die religiöse Dekadenz den tiefsten Stand erreicht bildet sich innerhalb der Kirche von Frankreich eine tiefe geistige Erneuerung.

Männer, wie der adelige Franz von Sales und der einfache Vinzenz de' Paoli haben den Weg gezeichnet. Rückkehr zum Gebet um Gott zu finden und aufrichtige Liebe für die Armen.

Zum Mittelpunkt dieser Erneuerung wird das Priesterseminar von Saint Sulpice, welches in einem Volksviertel von Paris liegt. Von außerordentlichen Männern, wie Kardinal von Bérulle und Olier, werden hier die besten Priester gebildet, welche die Kirche von Frankreich zu neuem Leben erwecken werden.

Mit 19 Jahren, im Jahre 1670 tritt Johannes Baptist von La Salle in Saint Sulpice ein. Die Vorschrift ist streng. Der Tag beginnt um vier Uhr, Besuch der theologischen Vorlesungen an der Sorbonne ( der bekanntesten Universität), in Gebet und Andacht lange Zeit verbringen um acht Uhr Bettruhe.

Der Abt Louis Tronson, der spirituelle Leiter von Johannes Baptist, führt ihn zu einem friedlichen, aber von Armut, Gehorsam und Welttrennung bestimmten,  Leben. Auf dem Weg von und zu der Universität wird er von Bettlern, welche die Hand ausstrecken, umgeben. Der Zusammenstoß mit der Armut ist erschütternd.

 

Wie die Armen leben, um sie zu verstehen

 

Doch die Armut begegnet ihn nicht nur auf den Straßen. Abt Tronson wünscht, dass seine Seminaristen, fast alle aus dem Adelsstand, die Armut am eigenen Körper spüren.

Sie müssen das Haus kehren, das Geschirr waschen und alles sauber halten. «Man lebe wie die Armen, um sie zu verstehen», sagte Vinzenz de' Paoli.

In den kommenden 18 Monaten, die er im Seminar verbringt, verschafft er sich ein vollständiges Bild der Jugend. Gemeinsam mit seinen Freunden verbringt er den Sonntag auf den Straßen um die Jugendlichen zu finden. Er findet sie in engen und feuchten Straßen, in ungesunden und unbehaglichen Wohnungen. Diese Kinder haben kein Licht in den Augen.

Er spielt mit ihnen, erzählt ihnen die herrlichen Geschichten der Heiligen und sie hören ihm begeistert zu. Reicht er ihnen aber ein Buch, dann schütteln sie die Köpfe. Sie können weder lesen noch schreiben und haben auch keine Aussicht, jemals eine Schule zu besuchen.

In der Stadt gibt es Schulen. Aber nur gegen Bezahlung. Die Armen sind daher ausgeschlossen. Ohne lesen, schreiben oder rechnen zu können, haben sie fast keine Möglichkeit ihre Rechte zu verteidigen.

Im Seminar spürt man die Notwendigkeit Gratisschulen zu öffnen um die Armen zu unterrichten. Neben der Pfarrkirche wird die, völlig kostenlose, École Paroissiale (Pfarrkirche) eröffnet. Die Lehrer werden vom Pfarrer bezahlt. Doch die Lehrer können sehr oft die lebhaften Kinder nicht bändigen. Die Schule hat Höhen und Tiefen. Perioden der Blüte und des Unterganges. Johannes Baptist beobachtet sie mit Interesse. Er sieht das erste Anzeichen seiner Mission, die ihm Gott zugedacht hat.

 

Traurige Tage

 

19 Juli 1671. Es ist einer der traurigsten Tage im Leben von Johannes Baptist. Seine Mutter stirbt. Neun Monate später, am 19 April 1672, stirbt auch plötzlich sein Vater. Die sieben Geschwister der Von La Salle sind Waisenkinder.

Als Erstgeborener, obwohl er nur ein zwanzigjähriger Knabe ist, muss er die Verwaltung, der Besitztümer der Familie, übernehmen. Er muss für die Erziehung, der Brüder und Schwestern, sorgen. Louis ist 8 Jahre, Pierre 6 Jahre alt.

Für Johannes Baptist ist dies eine tiefgehende Erfahrung. Innerhalb von 24 Stunden muss er von dem «gedachten» Leben, in das «gelebte» Leben wechseln. Er muss, sich mit vielen organisatorischen und leitenden Problemen befassen und auch lösen. Es ist eine schwere Lehre die seinen Charakter festigt und ihn in kurzer Zeit zu einem «Erwachsenen» formt.

Da ist das Problem des Priesteramtes. Soll er das Seminar nach so langem Studium verlassen? Die Verwandten und Freunde raten ihm dazu. Er will aber in Ruhe darüber nachdenken.

Nach den ersten harten Monaten gesteht er seinen Zweifel einem befreundeten Priester, den Abt Nicolas Roland. Roland ist nur dreißig Jahre alt, aber er ist ein sehr kluger Mensch.

Sein ganzes Leben hat er Gott geweiht.  Aus all seinen Werken sieht man die echte Heiligkeit.

Er hört die Worte von Johannes Baptist, denkt darüber nach und dann sagt er endlich: «Die Tatsachen müssen dir antworten. Wenn dich deine Familie tatsächlich braucht, dann suche Gott in deiner Familie. Bemerkst du aber, dass sie auch ohne dir auskommen können, so ist das ein Zeichen, dass Gott dich zum Priesteramt ruft. Hör nicht auf das Gerede der Verwandten und Freunde. »

Die Antwort kommt mit der Zeit. Der zweitgeborene Remi mit seinen 19 Jahren und die achtzehnjährige Schwester Marie helfen ihm bei der Verwaltung. Obwohl er all seine Pflichten als älterer Bruder erfüllt, kann er sein Studium, mit einer gewissen Regelmäßigkeit, weiterführen.

 

Und was nun?

 

9 April 1678. Es ist der Karsamstag. In der Kathedrale von Reims liegt Johannes Baptist, im weißen Kleid gekleidet vor dem Altar am Boden. Die Orgel stimmt die feierliche Melodie der «Heiligenlitanei» an. Erzbischof Le Tellier ruft die großen Heiligen der Kirche an: Petrus, Paulus, Benedikt, Franz...... dann, legt er seine Hände auf das Haupt des jungen Mannes und fleht den Heiligen Geist für seine Erleuchtung an.

Johannes Baptist von La Salle erhebt sich als Priester um die Umarmung des Bischofs zu erhalten. Johannes Baptist ist ein großer, schlanker Mann geworden. Er hat eine breite Stirne und ein offenes Gesicht. Wie in dieser Epoche üblich, trägt er lange Haare. Seine blauen Augen können lachen, drücken aber auch Stärke und Entschlossenheit aus.

Am nächsten Tag, Ostersonntag, zelebriert er seine erste Messe. Seine Geschwister und die alte Großmutter mit dem gutmütigen breiten Gesicht, die ihn als Kleinkind auf die Schultern nahm und ihm die Heiligengeschichten vorlas, waren um ihn versammelt.

Es fehlen seine Eltern. Er gedenkt ihnen während der Messe und es scheint ihm, als wären sie anwesend.

Sein Freund, Abt Nicolas Roland assistiert ihm während der Messe. Sein Gesicht ist blass und angespannt. Nach der Feier, während Johannes Baptist das Messgewand ablegte, rief er ihn in die Wirklichkeit zurück. Und was wirst du jetzt machen?

"Ich weiß nicht, ich habe noch nicht darüber nachgedacht" - murmelt er.

