Mutter Teresa von
Kalkutta
Aus dem Buch: Mutter der Nächstenliebe von LUSH GJERGJI, Ausgabe VELAR
Jeder Mensch wird in einer Familie geboren. Diese kann gut, vorbildlich,
mittelmäßig oder schlecht sein. Sicher ist die Familie von großer Bedeutung und
entscheidender Wichtigkeit für das ganze Leben, auch wenn wir uns dessen nicht
immer bewusst sind. Fast jeder trägt das Bild des Vaters, der Mutter und der
Geschwister im Herzen. Einen großen Einfluss hat auch das soziokulturelle,
religiöse, erzieherische und intellektuelle Milieu, die jedem eine besondere
Prägung gibt. Deswegen ist es sehr wichtig, das familiäre und soziokulturelle Milieu
in dem Ganxhe Bojaxhiu aufwuchs, zu kennen.
Wer war also Ganxhe Bojaxhiu? Es ist Mutter Teresas Vor- und Zuname.
Die katholische Familie Bojaxhiu war eine Familie von Kaufleuten, deren
Geschäfte bis nach Misir in Ägypten reichten. Eine Minderheit blieb in Prizren
und anderen Orten, wie zum Beispiel Skopje. Auch wenn sie in verschiedenen
Orten verstreut lebten, waren sie immer vereint und führten die religiösen und
kulturellen Traditionen fort. Wieso hat sich die Familie so verstreut?
Sicherlich waren es geschäftliche Gründe, aber auch Epidemie und die Verfolgung
von Seiten der Türken. Nach einer Überlieferung, haben die Türken die katholischen
Familienväter zu einem Abendessen versammelt und, wie zu der Zeit ihr Brauch
war, auf grausamste Art getötet.
Mutter Teresas Familie setzte sich aus dem Vater Kolë, Mutter Drane, dem
Sohn Lazër, der in Palermo lebte und dort 1981 starb, Age der älteren Schwester
und Ganxhe der Jüngsten, zusammen.
KOLË BOJAXHIU
So beschreibt Lazër seinen Vater:
"Mein Vater Kolë war ein sehr bekannter Kaufmann. Zu Beginn
arbeitete er mit Dr. Sueskalovic zusammen, der damals einer der bekanntesten
Ärzte von Skopje war und den er sehr schätzte. Höchstwahrscheinlich haben deswegen
viele Chronisten meinen Vater für einen Apotheker oder Drogisten gehalten, da
er mit einem Arzt zusammenarbeitete und Medikamente verkaufte. Er war aber
Kaufmann und Unternehmer. Gemeinsam mit einem Freund besaß er ein bekanntes
Bauunternehmen in Skopje. Er besaß einige Häuser und Villen. In einer wohnten
wir. Solange er lebte, hatten wir ein angenehmes und ruhiges Leben. Er war ein
sehr leutseliger Mann und daher war unser Haus für alle offen. Später lernte er
einen sehr reichen Venezianer, Herrn Morten kennen, der mit verschiedenen Waren
handelte wie Öl, Zucker, Stoffen, Pelzen, das was man halt "Kolonialwaren"
nennt.
Mein Vater hat sich mit ihm zusammengeschlossen und damit begannen seine
Reisen durch ganz Europa. Nach der Rückkehr wollte er uns alle um sich und
erzählte uns ausführlich was er gesehen, gemacht und geplant hatte. Er brachte
uns auch viele Dinge mit. Das Schönste, aber waren seine Reiseerzählungen. Er
sprach oft und gerne mit meiner älteren Schwester Age, während meine Mutter
Drane mit mir und Ganxhe sprach.
Mein Vater war ein strenger Mann und verlangte sehr viel von uns. Ich
erinnere mich, dass er, am Abend nach Hause kommend, mich aufweckte und fragte,
ob ich auch brav war. Er hörte das Einmaleins ab, prüfte die anderen
Schulaufgaben und wiederholte immer: "Vergesst nicht, wessen Kinder ihr
seid". Ich erinnere mich mit Freude seiner Freizügigkeit.
Allen schenkte er, ohne sich bemerkbar zu machen, Lebensmitteln und Geld.
Manchmal schickte er auch mich um Geld, Kleidung, Nahrungsmitteln und andere
Hilfe den Armen unserer Stadt zu bringen. Dabei sagte er immer: "Ihr müsst
großzügig sein, weil Gott mit uns großzügig war und auch heute noch ist. Er hat
uns viel gegeben, daher tut allen Gutes". Eine achtzigjährige, Frau
Markoni, kam oft zu uns. Sie trank Kaffe und Schnaps und blieb zum Mittag- oder
Abendessen.
Mein Vater sagte uns: "Nehmt sie liebevoll auf, sie ist arm und
verlassen. Sie hat niemanden".
Auch Mutter Teresa erinnert sich gerne ihres Vaters. Hier eine Erzählung
von Mutter Teresa:
"Vater Kolë sagte mir. "Liebe Tochter, nimm nie einen Bissen an,
wenn er nicht mit anderen geteilt ist!" Oder: "Der Egoismus ist eine
Krankheit die dich zum Sklaven macht und nicht erlaubt mit anderen zu leben
oder zu dienen"."
Die Familie Bojaxhiu war nicht nur materiell gesehen reich, sondern auch
gottgefällig. Sie nahmen die Armen und Notleidenden auf. Viele Bewohner von
Skopje haben die Großherzigkeit dieser Familie kennen gelernt. In einigen Teilen
Albaniens sagt man auch heute noch: " du bist großzügig wie die Familie
Bojaxhiu".
Dieses Familienleben hat im Herzen, der jungen Ganxhe einen reifen Boden
gefunden. In ihrem Herzen behielt und behütete sie alles was sie in ihrer
Familie sah, hörte und erlebte. Diese Erfahrungen erblühten im Leben und in den
Werken von Mutter Teresa.
Lazër erzählt weiter:
" Mein Vater gab mit oft Geld, oder Lebensmittel oder Kleidung und
sagte mir: "Geh zu dieser Familie, aber mache dich nicht bemerkbar. Findest
du die Türe oder das Fenster offen, lass unsere Gabe dort und laufe schnell
weg". Age, Ganxhe und ich, haben
das oft getan. Mein Vater wollte unbemerkt helfen. Er hatte den evangelischen
Vers vor sich: " Wenn du aber Almosen gibst, so soll deine Linke nicht
wissen, was die Rechte tut; damit dein Almosen im Verborgenen sei, und dein
Vater, der im Verborgenen sieht, wird dir vergelten" (Matt. 6,3)".
Durch dieses Verhalten war die Familie Bojaxhiu bekannt und von allen
geehrt. Besonders Kolë war ein angesehener Mann der Stadt Skopje. Er hatte
viele gute Pläne und fortschrittliche Ideen. Er unterstützte die Pfarrschule,
den Unterricht, die Kultur. Zu jener Zeit schickte fast niemand, besonders
nicht die Mädchen zur Schule, da diese unter dem negativen Einfluss der
islamischen Auffassung stand, dass die Frauen den Männern unterstanden wären.
Kolë Bojaxhiu hatte aber auch hier klare, christliche und fortschreitende Ideen
und ließ sich von der Tradition nicht beeinflussen. Nicht nur Lazër studierte,
sondern auch Age und Ganxhe, um den anderen ein Beispiel zu geben.
Aktiv beschäftigte er sich mit der Politik und kämpfte um die Befreiung von
den Türken. Er war Mitglied des Gemeinderates der Stadt Skopje und gerade die
Politik kostete ihm das Leben. Mit anderen Mitgliedern musste er zu einer
wichtigen Versammlung nach Belgrad. Mit ihm war auch der Sekretär des
italienischen Konsulates, Toma Baldini. Er wurde vergiftet. Als er heimkehrte
war er in einem schlechten Zustand. Seine letzten Worte, an die Gattin Drane gerichtet,
waren. "Sorge dich nicht, es wird alles gut werden. Alles ist in der
Hand Gottes. Drane, ich bitte dich, sorge für unsere Kinder. Ab heute gehören
sie dir und Gott".
Gegen 20 Uhr 30 überführten sie ihm in das Spital. Am nächsten Morgen wurde
er, erfolglos, operiert. Am nächsten Tag starb er an Blutsturz, wie Doktor
Seueskalovic bezeugte. Niemand wagte es aber zu sagen. Es war Herbst 1918. Die
Leute weinten, denn sie wussten, dass sie den Vater der Armen verloren hatten.
Durch den Tod Kolës brach die Verbindung mit Mortem ab, die Handeltätigkeit
ging zurück und damit auch der ökonomische Wohlstand der Familie. Durch das
schwere Erdbeben im Jahre 1964 sind die Spuren der Familie Bojaxhiu
ausgelöscht. Das Wohnhaus wurde schwer beschädigt und an dem Platz befindet
sich heute ein großer japanischer Supermarkt. Auch der Friedhof wurde
beschädigt und die sterblichen Überreste Kolës wurden, mit allen Verstorbenen
in eine Gemeinschaftsgrab gelegt. Der große Mann, Patriot und Bauherr, der
Vater der großen Mutter Teresa hat nicht einmal ein Grab, eine Inschrift, eine
Gedenkstelle, ein Denkmal.
Drane Bojaxhiu
Drane ist Ganxhes Mutter. In Novorile, nahe bei Gjakova (Kossovo) wurde sie
geboren. Sie stammte aus wohlhabendem Haus.
Im Alter von zwanzig Jahren heirate sie Kolë Bojaxhiu nach dem
traditionellen Brauch, nicht aus Liebe, sondern durch Familienabkommen. Es
wurde eine glückliche Ehe die eine vorbildliche Familie zeugte.
Lazër vertraute mir dieses Detail:
" Ich sah meine Eltern nie streiten. Sie waren immer für eine
Aussprache und für uns Kinder bereit. Mutter Drane lebte für uns Kinder und kümmerte
sich um den Haushalt, während Vater Kolë außerhalb des Hauses viele Verpflichtungen
hatte. Er hatte aber großes Vertrauen in der Mutter und in uns".
Auch Mutter Teresa sagte:
"Ich könnte meine Mutter nie vergessen. Tagsüber war sie schwer
beschäftigt, doch wenn es auf den Abend zuging, beeilte sie sich mit ihrer
Hausarbeit um Vater herzlich zu empfangen. Damals haben wir das nicht
verstanden und lachten und scherzten darüber. Heute denke ich immer wieder an
diese Zärtlichkeit. Was immer auch geschah, sie war bereit ihn mit lächelndem
Gesicht zu empfangen".
Viele Dinge änderten sich mit dem Tod des Gatten Kolë. Jetzt musste sie
arbeiten, erziehen und die Last der Familie allein tragen. Als gute Katholikin
legte sie sich völlig in die Hand Gottes und versuchte immer, auch unter diesen
schwierigen Zeiten, ihren Kindern nahe
zu stehen und sie gesund und glücklich aufzuziehen. Sie musste Tag und Nacht arbeiten.
Sie nähte Brautkleider und Trachten für nationale, religiöse und Familienfeste.