"Ich werde es dir sagen. Du wirst mir bei den Schwestern helfen" - aus seiner Stimme spürt man eine starke Kraft. "Vier Schulen für arme Mädchen stehen vor der Schließung. Sie müssen gerettet werden. Ich erwarte dich morgen."

 

Eine merkwürdige Geschichte über Tote

 

In der Gegend von Rouen war die reiche Dame Jeanne De Maillefer durch ihre Schönheit und ihrer Eitelkeit bekannt. In den Adelskreisen erzählte man einige Eigenheiten von ihr. Sie hatte eine Schneiderpuppe mit ihren genauen Maßen anfertigen lassen. Sie verbrachte Stunden davor und studierte die Auswirkung der neuen Kleider und der komplizierten Frisuren.

An einem späten Nachmittag, klopfte ein Armer, in dessen Gesicht Anstrengung und Hunger standen, an ihr Palasttor. Er bat um einen Unterschlupf für die Nacht, denn er spürte seinen Tod kommen. Die adelige Dame jagte ihn persönlich weg, angeekelt von seinem schmutzigen Ansehen.

Ein Kutscher hatte aber Erbarmen. Ohne der Dienstgeberin etwas zu sagen, ließ er ihn in einer Stallecke, auf trockenem Stroh ruhen.

In der Nacht starb der arme Mann.

Der Kutscher hatte nun die unangenehme Aufgabe, die Dienstgeberin zu verständigen.

Die «adelige Dame» bekam einen hysterischen Anfall; sie schrie, zerriss Spitzen, strampelte mit den Beinen, drohte dem Kutscher mit Entlassung und schrie wie verrückt.

- Ein Toter in meinem Haus! Ich will ihn nicht, ich will ihn nicht! Bringt ihn weg!

- Um ihn zu begraben, brauchen wir etwas - murmelte mutig der Kutscher.

Die Dame ergriff das erste Leintuch das sie findet und warf es dem Kutscher zu.

Das genügt für einen Bettler! Und jetzt hinaus!

Nur in dieses Leintuch gehüllt,  wurde dieser Arme noch am selben Tag begraben.

Am nächsten Tag ereignete sich etwas Sonderbares. Madame De Maillefer fand auf dem Tisch des Speisezimmers ein sorgfältig zusammengelegtes Leintuch. Sie reißt es an sich und sieht ihr Monogramm.  Es war das Leintuch, welches sie für die Beerdigung des Bettlers hingeworfen hatte.

Ein neuerlicher hysterischer Ausbruch. Unter Schreien und Drohungen ruft sie den Kutscher und die Diener. Doch alle schwören, sie ahnen nicht wieso sich das Leintuch hier befindet. Die gnädige Frau wird immer blässer, verdreht die Augen und wird ohnmächtig.

Seit diesem Tag beschäftigt sie ein Gedanke: «Der Bettler hat meine Almosen verweigert, die ich ihm wütend gab und er hat mir das Leintuch zurückgeschickt. »

 

Sie hat Christus abgewiesen

 

Sie ruft Pater Barré, der in der ganzen Normandie bekannt ist, da er viele Schulen für die Armen gegründet hat und erzählt ihm zitternd die ganze Geschichte.

- Gnädige Frau - antwortet ihr offen Pater Barré - ich glaube nicht so schnell an Wunder. Dieses Leintuch auf dem Tisch kann auch ein makaberer Scherz von einem Diener sein.

Doch Christus sagt im Evangelium, was wir den Armen tun, machen wir für ihn.

Sie haben den Bettler in grausamer Art abgewiesen, daher haben sie Christus persönlich abgewiesen. Leintuch ja oder nein, ist es an der Zeit, dass sie ihr Leben ändern, wenn sie nicht zu streng von Gott beurteilt werden wollen.

-          -          Was muss ich, machen?

-          -          Sehen sie sich um. Es gibt Hunderte von Mädchen und Buben, ohne Schulen, auf der Straße, wo sie das Stehlen lernen.

-          -          Machen sie mir einen konkreten Vorschlag. Ich werde sie nicht enttäuschen.

-          -          Ich hoffe, gnädige Frau, dass Gott von ihnen nicht enttäuscht wird.

Kurze Zeit später bringt Pater Barré seinen Vorschlag und Frau De Maillefer nimmt ihn an. In den Vororten von Rouen werden Gratisschulen eröffnet. In der San Maurostraße von Paris wird ein «Noviziat» für Schulschwestern geöffnet, die ihr Leben der Erziehung von armen Mädchen widmen. Pater Barré nennt sie die «Nonnen des Jesuskindes. »

Jahr für Jahr werden neue Schulschwestern ausgebildet und eröffnen Gratisschulen in den wichtigsten Städten Frankreichs.

Die Familie De Maillefer stammt aus Reims und die Dame ersucht Pater Barré auch an diese Stadt zu denken. Er setzt sich mit dem Abt Nicolas Roland in Verbindung und dieser entsendet vier Schwestern in die Stadt. Sie finden in der Stadt eine Wohnung und vier Schulen zum leiten.

Nicolas Roland bekam aber die Genehmigung der Stadtverwaltung nicht. Im Rathaus wird erklärt: «Wir haben viel zu viele religiöse Institute. Die Gemeinde kann keine neue Unterstützung bewilligen. » Roland erklärt immer wieder, dass diese Schwestern völlig anders wären. Sie öffnen keine Internate für adelige oder reiche Kinder, sondern für die Armen. Erhalten sie keine Unterstützung, müssen sie um ihr tägliches Brot betteln.

Er erreicht aber nichts. Nur der einflussreiche Erzbischof Le Tellier könnte eingreifen und die Stadtverwaltung umstimmen. Aber auch er gehört zu den Bischöfen die, mehr Zeit am Hof von Ludwig XIV als in ihrer Diözese verbringen. Diesen Winter verbrachte er fast ausschließlich in Versailles.

Fünfzehn Minuten die ein Leben fordern.

Abt Roland musste unbedingt mit ihm sprechen. Er verbrachte die Zeit von November 1677 bis April 1678 fast ununterbrochen im Wartesaal. Vier Monate verbrachte er jeden Vormittag in dem kalten erzbischöflichem Wartesaal, da er seinen Turnus nicht versäumen wollte. Er ernährte sich von dem mitgebrachten Brot, zog sich in eine Ecke zurück und wartete.

Durch diese lange Wartezeit in der Kälte zog er sich einen starken Husten zu. Sein Gesicht ist gezeichnet und die Augen haben schwarze Ränder.

Erst im April hat Erzbischof Le Tellier Zeit diesen eigensinnigen Abt zu empfangen. Unter starken Hustenanfällen bittet ihn Roland um Hilfe für die Schwestern der Armen. Der Erzbischof verspricht seine Hilfe. Nach fünfzehn Minuten steht Nikolaus Roland wieder vor der Türe. Für diese fünfzehn Minuten hat er vier Monate gewartet und kosten ihm auch sein Leben.

Wenige Tage später, am 10 April, wohnt er der ersten Messe seines Freundes Johannes Baptist bei und reicht ihm die Hand. Das ist eine der letzten Dinge, die er noch machen kann. Zehn Tage später hat er einen Bluterguss welcher ihn, mit nur 33 Jahren, das Leben kostet.

In seinem Testament nennt er von La Salle als Erbe seiner Arbeit und ersucht ihn alles zu unternehmen damit die Schulen der armen Mädchen nicht schließen.

Die Gegner der Freischule für die Armen sind die Lehrer von den amtlichen «kleinen Schulen», die man gegen Bezahlung besuchte. Auch die «Schreiblehrer» welche bis jetzt Kalligraphie unterrichteten, aber jetzt durch die Verbreitung der Druckerei verdrängt waren und als Privatlehrer arbeiten, waren gegen die Freischulen.