Lazër erinnert sich so an sie:
" Meine Mutter war eine starke, felsenfeste Frau aber gleichzeitig
mild, generös und barmherzig den Armen gegenüber. Sie war sehr religiös. Ich
glaube Ganxhe gleicht sehr unserer Mutter, ich
entdecke in ihr immer wieder die gleichen Eigenschaften. Mutter hielt das Haus in Ordnung
und erzog uns, mit wenigen Worten, aber mit vielen Beispielen. Es durfte uns an
nichts fehlen. Ich erinnere mich besonders an ihren Glauben. Gemeinsam beteten
wir jeden Abend. Im Mai gingen wir immer zum Rosenkranzgebet und zum Segen in
die Kirche".
Lazër erinnert sich noch:
"Alle Jahre brachte uns unsere Mutter nach Letnica. Ganxhe und Age
fuhren einen Monat früher ab. Ganxhe war kränklich, sie litt an Keuchhusten und
Malaria. In Letnica heilte sie völlig. Mutter sorgte sich sehr um uns und sagte
uns immer:
Ich gebe euch alles, fragt, verlangt, aber auch ich verlange, dass ihr gut
und Vorbild für alle seid".
Wenn sie auch nicht mehr so reich, wie vor dem Tode Kolës waren, lebte die
traditionelle Aufmerksamkeit für Arme, Waisenkindern und Notdürftigen in der
Familie Bojaxhiu fort.
Eine direkte Bestätigung dafür, von Mutter Teresa:
"Viele Arme aus Skopje und Umgebung kannten unsere Tür. Nie, ist
jemand ohne Gaben von uns weggegangen. Jeden Tag war ein Gast beim Mittagessen.
Zu Beginn fragte ich meine Mutter: wer ist das? Und sie antwortet mir: einige
sind Verwandte und die anderen gehören auch zu uns. Später habe ich begriffen,
dass es Arme waren, die meine Mutter ernährte".
Lazër erzählte mir einige, ergreifende und wohltätige Einzelheiten:
"Lor Gèzuri hatte seine siebzigjährige Mutter verlassen. Einmal in der
Woche ging unsere Mutter zu ihr und brachte ihr das Essen und machte die
Hausarbeit. Oft hat Ganxhe sie begleitet. Vor meinen Augen sehe ich noch eine gewisse
File, eine Trunksüchtige, eine schwerkranke Frau. Sie war mit Eiterblasen
bedeckt. Mutter wusch sie und behandelte ihre Wunden zweimal am Tag. Sie hat
sie ernährt und wie ein kleines Mädchen gepflegt.
Und noch ein Beispiel:
Eine kränkliche Witwe, Mutter von sechs Kindern, arbeitete Tag und Nacht.
Unsere Mutter kümmerte sich auch um sie. Wenn sie keine Zeit hatte, schickte
die Ganxhe. Als die Frau starb wuchsen ihre Kinder mit uns auf, als wären sie
unsere Schwestern und Brüder".
Drane hatte einen festen Glauben. Sie war überzeugt, was sie für die Armen
machte, machte sie für Gott. Sie wollte, dass auch ihre Kinder in diesem
Glauben aufwuchsen. Oft begleiteten sie die Kinder zu den Kranken, Armen,
Verlassenen und Leidenden damit diese in eigener Person die menschlichen Leiden
sahen und mithalfen den Schmerz der Anderen zu lindern. Nach einem Besuch, oder
am Abend, wenn man über die Tagesereignisse sprach und besonders nach den
gemeinsamen Gebeten wiederholte sie oft den Satz, als wäre er ein grundlegendes
Lebensprinzip:
"Wenn ihr Gutes tut, macht es so als würdet ihr einen Stein ins Meer
werfen".
Mutter Teresa erzählte mit großer Ehrfurcht und Stolz von dem
Augenblick als sie ihrer Mutter zum ersten mal sagte, dass sie in ein Kloster
eintreten möchte:
"Als ich meiner Mutter meinen Wunsch mitteilte meine Reinheit Gott zu
schenken, war sie dagegen, doch dann sagte sie: Ist in Ordnung, mein Kind. Geh aber
gib acht, dass du dich nur Gott und Christus weihst".
Nicht nur Gott, sondern auch sie hätte mich verdammt, wenn ich meiner
Berufung nicht ehrenhaft gefolgt wäre. Eines Tages fragte sie mich:
"Mein Kind, hast du nur für Gott gelebt?"
"Zu Beginn, war meine Mutter gegen meine Berufung Missionsschwester zu
werden, auch wenn sie sehr gläubig war. Sie wollte mich nicht verlieren. Daheim
beteten wir alle gemeinsam. Eines Tages sagte sie mir: Ich erlaube dir ins
Kloster einzutreten. Dann schloss sie sich in ein Zimmer ein und wollte niemanden
sehen. Als ich aus meinem Vaterhaus wegging um in die Mission einzutreten,
sagte sie zu mir: leg deine Hand in die Hand Christi und schau vor dich hin.
Schau direkt ihn an. Drehe dich niemals um. Immer vorwärts".
GANXHE BOJAXHIU
In der Auffassung
Albaniens, unter türkischem Einfluss, stand der Mann
eine Stufe höher als die Frau. In der Familie ist die Frau nur eine Tasche
(zhabe = der Frosch) um das Kind auszutragen. Eine Ehe mit nur weiblichen Nachkommen
ist als Misslungen, oder noch ärger, als Unglück anzusehen. Laut dem Koran hat
der Vater völlige Gewalt über die Tochter. Auch was die Heirat betrifft. Mit
der Hochzeit kommt die Frau völlig unter die Gewalt des Mannes, der nach seinem
Gutdünken die bestrafen oder auch verstoßen kann.
Als Ganxhe Bojaxhiu auf die Welt kam, wurde sie von den Eltern mit Liebe
und Dankbarkeit als Geschenk Gottes aufgenommen, obwohl sie unter türkischer
Herrschaft waren und die Eltern vielleicht noch einen Sohn erwünscht haben. Zur
Taufe versammelte sich die ganze Familie um die kleine Ganxhe. Viele Arme kamen
um sie zu begrüßen und der Familie für alle Wohltaten zu danken.
Ganxhe war ein kränkliches Kind und bereitete der Mutter große Sorgen. Mit
sieben Jahren besuchte die Kleine die katholische Pfarrschule. In der Pfarrkirche
erhielt sie die erste Kommunion und die Firmung. Sie war sehr intelligent, gehorsam
und die Freude der ganzen Familie.
Der Bruder Lazër gedenkt ihr so:
" Sie war ein völlig normales Mädchen. Vielleicht eine bisschen
zurückgezogen und weltabgewandt. Sie hatte viele Freundinnen. Sie war viel mit
diesen beisammen und kamen auch sehr oft zu uns. Seit der Volksschule zeigte
sich schon ihr Lerneifer.
Sie war die Klassenbeste und immer bereit den Anderen zu helfen. Ihre beste
Freundin war die Tochter von Doktor Miljkovic. Als Kind schrieb sie Gedichte,
die sie ihren Gefährtinnen vorlas. Den Mädchen gegenüber war sie offen, aber
scheu den Männern gegenüber. Sie war liebenswürdig ohne Religion, Sprache oder
Nationalität zu berücksichtigen. Ich habe von ihr nie ein "nein", den
Eltern gegenüber gehört. Mutter sagte oft zu mir: "Mach es wie Ganxhe. Es
ist egal, auch wenn sie jünger ist!" Mutter wollte von uns immer Ordnung
und Disziplin. Am Abend mussten wir immer abwechselnd, Age, ich und Ganxhe, die
Schuhe putzen. Oft ersuchte ich Ganxhe das für mich zu tun, weil es für mich,
männliches Wesen, beinahe eine Beleidigung war. Ich wollte den
"Herren" spielen. Und sie antwortete: "Ist gut, Brüderchen, ich
putzte die Schuhe". Wenn ich irgendetwas anstelle und sie bemerkte es, so
hat sie mich nie verraten. So viel ich weiß spürte unsere Mutter die religiöse
Berufung Ganxhes. Sie sagte oft, dass sie sich nicht lange an Ganxhe erfreuen
könnte, aus zwei Gründen: ihre Kränklichkeit oder ihre Berufung zu Gott.
Deswegen liebte sie Ganxhe besonders, doch als sie von Gotte gerufen wurde hat
sie es freudig angenommen".
In der Jugend war Ganxhe nicht nur mit dem Studium beschäftigt, sonder sie
widmete sich auch der Pfarrgemeine, sang im Kirchenchor, spielte im
Stadttheater und bei verschiedenen Pfarrvorstellungen mit, tanzte, schrieb
Gedichte, spielte Mandoline usw.
Die Pfarre war für sie und die ganze Familie Bojaxhiu, das zweite zu Hause.
Sie half dem Pfarrer beim Katechismus und hat sich unentbehrlich gemacht
durch die Übersetzungen aus serbisch-kroatisch, das die Kinder nicht kannten,
ins albanische. Mit Schwester Age sang sie im Kirchenchor.
Hier ein persönliches Zeugnis des Bruders Lazër:
"Es war Sonntag. Ganxhe und Age haben sich für den Gang in die Kirche
vorbereitet. Mich haben sie aufgefordert in den Chor mitzukommen. An diesem Tag
sollten beide als Solistinnen singen: Age als zweite Stimme, Ganxhe als Sopran.
Es war das erste Mal, dass ich sie in einem Duett hörte. Der Gesang war
herrlich und Gläubige und Priester ernannten beiden zu den
"Nachtigallen" der Kirche".
Hier ein Zeugnis des Musikers Lorenc Antoni:
"Ganxhe sang sehr gut und gemeinsam mit Age sangen sie meine
erste, noch in der Schule geschriebene Komposition. Der Titel war " auf
dem Hügel, nahe beim See". Beim Wohltätigkeitsfest wurde sie im März 1928
aufgeführt. Ganxhe kam immer zu den Proben, meistens etwas früher und war immer
fröhlich. An den katholischen Jungendvorführungen nahm sie immer teil. Sie
spielte, sang oder tanzte. Ich lehrte ihr die Mandoline zu spielen. Sie war ein
Mensch um den sich gerne alle versammelten, besonders die Mädchen. Sie war für
die Organisation geboren. Gemeinsam mit Pater Jambrekovic war sie unsere Leiterin".
Ganxhe ist im Hof der Kirche, die nur wenige Schritte vom Wohnhaus entfernt
war, aufgewachsen. Sie und die Mutter waren immer beschäftigt. Lazër meinte
oft, sie wären mehr in der Kirche als im Hause.
Ein anderes Zeugnis von Lazër:
"Als ich aus dem Haus ging war Ganxhe dreizehn Jahre alt. Sie hatte
sich schon an der Arbeit der Missionsschwestern begeistert. Wenn diese von
fernen Ländern kamen, dann traf sie sich mit ihnen und hörte gerne ihre
Erzählungen. Eine von ihnen sagte einmal: Jeder Mensch hat seinen Weg
vorgezeichnet und muss diesem folgen. Diese Worte ergriffen das Herz meiner
Schwester sehr. Ein Jesuitenpater, der den Priester von Albanien vertrat,
zeigte eines Tages eine Karte in der, alle
Missionsstellen eingezeichnet waren. Ich erinnere mich, das meine
Schwester auch davon sehr beeindruckt war. Sie kam sofort zu mir und sagte:
"Bruder, wenn du wüsstest wie und wo, die Missionsschwestern arbeiten. Was
sie für ein Leben führen und welch große Hilfe sie bräuchten". Alle waren
über ihre Kenntnis der einzelnen Missionen und deren Arbeit erstaunt".