 

Tausend arme Kinder

 

Johannes Baptist setzt sich mit Eifer an die von Pater Roland begonnene Arbeit.

Dem Erzbischof und den Stadtverwaltern setzt er das tragische Bild der Kinder vor Augen.

« Die Handwerker und Armen lassen ihre Kinder sich selbst überlassen. Ihre Arbeitszeit hält sie fast den ganzen Tag von ihrer Wohnung entfernt und ihr Lohn ist meistens sehr niedrig. Auch die Mütter arbeiten oft außer Haus. Die Kinder leben auf der Straße, schließen sich zu kleinen Banden zusammen bis sie das Alter erreichen um arbeiten zu können. »

Diese traurige Sachlage, kann durch Gründung christliche Schulen, geändert werden. Hier, wird gratis unterrichtet und nur zu Ehren Gottes. Die Schüler können den ganzen Tag bleiben und lernen lesen und schreiben und die ersten Grundlagen der Religion. »

Mit dramatischen Worten endet er: «Eine Verweigerung, die Schulen weiter zu führen, in denen mehr als tausend arme Kinder sind, heißt für ihren Untergang verantwortlich zu sein.

Es ist eine Schande und traurige Verantwortung der Verwalter der Öffentlichkeit. »

Die Behörden geben nach. Der Erzbischof lobt den verstorbenen Abt Roland und versichert, sich für die Anerkennung von König Luigi XIV einzusetzen und damit das Werk zu sichern.

Die offizielle Anerkennung des Königs kommt am 17 Februar 1679.

Johannes denkt, sein Leben wäre nun für immer an dieses Werk gebunden. Doch kaum kam die königliche Anerkennung ernannte der Erzbischof einen anderen Priester zum «Vorsteher der Schulen Bambino Gesù. » Gott ruft nicht den Priester La Salle an die Mädchenschulen.

 

Zwei Briefe öffnen die Zukunft

 

Dreißig Tage später im Monat März. Johannes Baptist begibt sich zu den Schwestern des Herz-Jesus-Kindes um die Messe zu feiern. Vor dem Haus stehen ein, zirka Fünfzigjähriger, mit einem schüchternen aber freundlichen Lächeln und ein fünfzehnjähriger Bub.

Dieser Mann ist Adrien Niel. Mit Hilfe von Frau De Maillefer hat er in Rouen Schulen für die armen Kinder eröffnet. Jetzt, kam er nach Reims und hat zwei Briefe von Madame Maillefer.

Ein Brief ist für die Oberin, Schwester Francoise Duval, der andere für La Salle. In diesen Briefen drückt sie ihre Bewunderung der guten Arbeit der Schwestern in Reims aus. Allerdings bedauert sie es sehr, dass es noch keine Schulen für die Buben gibt. Deswegen sendet sie den Lehrer Niel und dessen Gehilfe.

Sie bittet den Kanoniker ihnen bei der Eröffnung einer Schule für Buben behilflich zu sein. Das notwendige Geld wird sie zur Verfügung stellen.

Johannes Baptist reicht Niel und seinem Assistenten die Hand.

- Mit großer Freude helfe ich euch bei so einer wichtigen Arbeit.

Niel soll bei einem Bruder von Madame Maillefer, dem Abt Dubois, in Reims wohnen. Doch La Salle meint:

- Ich glaube es wäre besser, wenn ihr nicht bei Dubois Quartier nehmt. Er ist ein Freund von vielen Lehrer der «kleinen Schulen. » Wenn die von ihrem Kommen erfahren werden sie ihnen sofort den Kampf ansagen, aus Angst, dass sie ihnen die Schüler wegnehmen. Das öffnen von einer Schule wird dann sehr schwierig sein. Wohnen sie doch bei mir.

Mit seiner bekannten Ruhe und Ausdauer beginnt La Salle in den nächsten Tagen seine Arbeit. Er redet mit den Behörden und erklärt ihnen die tragische Situation der verlassenen Kinder in den Straßen von Reims und schlägt ihnen die Eröffnung einer Schule als «Versuch» vor. Nach drei Wochen hat er die Zustimmung Aller.

 

Karikaturen der Lehrer

 

13 April 1679. Der Pfarrer von San Michele, einem armen Volksviertel vertraut Lehrer Niel die Verwaltung einer Gratisschule für Buben an.

Die Klasse ist vollgestopft. Das ist ein gutes Zeichen.

Plötzlich sehen alle die Notwendigkeit Schulen zu eröffnen. Eine reiche Dame von Reims ist bereit in ihrem Bezirk eine Schule für arme Buben zu finanzieren. Andere folgen ihrem Beispiel. Innerhalb der nächsten sechs Monate werden fünf Schulen eröffnet für welche die Lehrer improvisiert werden müssen.

La Salle hat das große Problem vor seinen Augen: wo soll er die Lehrer finden? Diejenigen, die Arbeit und Lohn suchen sind meistens nur ein Abbild von Lehrern. Sie können mit den Kindern nicht umgehen und können gerade lesen, schreiben und rechnen. Nachdem sie keine Arbeit in der staatlichen Verwaltung und im Handelsgewerbe gefunden haben, betätigen sie sich als Lehrer.

Zu Beginn hat der Pfarrer von San Maurizio die Lehrer der neuen Schulen in seinem Haus untergebracht. Doch bald verlor er die Geduld mit diesen ungehobelten, lärmenden und oft betrunkenen Menschen. Er wollte sie unbedingt entfernen. Zu Weihnachten 1679 bringt Johannes Baptist die Lehrer in einem Haus in seiner Nachbarschaft unter. Er versucht ihnen eine gute Regelung zu geben, verbringt viele Stunden mit ihnen und diskutiert mit ihnen.

Bei diesen Gesprächen zeigt sich der große Unterschied zwischen dem Kanoniker La Salle und den Lehrern der damaligen Zeit. Johannes Baptist ist schon von den Ideen erfüllt, die ihn zum Gründer einer neuen Pädagogik ( = Erziehungswissenschaft) führen. Es ist eine andere Art die Buben zu verstehen und zu behandeln.

Für diese Lehrer, und die meisten ihrer Kollegen, sind die Kinder eher Tiere, welche gebändigt werden müssen. Sie sind keine Menschen mit Rechten und Pflichten. Nachdem sie sich selbst überlassen sind, müssen sie notwendigerweise, schlecht sein. Daher müssen ihnen «Zügeln» angelegt werden und sie mit Strenge, Schreien und Prügel erziehen.

Für Johannes Baptist ist der Bub etwas ganz anderes. Er ist ein Wesen welches geformt werden muss und dessen Unschuld gehegt und gepflegt werden muss. Er ist ein Kind Gottes und soll respektiert und geliebt werden. Der Bub ist nicht die Verzweiflung der Lehrer, sondern die «Hoffnung, die Freude und der Grund seiner Glorie. »

 

Das eigene Haus verlassen

 

Johannes Baptist möchte, dass Niel die Lehrer ausbildet. Die Schulen sind unnötig, wenn die Lehrer ungebildet sind. Doch Niel fühlt sich dem nicht gewachsen. Mit großer Begeisterung eröffnet er überall neue Schulen, hat aber weder die Autorität noch die Ausdauer «Lehrer der Lehrer» zu werden. La Salle macht sich daher große Sorgen. Wird dieses Problem nicht gelöst, dann sind die Schulen nur kleine Funken, die bald erlöschen.

Er begibt sich zu Pater Barré, erklärt ihm die Lage und fragt ihn:

- Wem übergebe ich die Aufgabe der Ausbildung der Lehrer?

- Niemanden - antwortet der Pater - das ist die Aufgabe die ihnen Gott übergeben hat.

Über diese Worte ist Johannes Baptist erstaunt, befolgt sie aber. Wenn dies der Wille Gottes ist, so befolgt er ihn.

Im Juni 1680 ziehen die Lehrer in den Palast von La Salle ein. Johannes Baptist isst mit ihnen gemeinsam, lebt mit ihnen, bildet sie besser aus und ermutigt sie sich ihren Beruf besser zu widmen. So wird er mit der Zeit, die treibende Kraft.

1681. Pater Niel verlässt die Gemeinde. Er folgt seiner Berufung als «Gründer» und begibt sich nach Guise um neue Armenschulen zu gründen. Jetzt liegt die ganze Verantwortung für die Schulen von Reims auf den Schultern des Kanonikers La Salle und es droht die Gefahr eines Sturmes. Geschwister und Verwandte haben die rauen Lehrer nur sehr unwillig in ihrem Palast aufgenommen. Sie haben sich ihrem Schicksal gefügt, denn sie dachten es wäre eine nur vorübergehende Lösung. Doch mit der Zeit werden sie immer unzufriedener.

Sie verlangen die Entfernung dieser Fremden.

24 Juni 1682. La Salle zieht gemeinsam mit den Lehrern aus dem Palast. Er verlässt für immer seine Familie. Im Stadtteil San Remigio hat er ein Haus gemietet und dort zieht er mit seinen Lehrern hin. Der 24 Juni wird auch heute noch als Geburtstag der «Brüder der christlichen Schule» gefeiert.

 

Wellen des Elends gegen die Polizeihindernisse

 

Nachdem er das Heer zu dem mächtigsten Europas verstärkt hatte, begann Ludwig XIV im Jahre 1680 wieder mit neuen Kriegen. Jahre hindurch sind die nördlichen Regionen von seinen «Handstreichen» betroffen. Auf Kosten der Nachbarländer will er Frankreich vergrößern.

Durchzug der Truppen und Kämpfe, sind die Folgen. Wieder strömen von den verwüsteten und verbrannten Feldern die Menschen in die Stadt.

Die Behörden haben die strenge Anweisung gegeben diese «Welle von Armen» aufzuhalten. Die Polizei an den Stadttoren zögert nicht von den Waffen Gebrauch zu nehmen. Meistens überrumpelt aber der Strom der Armen die Polizei und überschwemmt Straßen und Plätze.

Sie lassen sich vor Kirchen, Theater, Palästen und Schulen nieder. Laut schreien sich nach Almosen und umgeben oft drohend die Passanten.

Wieder beginnt der traurige Handel mit den verlassenen Kindern. Sie werden verkauft und zu Krüppeln geschlagen um das Mitleid der Menschen zu vergrößern.

Im Haus von San Remigio, in Reims, leben zirka zwanzig junge Lehrer mit La Salle. Die Gemeinde nimmt eine religiöse Lebensweise an. Nach der Schule treffen sie sich zum gemeinsamen Abendmahl und verbringen die Abendstunden in Gebet, Studium und Vorbereitung für den Unterricht.

Einige halten dieses Leben «als Mönche» nicht aus und verlassen die Gemeinschaft. Andere junge Lehrer aber, welche in der Gemeinschaft ausgebildet wurden ziehen aus um neue Schulen in Rethel, Laon und Guise zu gründen.

Von Monat zu Monat wird für alle die Armut größer. Der Krieg hat im Jahre 1684 die Ernte zerstört. Die Straßen sind von Bettlern überschwemmt.

Johannes Baptist prägt seinen Lehrern ein, Gott zu vertrauen. « Wir werden den Armen weiter dienen und die göttliche Vorsehung wird uns nicht verlassen. »

Einige junge Lehre fürchten aber für ihre Zukunft. Sie könnten bei Adeligen als Privatlehrer eine Stellung finden. Weiter in den Armenschulen zu unterrichten bedeutet keine Karriere zu machen.

Diese Worte klingen wie Peitschenhiebe. La Salle begreift aber das sie wahr sind. Wie kann er seinen Anhängern Mut einflößen in der göttlichen Vorsehung zu glauben, wenn er nicht auf seinen Reichtum verzichtet?

In den ersten Monate des Jahres 1684 verkauft er seinen ganzen Besitz, seine Grundstücke und den Familienschmuck. Mir Hilfe der Lehrer verteilt er den Gewinn an die Armen. Den ärmsten Schulkindern gibt er Geld für die Eltern. Sie bringen den Familien, die sich genieren ihre Armut in aller Öffentlichkeit zu zeigen, Hilfe.

Sie bereiten das Essen für die Bettler, die in der Stadt herum irren.

Johannes Baptist verzichtet auch auf sein Pfarramt. Er will kein festes Einkommen empfangen.

In der Reihe mit den Armen.

Wörter wie Peitschenhiebe.

 

Eines Abends liest und erklärt Johannes Baptist einen Ausschnitt aus dem Evangelium nach Matthäus:

«Und der Herr sagte: Sorgt euch nicht viel um das irdische Leben, weder um Speise und Getränk. Auch nicht um eure Kleidung. Seht ihr die Vögeln: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln das Futter nicht in der Scheune. Und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr nicht viel mehr wert?  Daher sorgt euch nicht zu sehr um den Morgen.

Einer der jüngsten sagt mit leiser Stimme: «Ja, das ist das Wort Gottes. Aber einer wie ihr seid, wie kann der das verstehen und lehren? Sie sind reich. Sie haben Paläste und Einkommen.

Als er keinen Besitz mehr hatte wollte Pater La Salle, so wurde er jetzt genannt, am eigenen Körper die Demütigung der Armen spüren. Einige Tage ging er mit den Ärmsten betteln. Er lebte von Brot und Wasser.

Jetzt konnte er, ohne zu erröten, von Armut sprechen. Er konnte seine Lehrer auffordern sich mit größerer Energie Gott zu widmen.

Im April beruft er die Unermüdlichsten und schlägt ihnen vor, ihr Lebe den armen Kindern zu widmen und in Ergebenheit, Armut und Keuschheit zu leben. Sie sollen auf eine eigene Familie verzichten, aber in Gemeinschaft leben und die, von Gott in ihre Schule geschickten armen Kinder, als eigene betrachten.

18 Tage zogen sie sich zurück um darüber nachzudenken.

Am 9 Mai legten sie vor Gott das Gelöbnis, gehorsam, arm und keusch zu leben, ab. Dann pilgerten sie zum Heiligtum der Madonna von Liesse. Sie erflehten die Kraft, nach ihrem Gelübde leben zu können.

Der 24 Juni sah die Geburt der ersten Gemeinschaft der «Christlichen Schulbrüder. Der 9 Mai 1684 sah ihre erste Weihe an Gott.

1685 ist ein sehr strenger Winter. Der Bürgermeister von Reims sieht die Lehrer jeden Morgen, unter Regen und Schnee, zur Schule gehen. Er verteilt ihnen den selben Mantel, welche die Bauern der Champagne, tragen. So entsteht aus Armut und Mitleid die Uniform der Brüder.

Johannes Baptist von La Salle hat für sich, das unbequemste Zimmer ausgesucht. Es liegt direkt unter dem Dach. Jeden Morgen, wenn er aufsteht, muss er aufpasse, um nicht mit dem  Kopf an den Dachbalken anzuschlagen. Das älteste Kleid gehört immer ihm. Er fühlt aber ein gewisses Unbehagen, denn er ist der einzige Priester unter den Brüdern. Er fürchtet ein Bevorzugter zu sein.