Lazër sagte, dass Ganxhe selbst ihm einmal gestand:
"Ich war noch sehr jung, zwölf Jahre alt, als ich zum ersten Mal den
Wunsch hatte, mich völlig Gott zu widmen. Ich dachte immer daran und betete
sechs Jahre. Manchmal schien mir, als hätte ich keine Berufung, aber dann überzeugte
ich mich, dass ich von Gott berufen war."
Im Jahre 1927 entschloss sie sich für zwei Monate in dem Waljahrstort
von Letnica zu verbringen um über ihren Zweifel nachzudenken. Auch im kommenden
Jahr zog sie sich dorthin zurück und kam zur Überzeugung, ihr Schicksal wäre,
"Missionsschwester" zu werden
Die Entscheidung war endgültig. Die schriftliche Anfrage an die "Schwestern
von Loreto" in Dublin wurde positiv beantwortet und daher war alles
für die Abreise bereit.
Lorenc Antoni beschreibt in seinem Tagebuch sehr genau den Tag der
Abreise:
".. Viele Menschen kamen um sie zu begleiten. Kinder, Jugendliche,
fast die ganze Pfarrei, aber auch ihre Schulkolleginnen. Die Augen waren auf
sie gerichtet und alle hatten die stumme Frage: was wird aus diesem Mädchen werden,
die nach Indien fährt, in ein fremdes Land, so weit entfernt?
An diesem Tag stand ich zeitig auf. Erst ging ich in die Kirche und dann
auf den Bahnhof. Ich kaufte drei Fahrkarten nach Zagreb für Drane, Age und
Ganxhe. Am Bahnhof weinten alle, auch sie, obwohl sie versprochen hatte nicht
zu weinen. Bei dem Gedanken eine Verwandte und gute Freundin zu verlieren, wäre
auch ich beinahe in Tränen ausgebrochen. Zum Abschied schüttelte sie meine Hand
besonders fest. Ich antwortet ihr ziemlich kühl um ihre behilflich zu sein den
Schmerz zu überbrücken. Der Zug fuhr ab. Wir winkten alle mit den
Taschentüchern. So lange wir sie sahen antwortete sie auf unseren Gruß. Die Sonnenstrahlen
fielen auf ihr Gesicht und es erinnerte an den, im Tageslicht verbleichenden
Mond. Ganxhe wurde ein immer kleinerer Punkt, bis sie wie ein Stern vor dem
Sonnenlicht verschwand".... .
Der vorgesehene Reiseweg nach Indien war: Skopje - Zagreb, Zagreb -
Dublin, Dublin - Kalkutta. In Dublin wurde sie von der Priorin der "Schwestern
von Loreto" und zwei Missionsschwestern empfangen. Drei Monate blieben
sie in Dublin um englisch zu lernen und einen besseren Einblick in das
religiöse Klosterleben zu bekommen. Wie es der Ordenbrauch war, erhielt sie
ihren neuen Namen: Maria Teresa. Am 1. Dezember 1928 reiste Maria Teresa und
ihre Mitschwestern mit dem Schiff nach Kalkutta. Es war eine lange und
anstrengende Reise bis zum 6. Januar. So mussten sie Weihnachten an Bord
verbringen.
Die Begegnung mit der indischen Realität war beeindruckend. Aus einem ihrer
Briefe gewinnen wir ein Bild:
"…. Auf den Straßen und entlang der Mauren leben sehr viele Familien.
Sie leben Tag und Nacht auf großen Teppichen, aus Palmenblättern, im Freien und
in vielen Fällen auf der nackten Erde. Fast alle sind völlig nackt. Sie habe
feine Ketten an Armen und Beinen und eine Art von Schmuck an Nase und Ohren.
Auf der Stirne haben sie religiöse Zeichen.
Durch die Straße gehend fanden wir eine Familie um einen verstorbenen
Verwandten versammelt. Dieser war in rote Fetzen gehüllt, mit gelben Blumen
bestreut und das Gesicht war farbig bemalt. Der Anblick war grässlich. Wenn
unsere Leute das sehen könnten würden sie nicht mehr ihr Schicksal beweinen,
sondern Gott danken, dass er sie mit so großer Fülle auszeichnet"...
Dem offenen Auge und dem feinfühligen Herzen entgeht nichts. Der Traum ist
Wirklichkeit geworden. Allerdings eine viel grausamerer und ärmere als sie
dachte. Schon aus ihren ersten Beschreibungen von Kalkutta erkennt man die
"große Schwester Teresa" und das "große Herz", das alles
beobachtet, erträgt, leidet, betet und denkt: "Was kann und muss ich in
diesem Land der Armut, des Schmerzes und des Leidens tun?"
Im Augenblick nichts. Nach wenigen Tagen muss sie auch Kalkutta verlassen,
die dramatischen Ereignisse vergessen um in Ruhe und im Gebet sich auf ihre
religiöse Berufung vorzubereiten. Er war die notwendige Lehrzeit, um zu sehen,
ob die Mädchen wirklich für das Klosterleben geeignet waren und sich völlig
Gott und der Kirche durch die religiösen Gelübde widmen können. So hatte sie
die Möglichkeit die Tätigkeit der Kongregation der "Schwestern von
Loreto", die sich hauptsächlich der Medizin und der Schule widmeten,
zu sehen."