Er versammelt die Gemeinschaft um sich und legt eines Tages die Leitung nieder.

Er ersucht Bruder Henri L'Heureux die Generalleitung zu übernehmen. Henri ist von allen geehrt und durch die Überraschung, nimmt er an.

Er vertritt in den nächsten Tagen in der Schule einen kranken Bruder, und versieht die schwersten Arbeiten. Er ist glücklich.

Doch Bruder Henri ist von dieser plötzlichen Änderung nicht überzeugt. Er verständigt den Erzbischof und fragt um dessen Meinung. Ein von Mons. Le Tellier persönlich geschriebener Brief ist die Antwort: Pater La Salle wird gebeten seinen Platz sofort wieder zu übernehmen.

 

Verpflanzung nach Paris.

 

24 Februar 1688. Das Leben von Pater La Salle und seiner Brüder erfährt eine Wandlung. Aus Paris, gerade aus der Pfarre von Saint Sulpice, wo er die Straßenbuben sammelte, kommt das Ansuchen die Pfarrschule zu leiten.

200 Kinder sind in der Schule. Die Schulstunden verbringen sie in einem großen Saal. Den Rest des Tages arbeiten sie in einer Tuchfabrik. Ihr Lehrer war mons. Compagnon. Jetzt ist der arme Mann einem Nervenzusammenbruch nahe. Ein Zeuge schreibt: «Die Schule ist ein Chaos. Es gibt keinen Stundenplan und keine Disziplin. »

Gemeinsam mit zwei Brüdern begibt sich Pater La Salle zu Fuß nach Paris. Die Leitung von Reims übergibt er Bruder Henri.

Die Hauptstadt Frankreichs erscheint den drei Brüdern in ganzer Herrlichkeit und völliger Armut. Neben den reichen Kirchen und Palästen lebt eine Masse zerlumpter und schmutziger Menschen.

Der Pfarrer De La Barmondiere beherbergt sie in der Rue Princesse, neben der, ihnen zugewiesenen, Schule.

Pater La Salle sieht am nächsten Tag zweihundert magere, undisziplinierte und schlecht organisierte Kinder. Er teilt sie, je nach Alter und Intelligenz in drei Klassen. Er verkürzt drastisch die Arbeitszeit. Die Kinder sind überlastet. Der Stundenplan umfasst jeden Tag die heilige Messe, Religionsunterricht, Schreiben, Arithmetik, Lesen und viel Zeit um an der frischen Luft zu spielen.

Diese neue Methode und die Güte der Brüder verbrachten ein Wunder. Diese Straßenbuben verwandelten sich und verliebten sich fast in ihre Erzieher.

Die Änderung der Schule wurde schnell bekannt und die Schüler vermehrten sich. Pater La Salle wurde ersucht neue Klassen zu öffnen.

Verstärkung musste von Reims kommen. Er rief die besten Lehrer, darunter Bruder Henri, nach Paris. Tatsächlich war er von einer großen und endgültigen Entwicklung der Schulbrüder in Paris überzeugt.

Die Annahme war richtig, aber ungenau. Johannes Baptist wusste nichts von dem sich nahenden Unwetter.

 

Der Funken und das große Feuer.

 

Den ersten Anstoß gab der Priester Compagnon. Durch den Erfolg der Brüder war er gedemütigt und wollte sich durch die Verbreitung von Verleumdungen rächen. Er erzählte Schauermärchen über sie und beschrieb sie als unmoralische und gierige Menschen. Die Einzelheiten beschrieb er so genau, dass ihm viele Glauben schenkten. Der Pfarrer war darüber so erschrocken, dass er die Brüder entlassen wollte.

Einige Freunde berichteten Pater La Salle von diesen Verleumdungen. Bevor er noch gerufen wird, sucht er den Pfarrer auf und kündigt ihm den Rücktritt an. Pater La Barmondière erwartete einen verängstigten, von den Verleumdungen beleidigten Menschen, der zum Gegenangriff bereit war. Vor sich hat er aber einen ruhigen und ausgeglichenen Mann, den er mit Wohlwollen betrachten und ersucht ihn: « Wartet noch, ehe ihr die Schule verlässt. » Schon nach kurzer Zeit erweisen sich die Verleumdungen von Pater Compagnon als völlig falsch. Der Pfarrer von Saint Sulpice ist darüber so glücklich, dass er für die Brüder in Rue du Bac eine neue Schule eröffnet. Auch diese war nach wenigen Tagen von vielen Buben besucht.

Doch der Angriff von Compagnon war nur der erste Funken des großen Brandes.

Die «Lehrer der Schreibschulen» der Hauptstadt waren in einer Gewerkschaft vereint und verteidigten mit den Zähnen ihr Recht für ihren Unterricht bezahlt zu werden.

Im Jahre 1690 greifen die «Lehrer der Schreibschulen» neuerlich die Brüder an. In den Straßen von Paris veranstalten sie eine Massenkundgebung, nachdem sie erfahren haben, dass nicht nur mittellose Kinder die Schule in der Rue du Bac besuchten. Sie schreien es wäre eine Gemeinheit von den Brüdern, denn sie stehlen ihnen ihr Brot. Von den Worten gehen sie zu den Taten über. Sie begeben sich in die Rue du Bac, besetzen die Schule und zerstören alles. Dann zeigen sie die Brüder dem Gericht an und verlangen die offizielle Schließung der Schule.

Pater La Salle hat eine große Abneigung gegen Prozesse. Für das mein oder dein zu streiten ist ihm widerlich. Doch hier handelt es sich um das Recht der Armen und er wendet sich an das Parlament von Paris.

Er lässt sich, obwohl er viele in Paris hat, von keinem einflussreichen Freund unterstützen. Gemeinsam mit den Brüdern pilgert er zum Heiligtum der Madonna von Aubervilliers. Sie geben die abgewiesenen Kinder in den Schutz der Madonna. Dann begibt er sich ins Parlament und erklärt mit ruhigen Worten die Notwendigkeit die Kinder von der Straße zu nehmen. Das Parlament lehnt die Anzeige der «Lehrer der Schreibschulen» ab.

 

Die Stunden der Agonie.

 

Doch die Schwierigkeiten werden immer größer.

Von hohem Fieber ergriffen stirbt plötzlich Bruder Henri l'Heureux, der Pater La Salle zum Nachfolger bestimmt hat.

Die Pfarrer verlangen von den Brüdern in den eröffneten Schulen eine bestimmte Methode der Ausbildung der Schüler. Pater La Salle muss mit Gewalt sein Unterrichtssystem verteidigen.

Andere Schwierigkeiten entstehen durch die «jansenistische Bewegung», welche die Kirche Frankreichs spaltet. Der Jansenismus hat eine eigenartige Auffassung des christlichen Lebens. Die Jansenisten behaupten: « Gott gewährt nur wenigen, auserwählten Menschen die Rettung. Zu Gott sehe man nur mit Furcht auf. Kommunizieren darf man nur selten und erst nach einer genauen Gewissenserforschung. »

Papst Innozenz X verdammt die Bewegung, doch die Jansenisten berufen sich auf ein kommendes Konzil.

In Frankreich ist Pater La Salle bekannt und von vielen wird er sehr geschätzt. Die Jansenisten  rühmen ihn sehr, denn sie hoffen ihn für ihre Bewegung zu gewinnen. Kaum ist sich Pater La Salle dessen bewusst, erklärt er seine Treue an die katholische Kirche und fügt seiner Unterschrift die Worte «römischer Priester» bei. Diese Haltung löst die Opposition vieler Priester, darunter Bischöfe und Erzbischöfe, aus.