Am 23. Mai 1929 begann die junge Maria Teresa ihr Noviziat in Darjeeling.
Sie schrieb einen Brief nach Hause um allen zu versichern, dass es ihr gut gehe
und sie glücklich sei.
Während des Noviziates widmete sie sich völlig und voll Freude ans
innere geistliche Leben und versuchte sich gut auf ihre kommende Mission
vorzubereiten. Sie hatte viel Zeit für Gebet, Meditation und Lesen, das schon
immer eine Lieblingsbeschäftigung war. Sie las, man könnte sagen verschlang die
verschiedenen religiösen Bücher, das Leben der Heiligen und besonders die
Bibel. Was sie las, verarbeitet sie, machte sich Notizen, schrieb einige Gedanken,
Gebete, Gedichte über das geweihte Leben oder über das Glück der reinen Liebe,
der Aufopferung usw.
Im zweiten Jahr des Noviziates hatte sie auch die Gelegenheit, gemeinsam
mit den anderen Schwestern, den Armen und Kranken beizustehen, um die
Nächstenliebe auszuüben.
Die Lehrerin und ihrer Kolleginnen waren mit Schwester Teresa sehr
zufrieden. Im religiösen Leben war sie sehr beschäftigt, in der Gemeine immer
bereit den Anderen zu helfen und in der Ausübung der Gelübde pünktlich, freudig
und glücklich. Das war die Meinung der Lehrschwester.
Deswegen wurde sie zu den ersten Gelübden zugelassen, die vorübergehenden
Das Leben des Noviziates ist die Vorbereitung auf die religiöse Mission,
auf das Leben und die Missionstätigkeit. Die Begeisterung, die Liebe und der
Wunsch die Welt zu ändern, ein Merkmal der Jugend, musste sich jetzt im täglichen
Leben und bei der Arbeit beweisen.
Während des Noviziates lernt man, innerhalb der Gemeinschaft, die Dinge
theoretisch kennen. Nachher kommt die allgemeine "Prüfung", "die
Lehre" für das Leben, die Ausübung der Berufung, des Glaubens und der
Gelübde. Für Schwester Teresa kann man das, "Flug" zur Ausübung der
Nächstenliebe nennen. Die junge Schwester hatte in ihrem Herzen den großen
Wunsch gesammelt, sich den anderen zu schenken.
Ihre erste Arbeit war als Krankenschwester den Kranken beizustehen. Diese
Arbeit gefiel ihr sehr, da sie auch eine gewisse Erfahrung hatte. In Skopje
hatte sie gemeinsam mit Mutter Drane sehr vielen Kranken und Armen beigestanden.
Mit einem Wort es war die Verwirklichung ihres Vorsatzes.
Nach kurzer Zeit beschloss die Priorin die Arbeit im Spital zu
unterbrechen. Man weiß nicht genau ob aus gesundheitlichen oder anderen Gründen.
Schwester Teresa ist darüber sehr traurig, gehorcht aber, da sie das Gelübde
der Gehorsamkeit abgelegt hat. Schwester Teresa ist überzeugt, dass sich, durch
ihre Vorgesetzten, der Wille Gottes zeigt. Das durch die Kirche gegebene
"Ja" an Gott wird noch einmal geprüft und bestätigt.
Nach ihrer Rückkehr in das Kloster in Kalkutta gedachte und betete sie
immer für die vielen Kranken, die nicht nur notwendige Pflegung brauchten,
sondern auch Liebe, Geduld und menschliche Würde. Schwester Teresa fragte sich
immer nach dem Motiv dieser Versetzung, hat aber nie eine Erklärung dafür
gefunden, sah aber darin den "Willen Gottes".
Sie wurde dem Unterricht zugeteilt. Da ihr das Studium immer gefiel, nahm
sie diese Mission gerne an. Sie wurde in die bekannte Schule der Hl. Mary
geschickt. Das war eine bekannte und angesehene von Kalkutta für wohlstehende
und reiche Mädchen.
1935 spricht Schwester Teresa von einer neuen Aufgabe, die ihr von der
Priorin, sie würde sagen von der Vorsehung, anvertraut wurde: die Schule Santa
Teresa.
Von diesem Ereignis schreibt sie:
" Ich habe noch eine andere Aufgabe übernommen, die Schule der Hl. Teresa in Kalkutta. Am selben Tag begab ich mich in
die Schule um die Tatbestände zu sehen.
Die Schule ist von unserem Haus ziemlich entfernt und daher fahre ich jeden
Tag mit einer indianischen Kutsche. So komme ich früher zu meinen rußigen
Kleinen.
Als die Kinder mich zum ersten Mal sahen, fragten sie sich sicherlich ob
ich ein böser Geist oder eine Göttin wäre. Für sie gibt es kein Mittelding. Wer
gut mit ihnen ist, wird wie eine Gottheit angebetet, sie fürchten aber
diejenigen, die ihnen übel gesinnt sind, wie den Teufel und respektieren ihn
nur.
Ich streckte mir die Ärmel auf, räumte das Klassenzimmer aus, nahm Wasser
und Besen und begann den Boden zu reiben. Darüber waren alle sehr erstaunt.
Lange sahen sie mich stumm an, denn sie haben noch nie eine Lehrerin mit dieser
Arbeit den Unterricht beginnend gesehen, besonders weil diese Arbeit in Indien
von der niederen Kaste gemacht wird. Nachdem sie mich aber fröhlich und
lächelnd am Werk sahen, begannen die Mädchen mir zu helfen und die Buben
frisches Wasser zu bringen. Zwei Stunden später hatten wir ein sauberes Klassenzimmer.
Es war ein langer Saal, früher die Kapelle und heute in fünf Klassenzimmer
geteilt.
Als ich kam, waren es circa 52 Kinder, heute, sind es mehr als 300. Ich
unterrichte auch in einer anderen Schule mit circa 200 Kindern, aber die
erinnert eher an einen Stall als an eine Schule.
Ich unterrichte auch noch an einem anderen Ort, eine Art Hof. Als ich sah
wie die Kinder schliefen und sich ernährten, tat mir das Herz weh. Ich glaube
nicht, dass es größere Armut geben kann. Dabei sind sie glücklich. Glücklich
ist die Kindheit!
Als wir uns kennen lernten, waren sie überglücklich. Sie tanzten singend um
mich, bis ich meine Hand auf die schmutzigen Köpfe jedes einzelnen gelegt
hatte. Seit diesem Tag nennen sie mich "MA", das Mutter bedeutet. Wie
wenig genügt um die Einfachen glücklich zu machen.
Die Mütter brachten mir ihre Kinder, damit ich sie segnete. Zu Beginn war
ich darüber erstaunt, aber in der Mission muss man mit allem rechnen, auch zu
segnen..."
Eine andere Beschreibung von der Begegnung mit den Menschen:
"Jeden Sonntag besuche ich die Armen von Kalkutta. Ich kann ihnen
nicht helfen, weil ich nichts besitze, aber ich gehe um sie zu erfreuen. Vorigen
Sonntag erwarteten zirka zwanzig ungeduldige Kinder auf ihre MA. Als sie mich
sahen, kamen sie mir auf nur einem Fuß hüpfend entgegen.
Der Häuserblock wird "Pari" genannt und hier wohnen zwölf
Familien. Jede Familie hat nur ein Zimmer von
2 m Länge und 1 1/2 m Breite. Die Türen sind so eng, dass ich gerade
durchkomme und die Decke so niedrig, dass man nicht aufrecht stehen kann. Für
solche Behausungen bezahlen diese Armen vier Rupien und wenn sie nicht
pünktlich zahlen, werden sie auf die Straße geworfen.
Die Zeit des Noviziates ging zu Ende. Vor Ablegung der Gelübde war die
Vorbereitung in Ruhe und Gebet notwendig. Zum größten Leidwesen der Kinder, die
ihre "Ma" nicht verlieren wollten, wurde sie von der Schule abberufen
Die Priorin sagte ihr nach Ablegung der ewigen Gelübde: Du fährst nach
Kalkutta zurück und unterrichtest in unserer Schule St. Mary, wo du zum ersten
Mal unterrichtet hast.
Die Schulmädchen in Kalkutta waren über ihre Rückkehr und Ablegung der
Gelübde begeistert. Sie widmete sich völlig ihrer neuen Aufgabe als Professorin
und Leiterin der Schule.
Zur selben Zeit war sie von einer langen Krankheit heimgesucht und viele
fürchteten, dass sie sich nicht erholen würde. Aber sie heilte und nahm die
Arbeit mit der gleichen Kraft wie früher auf.
Schwester Teresa arbeitet in der Schule, vergisst aber ihre Familie und
besonders Mutter Drane nicht. Folgende Botschaft sendet sie nach Tirana:
"Leider bin ich nicht bei dir, liebe Mutter, aber sei glücklich, denn
deine kleine Ganxhe ist glücklich. Unser Kloster ist sehr schön. Ich bin Lehrerin
und die Arbeit gefällt mir. Ich bin auch die Leiterin der Schule und alle haben
mich sehr gerne."
Die Mutter antwortete ihr so:
"Meine liebe Tochter, erinnere dich, dass du für die Armen dorthin
gegangen bist. Erinnerst du dich unserer Filja? Sie ist voller Wunden, aber das
Wissen, allein zu sein, quält sie am Meisten. Wir machen was wir können aber
das Grausame sind nicht die Wunden, sondern dass sie von allen vergessen
wurde."
Als der Brief ankam war Schwester Teresa sehr glücklich, doch nach dem
Lesen wurde sie sehr traurig und die Schwestern fragten:
"Ist etwas passiert? Nein nichts, es ist alles in Ordnung. Meiner
Mutter, Bruder, Schwester geht es gut und lassen alle Schwestern grüßen".
Schwester Teresa las den Brief sehr oft.
Durch die Straßen Kalkuttas gehend, hat sie oft das Elend gesehen. Sie
litt sehr darunter. Aber was konnte sie tun?
Alle waren von ihr begeistert. Sie war die Einzige, die mit Wissen und
Liebe, zur Befriedigung und Anerkennung aller, eine interne Auseinandersetzung
in der Schule löste. Auch sie war zufrieden und glücklich. Im religiösen Leben
fand sie sich selbst. Gebet, Meditation, Beachtung der Ordensregel und
Aufopferung bereiten ihr Freude.
Nach langem Gebet und Überlegung war sie überzeugt: Gott will etwas von
ihr, aber sie begreift noch nicht was. Über die Suche nach dem Willen Gottes,
sagt sie später:
"Über meine religiöse Berufung war ich mir immer sicher. Im innersten
meines Herzens spürte ich aber, dass Gott mich für eine andere Berufung, ein
anderes Leben, eine andere Arbeit rief, aber ich verstand weder das warum noch
das wie."
Nach fast zwanzigjähriger Missionstätigkeit in der Schule, wird die innere
Stimme immer deutlicher und verlangender. Es ist ein Befehl: "DU MUSST
HINAUS GEHEN UM DEN ARMEN ZU HELFEN!"