Im Jahre 1691 erreicht die Krise den Höhepunkt. Die Gemeinschaften von Laon, Guise und Rethel haben sich aufgelöst. Sechs junge Brüder sind durch Nahrungsmangel und schwerer Arbeit gestorben. Einige Brüder haben kapituliert. Seit Jahren gibt es keinen Nachwuchs. Es scheint, als wäre der Untergang der Kongregation unvermeidlich.

Pater La Salle ist verwirrt. Sind diese Schwierigkeiten ein Zeichen Gottes? Wäre es besser die Schulen zu schließen?

Aber er kann sich nicht mit dem Gedanken abfinden, dass seine Kinder wieder auf die Straße müssen und in Elend und Unwissenheit aufwachsen. Das kann nicht der Wille Gottes sein. Er reagiert mit großem Mut. Gemeinsam mit zwei Brüdern gelobt er Gott die Schulen nie zu verlassen auch, wenn er gezwungen ist von Haus zu Haus zu gehen um Almosen für den Unterhalt zu erbeten.

Im selben Jahr zeigt er noch einmal sein Vertrauen in die Zukunft. Im Vorort Vaugird, drei Kilometer von Saint Sulpice entfernt, erwirbt er einen alten Häuserblock. Hierher beruft er die Brüder zu Erholung und Besonnenheit ein. Im gleichen Jahr noch ersuchen sechs junge Menschen um Aufnahme in die Kongregation. Das ist die Überraschung Gottes nach den Stunden der Qual.

Das Haus in Vaugirard verwandelt sich in ein Noviziat. Von nun an fehlt es nie mehr an Nachwuchs.

 

Die Zeit der «Hexen»

 

Krieg und Hungersnot wüten auch weiterhin in Frankreich.

Zwischen 1686 und 1697 wütet der blutige Krieg gegen «die Lega von Augusta. » Dieser Krieg brachte Frankreich, Deutschland und Holland an den Rand des totalen Unterganges.

1700 beginnt der «Spanische Erbfolgekrieg», der 14 Jahre dauert.

Diese Epoche wird als die Zeit der «Hexen» in Erinnerung bleiben. Die lange Regierungszeit des Sonnenkönigs endet in einem Meer von Blut und Ruinen.

Die Heere durchziehen plündernd die Städte von ganz Europa. Hinter ihnen bleibt Verzweiflung, Hunger und Seuche.

Ein Historiker schreibt: «Der Durchzug eines Heeres bereitete durch die Verbreitung der Krankheiten größeren Schaden als durch Verwüstung und Mord. » Spanien, Deutschland, Schweiz, Holland, Norditalien, Österreich und Nordfrankreich sind durch Pest und Cholera zerstört.

Das Heer setzt sich aus Heimatlosen zusammen, welche aus allen Volksschichten kommen.

Ein anderer Historiker schreibt: «Sie wissen nicht für wem und warum sie kämpfen. Um die Disziplin aufrecht zu erhalten ist Peitsche, Bestrafung und Gewalt notwendig. Außerhalb des Dienstes genießen sie jedoch völlige Freiheit. Sie erhalten keinen Lohn und daher wird das Motiv «der Krieg lebt vom Krieg» angewendet. »  Jeder muss für sich selbst sorgen. Diebstahl, Plünderung und Zerstörung wird von den Soldaten als selbstverständlich angesehen. Jeder Soldat hat Frau und Kinder bei sich und ein Heer von 30 - 40.000 Soldaten hat oft 100.000 Menschen hinter sich. Eine Menschenmasse von Frauen, Kindern, Müßiggängern und Verbrechern. Ein schreckliches Schicksal erfahren Orte und Personen von diesen Truppen. »

 

Hacke und Feder

 

In Vaugird sorgt Pater La Salle persönlich für die Ausbildung der Novizen. Er erinnert sie an die Worte Vinzenz de' Paoli: «Wie die Armen leben, um die Armen zu verstehen. » Er will, dass sie persönlich die Armut fühlen.

Mit einem breiten Hut, gegen die Sonne und einem verbleichten Gewand arbeitet er, von den Schülern umgeben, im Gemüsegarten, kehrt und putzt.

Die Winter sind streng. In die kalten Zimmer dringt durch tausend Ritzen Wind, Regen und Schnee.

Die Verpflegung ist die der Armen. Zeitig verlässt jeden Tag ein Novize das Haus mit einer großen Tasche auf dem Rücken. Mit den Resten der Gemeinschaft der Rue Princess, Rue du Bac, des Seminars und einiger Bürger kehrt er zurück. Das Eintreffen der Tasche ist die Essenszeit. Was sie enthält kommt auf den Tisch.

In diesen Jahren der Armut und Besonnenheit beginnt Pater La Salle die Bücher zu schreiben, welche die Grundlagen seiner Kongregation bilden.

Die Anordnungen zeichnen die geistliche Physiognomie der christlichen Schulbrüder welche sich durch Prüfung, Leid und Überlegung gebildet haben.

Die Schulregel wächst aus der langjährigen Erfahrung und der ganzen Liebe, welche Johannes Baptist seinen armen Kindern schenkt. Er setzt die Richtlinien der «Erziehungsmethode» für seine Mitbrüder fest. Diese «Methode» revolutioniert die Schulen Frankreichs und ganz Europas. Die körperliche Bestrafung der «Schreiblehrer» wird endgültig abgeschaffen.

Es bildet sich die Figur eines Erziehers, welcher sein Leben der Person «Kind» widmet. Das Kind verdient Ansehen und Aufmerksamkeit.

Für die Brüder schreibt er tiefsinnigere Bücher. Die Meditationen über die Mission der christlichen Erzieher zeichnen einen genauen Überblick der Mission des Lehrers. Er ist derjenige, der das «Wort Gottes» weitergibt. Um es weiterzugeben muss es in ihm tiefe Wurzeln gefasst haben. Er muss, verstehen, lieben und verwirklichen. Nur wer es versteht, kann es verständlich machen. Nur wer es liebt, kann die Liebe weitergeben. Nur wer es verwirklicht, kann lehren die Verwirklichung anzuwenden. Die Brüder verzichten auf das Priesteramt um das Wort Gottes in den Schulen zu verbreiten. Die Brüder sind «christliche Erzieher. » Christliche Erziehung bedeutet für La Salle die Jugendlichen durch Gebet zu Gott führen, damit sie in seinem Glanz leben und in ihm Hoffnung und Freude sehen.

 

Unter den jugendlichen Verbrechern von Chartres

 

Die Jahre nach der Stiftung von Vaugirard sind für die Brüder erfolgreich.

Ihr Wirken wird von vielen Seiten erfordert.

Doch Pater La Salle hat es nicht eilig. Er braucht auserwählte und gebildete Berufene. Er braucht Leute mit großer Berufung. Erst, als er sechzig gut vorbereitete Mitarbeiter um sich, hat denkt er daran sein Betätigungsfeld auszudehnen.

Er eröffnet zwei Schulen für die Ausbildung der Lehrer. Dann denkt er an eine andere Schulart und zwar an sonntägliche Berufsschulen. Arbeiter und Jugendliche zwischen 16 und 20 Jahren welche die Grundschule nicht besuchen konnten, können hier ihr Wissen erweitern und die technische Basis ihres Handwerkes erlernen. Die erste Berufsschule von Paris wird von 200 jugendlichen Arbeitern besucht.

Das ist der erste Versuch einer «Berufsschule. » In den kommenden Jahrhunderten bilden sich daraus die «technischen Schulen», «Schulen für Kunst und Handwerk«, «Fachschulen. »

In Chartres bilden die Kinder richtige Banden und sind das Übel der Volksviertel. Streit, organisierter Diebstahl und Kriminalität sind an der Tagesordnung. Der Bischof Godet, ein Schulkollege und Freund von Johannes Baptist, bittet ihn seit fünf Jahren doch Brüder in das Viertel zu senden. Pater La Salle weiß, das dies eine harte Arbeit wird und sendet erst am 8 Juli 1699 sieben Brüder. Doch die gute Arbeit erreicht schon nach wenigen Monate die ersten Früchte.  Die Gassenjungen entwickeln sich zu vernünftigen Kindern, die spielen wollen, sich aber ernstlich auf das Leben vorbereiten.

Auch Calais ruft die Brüder. Vier von ihnen öffnen dort eine Schule für die Kinder der Matrosen.

1701: Pater La Salle ist fünfzig Jahre alt und vollbringt eine mutige Tat. Er schickt zwei Brüder nach Rom um eine kostenlose Volksschule in der Stadt der Päpste zu eröffnen. Dies ist eine klarer Beweis der Treue an der Kirche und ein entscheidender Schritt das Werk der Brüder auch in anderen Ländern zu verbreiten. Er gibt das ganze Geld der Gemeinde, zweihundert Franken, den Brüdern Gabriel und Gérard. Die lange Reise von 1200 km, legen sie fast völlig zu Fuß zurück. Sie müssen betteln um die Reise zu überleben.

Die Eröffnung der ersten Gründung in Italien wird sich als göttliche Vorsehung erweisen. Am Ende des Jahrhunderts zerstreut die Französische Revolution die Brüder. Die italienischen Gründungen retten sie aber vor dem völligen Untergang.

 

Die letzten Lebensjahre.

 

Jetzt hatten sich die Brüder vermehrt und Pater La Salle wusste, dass die letzte Arbeit begonnen war. Die folgenden Jahre würden schwere Arbeit und immer größere Schwierigkeiten bringen. Sein Werk muss die Zeit herausfordern.

In den wenigen Seiten, die wir noch zur Verfügung haben, können wir die nächsten 17 Jahre seines Lebens nicht genau beschreiben. Wir werden nur die größten Werke und Schwierigkeiten erwähnen.

Herbst 1702. In Paris bricht ein heftiger Kampf gegen die Brüder aus. Nach entsetzlichen Verleumdungen entbindet der Erzbischof Pater La Salle seines Amtes als Vorsteher und schickt einen jungen und unbekannten Priester nach Vaugirard.

Es folgen dramatische Zeiten. Die Brüder wollen die Kongregation verlassen. Pater La Salle bittet sie kniend doch nicht die Arbeit  für die armen Kinder aufzugeben. In dieser schweren Stunde nehmen die «Lehrer der Schreibschulen» ihren Kampf wieder auf. Sie schicken die Polizei um die Schulen der Brüder zu beschlagnahmen.

Februar 1704. Pater La Salle ist 53 Jahre alt. Seine Stirne ist voll mit Falten und seine Haare sind weiß. Das große Werk, das Wort Gottes den Gassenbuben zu verkündigen, scheint zu scheitern.

Aber die Hoffnung zu überleben ist in einem Brief mit roten Sigeln aus Rouen kommend, enthalten. Bischof Colbert bittet die Brüder vier Schulen in dieser Stadt zu leiten.

Einige Brüder reisen ab, während die Schwierigkeiten in Paris sehr groß sind. Die Aufnahme in Rouen ist nicht die erwünschte. Aus den Straßen lacht und scherzt das niedrige Volk über diese Pariser mit den Bauernmänteln. Doch der Erzbischof umart sie alle und ermutigt sie: «Auch Christus war verachtet und trotzdem wirkte er nur Gutes. »

Innerhalb weniger Monate gedeihen die Schulen. Die Leute lachen nicht mehr über die «Bauernmäntel», sondern grüßen respektvoll.

Pater La Salle kommt nach Rouen. Wenige Monate später wird die Direktion der Kongregation und das Novizeninternat in das Schloss von Saint-Yon verlegt.

Bruder Barthélemy ist der Lehrer der ersten sechs Schüler in Saint-Yon. Er ist ein kränklicher Priester, aber mit hellem Geist und einem starken und gütigem Gemüt.

 

Maskierte Ritter holen einen jungen Verbrecher

 

In den Gefängnissen von Rouen sind Kinder. Verhaftet die Polizei diese jugendlichen Verbrecher, dann kommen sie in die Zellen, in denen auch die eingefleischten Verbrecher sind. Die Zellen verwandeln sich in ausgesprochene Schulen für Verbrecher.

Pater La Salle erfährt von diesen Zuständen und ersucht das Gericht diese Kinder im Saint-Yon unterbringen zu dürfen. Man schickt ihm die Kinder.

Er errichtet für sie Werkstätten für die Bearbeitung von Holz und Eisen. Auch eine Kunstholztischlerei und eine Landwirtschaftsschule.

Von der Langeweile der Gefangenenzelle an die frische Luft und an die Arbeitsbänke. Das ist ein gesunder Sprung. In kurzer Zeit werden viele Kinder die besten Arbeiter. Ein Augenzeuge berichtet: «Die meisten kehren in die Gesellschaft zurück und machen dem Haus nur Ehre, da sie ehrliche Menschen sind. »

Pater Salle kann die interessante und traurige Begegnung mit  einem jugendlichen Verbrecher nicht vergessen. Der Sohn eines Prinzen war schon mit 17 Jahren ein Verbrecher. In der Nacht flüchtete er und vollbringt alle möglichen Schandtaten.

Verhaftet endet er in Saint-Yon. Und hier begegnet er Pater La Salle. In den ersten Tagen lacht er über dessen Gutmütigkeit, verlangt aber immer mit ihm zu sprechen. Und eines Tages ersucht er ernstlich um Aufnahme in das Noviziat.

«Dazu, brauchst du die Genehmigung deiner Eltern. Aber wenn du willst, kannst du versuchen wie sie zu leben» - war die Antwort.

Der junge, ehemalige Verbrecher zeigt auch tatsächlich seine innere Verwandlung. Er fegt die Flure, arbeitet in der Küche und bittet immer um noch schwerere Arbeit. Viele Stunden verbringt er im Gebet in der Kappelle.

Briefe gehen an die Eltern ab, doch die Antworten sind erst ausweichend und fallen später völlig aus. Nach einigen Monaten schreibt La Salle selbst an die Eltern. Würde keine verneinende Antwort kommen, dann nimmt er den Jungen auf und würde ihm erlauben, die Gelübde abzulegen.

Kein Brief kommt. Statt dessen kommt eine geschlossene Kutsche von maskierten Reitern begleitet. Sie ergreifen den Jungen, stoßen ihn in die Kutsche und galoppieren davon. Der Familie war ein Verbrecher lieber, als ein Klosterbruder. Zwei Jahre später wird er durch einen kurzen Brief informiert, dass der junge Prinz, von unerklärlicher Krankheit befallen, gestorben ist.

 

Der strengste Winter von Frankreich

 

Ganz Europa leidet unter den Folgen des «Spanischen Erbfolgekrieges. »

1704. Die französische Armee wird bei Hochstadt von den deutschen Soldaten, unter der Führung von Prinz Eugen von Savoyen und den Engländern unter Marlbotough besiegt. Die Franzosen sind gezwungen Deutschland zu verlassen.

Mai 1706. Neue fürchterliche Niederlage bei Ramillies. Die Franzosen müssen von Belgien abziehen.

September 1706. Neue schwere Niederlage vor den Toren von Turin durch die kaiserliche Armee von Prinz Eugen von Savoyen. Nach Verlassen von Piemont müssen sich die Franzosen in ihrer Heimat verteidigen.

1708 neue Niederlage bei Oudenarde und dann der strenge Winter. Vielleicht der strengste den Frankreich kennen lernte. Die Armut erreicht den Höhepunkt. Man stirbt aus Hunger und Kälte. Hungrige und Arbeitslose begeben sich nach Versailler. Aufstände und Selbstmordepidemien brechen aus.

Auch im Haus von Saint-Yon regiert in diesem Winter der wahre Hunger. Er entmutigt und stürzt alle in Verzweiflung. Pater La Salle wiederholt, in diesen Stunden der Ungewissheit immer wieder: «Gott sei gelobt. »  Er denkt aber ernsthaft daran die Schulen zu schließen. Seine Brüder haben nicht mehr die Kraft den Unterricht zu leiten und die verzweifelten Kinder betteln um Brot und zittern vor Kälte. An Lungenentzündung sterben die Schwachen.

Doch auch dieser entsetzliche Winter endet. Der Frühling bringt, obwohl der Krieg nicht beendet ist, neue Hoffnung.

 

Die lange Reise in den Süden

 

Februar 1711.  La Salle übergibt die Direktion Bruder Barthélemy und begibt sich zu Fuß nach Südfrankreich. Er will die dort errichteten Bruderhäuser besichtigen.

Mit Achtung und Verehrung wird er in Marseille aufgenommen und verbleibt hier einige Zeit. Von hier will er nach Rom reisen. Mit seinem ärmlichen Handgepäck bereit, erreicht ihm Bischof Belzunce im Hafen. Dieser fleht ihn an: «Bleibt hier. Wir brauchen euch in Frankreich. »

Über die Alpenstraße erreicht Pater La Salle Grenoble. Die Brüder arbeiten hier schon seit sechs Jahren und empfangen ihn mit großer Freude.

Pater La Salle ist müde und ersucht die Brüder um die Möglichkeit einer spirituellen Einkehr.

Er begibt sich in das Kloster San Bruno. Er gibt sich nicht zu erkennen und ersucht um eine abgelegene Zelle in der er einige Tage in Frieden und Gebet verbringt.

Im August 1714 kehrt er in den Norden zurück. Er ist gealtert, müde, doch seine Augen leuchten und er nimmt wieder seine Arbeit auf.

 

Der Karfreitag von Johannes von La Salle

 

April 1716: Johannes Baptist von La Salle ist 65 Jahre alt. Seine Brüder feiern ihn und einige Abgeordnete kommen von Paris um ihm zu danken für all das Gute, das er für Frankreich tut.

Er antwortet mit ruhigen aber bedächtigen Worten: «Ich gestehe euch. Hätte mir der Herrgott, gemeinsam mit den Wohltaten die das Institut brachte auch die Schmerzen und Schwierigkeiten gezeigt, die ich, ertragen musste, hätte mir der Mut gefehlt. Ich hätte dieses Werk nie begonnen. »

16 Mai 1717. Pater La Salle beruft die Verantwortlichen der Kongregation nach Saint-Yon.

Er überzeugt sie seinen Nachfolger zu wählen.

«Wir sind die einzige Kongregation der Kirche, die nur aus Laien besteht. Nach meinem Tot könnte passieren, dass die Behörden einen, dem Institut fremden, Priester als Vorgesetzen einsetzen. Dies könnte schwere Folgen haben, da er unseren Geist nicht kennt und unsere Arbeitsweise nicht verteidigen würde. Deswegen flehe ich euch an: vergesst mich und wählt meinen Nachfolger aus eurer Mitte. » So erklärt er ihnen seinen Wunsch.

Aus der geheimen Wahl ging Bruder Barthélemy hervor.

Von nun an war Johannes Baptist von La Salle ein Beispiel der Gehorsamkeit für alle. Wie, jeder Bruder holte er die Genehmigung des Vorstehers ein. Seine Zeit verbrachte er mit der Niederschrift seiner letzten Bücher, unterrichtete die Novizen und verbrachte lange Zeit im Gebet. Wenn es ihm seine Gesundheit erlaubt begibt er sich in den Schulhof zu den Kindern. Es bereitet ihm große Freude die Kinder beim Spiel zu betrachten.

Für sie hat er sein Leben verbraucht.

Er starb am Nachmittag des 7. April 1719. Es war ein Karfreitag. In seinen letzten Minuten half ihm Bruder Barthélemy das Gebet zu sprechen, welches die Brüder jeden Abend wiederholten: « Heilige Maria, Mutter Gottes, Mutter von ihm der verz  eiht, beschütze uns vor unseren Feinden und nimm uns im Tode auf. »

Papst Leo XII sprach von La Salle im Jahre 18888 selig und 1900 heilig.

Im römischen Heiligenkalender liest man am 15 Mai: «Rouen, Hl. Johannes Baptist von La Salle Beichtvater: hebt sich durch die Ausbildung besonders der mittellosen Kinder hervor; durch die Gründung der christlichen Schulbrüder hat er Lob, seitens der Kirche und der Menschheit verdient. »

 

Berninis Altar hat ihn unter seinen Heiligen gesehen und die große Basilika hat ihn unter ihren Gründern aufgenommen. Sein Körper wurde von Volk und Jugend feierlich empfangen und ruht jetzt in einer goldenen Urne. Die Brüder der christlichen Schulen freuen sich über die Erfüllung des Gelübdes ihres Vaters.

 

1950 erklärte Papst Pius XII Johannes von La Salle Schutzpatron der Lehrer und Erzieher.

Diese neue Anerkennung zeichnet den Heiligen besonders aus und bereitete den Brüdern eine neue Freude. In dem päpstlichen Brief wird er als «durch Heiligkeit und Intelligenz hervorragender Mann» und «geehrter Vorläufer» genannt. Alle, die sich der Erziehung und Ausbildung der Jugend widmen, sollen seinem Beispiel folgen.

Die Brüder der christlichen Schulen bekräftigen immer wieder die Lehre ihres Gründers.

 

 

 

 

 

DAS INSTITUT DER BRÜDER DER CHRISTLICHEN SCHULE

  • Die, von Johannes Baptist gegründete, Institution hat sich auf der ganzen Welt verbreitet
  • Die Brüder widmen sich der Erziehung der Kinder, Jugendlichen und in gewissen Fällen auch der Erwachsenen. Derzeit leiten sie in 82 Ländern mehr als 2.000 Institute, die von 950.000 Schülern besucht werden.
  • Zirka 50.000 Erzieher und Mitarbeiter arbeiten gemeinsam mit 7.500 Brüdern in den Schulen, Internaten und anderen Erziehungszentren. Sie teilen mit ihnen die Mission welche ihnen Gott und die Kirche auferlegt hat: die Schüler sollen eine völlige Ausbildung als Mensch, Staatsbürger und Christ erhalten.
  • Die von La Salle gegründeten Schulen umfassen alle Niveaus der Ausbildung. Kindergarten, Volks- und Mittelschulen, Gymnasien, Berufsschulen und Universität.

Diese pädagogische Arbeit wird in allen Volksschichten ausgeübt, mit besonderer Rücksicht auf Arme, Länder mit großer Armut, Kinder und Jugendliche mit besonderen Schwierigkeiten, usw.

  • Die Brüder berücksichtigen besonders die Missionsländer, besonders Asien und Afrika.
  • Die Karte zeigt die Länder in denen die Schulbrüder arbeiten.

 

Casa Generalizia

Fratelli delle Scuole Cristiane

 

via Aurelia, 476

00165 Roma

tel. 06.665231 Fax 06.6638821

 

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