So begann Mutter Teresas Abenteuer. Seit vielen Jahren versuchte sie für
diese Leute etwas zu tun. Die Mädchen zu unterrichten und deren Familien zu
besuchen, erscheint ihr zu wenig. Sie zog sich in Einkehr zurück und der Entschluss
reifte: sie wollte ihr Leben radikal ändern. Zu den Mitschwestern sagte sie:
" Ich habe beschlossen das Kloster zu verlassen um in völliger
Freiheit für die Armen, unter den Armen lebend, zu sorgen."
Nach diesem Entschluss schrieb sie auch an die Priorin des Ordens der
"Schwestern von Loreto" in Irland. Diese antwortete so:
"Wenn Gott euch ruft, so gebe ich aus ganzem Herzen die Genehmigung,
erinnert euch aber immer, dass ihr in unserem Herzen bleibt... Wenn das der
Wille Gottes ist... Ihr könnt aber immer mit unserer Freundschaft, Achtung und
Liebe rechnen. Solltet ihr, aus irgendeinem Grunde, zurück kommen so werden wir
sie wieder freudigst aufnehmen."
Die Antwort war daher positiv und mütterlich. Am Ende des Briefes fügte
aber die Priorin bei: "Sie müssen sich aber deswegen an Rom wenden".
Der Bischof wurde zugezogen. Bei dem Gedanken, dass sich eine Schwester,
vom Orden getrennt, bewegt, sagte er: NEIN!
Es gab enorm viele Schwierigkeiten. Die politische Lage nach der Befreiung
Indiens, die Gefahr eine ausländische Schwester, die Klostergemeinde und die
katholische Kirche zu gefährden. Auch Rom war gegen neue Ordensgründungen,
besonders gegen weibliche Orden und Missionen, da schon viele existierten.
Nach Beratung mit dem geistlichen Berater fand man einen Ausweg: "ex -
Klausur". Sie hätte außerhalb des Klosters leben und arbeiten können, aber
rechtlich gesehen, war sie von der Kongregation abhängig und wirkte unter der
persönlichen Leitung des Bischofs.
Das ist aber noch nicht alles. Ihre Krankheit bildete ein großes Problem.
In Asansol verbrachte sie ein Jahr zur Erholung. Eine allgemeine Schwäche,
hervorgerufen vielleicht durch den Keuchhusten und die Malaria, oder Beginn von
Tuberkulose, hatte sie befallen.
Mit Liebe und Armut, mit Sari und Kreuz "bewaffnet", ist sie
bereit wegzugehen. Alles muss geändert werden; Kleidung, Wohnung, die Lebensart
und Handlung.
Um Armen zu helfen, musste die berufliche Ausbildung besser sein. Deswegen
ging sie nach Patna, zu den amerikanischen Schwestern. Von den Schwestern
freundlich aufgenommen absolvierte sie einen Kurs für Krankenschwestern.
Sie trug einen einfachen Sari, wie alle armen Frauen aus Bengala, mit einem
Kreuz auf der Schulter. Es war das Zeichen, dass sie mit Christies Liebe für
die Armen, unter den Ärmsten, "bewaffnet" war.
Hier lernte sie die Priorin Mutter Dengel kennen, eine gute und umsichtige
Schwester. Sie gibt ihr, viele gute Ratschläge für das zukünftige Leben und die
Arbeit.
Jeder Beginn ist schwierig. So war es auch für Mutter Teresa. Vor
Weihnachten 1948 kehrte sie nach Kalkutta zurück.
Was soll man tun, wo beginnen? Die Liebe Gottes den Armen bringen? In die
Welt rufen, dass Gott alle Menschen liebt, besonders die, die leiden?
Und so beginnt das neue Leben. Die Menschen besuchen, ihnen ein Lächeln,
einen Handdruck, einen Rat, ein Medikament schenken. Gott in ihr Leben bringen.
Alle waren erstaunt und verwundert sie in diesem einfachen Sari gekleidet
zu sehen. Die Mädchen aus der Schule in der sie mehr als zwanzig Jahre
unterrichtet hatte, ihre Freundinnen und die bekannte Familien erkannten sie
nur schwer wieder.
Die Trennung von der Gemeinschaft war sehr schmerzhaft. Sie selbst gibt es
zu:
"Es ist mir schwerer gefallen das Kloster der "Schwestern von
Loreto" zu verlassen, als meine Familie und Heimat um in die Mission zu gehen.
Damals war ich überglücklich, jetzt aber musste ich, der Stimme Gottes
gehorchen. Ich musste der "Berufung in der Berufung" folgen.
In einer gewissen Weise, war es leicht am Tag herumzugehen und die Armen
aufzusuchen, auch wenn eine weiße Schwester mit Bedenklichkeit und Misstrauen
angesehen wurde.
Am Abend aber, befand sie sich todmüde auf der Straße, wie viele andere die
dort geboren, gelebt und gestorben sind. Ohne ein Dach über dem Kopf, ein
Zimmer, eine Bleibe, einen Bissen Brot, ein Glas Wasser oder die geringste
Sicherheit zu haben.
Die verlassenen Stadtteile gaben diesen Anblick. Es war, unmenschlich die
Leute auf den Straßen liegend, verlassen und dem Tod nahe zu sehen. In der
grausamen Gewalt ihres "Schicksals" das sie in die Hölle der Armut
brachte.
Die Menschen gingen weiter, als ob sie das Elend nicht sehen würden. Diese
grausame Wirklichkeit berührte sie nicht. Sie wollten sich nicht darum kümmern.
Sie sah und erlebte die enormen Schwierigkeiten der Menschen und konnte
nicht viel helfen. Sie hatte fünf Rupien in der Tasche, die sie aber einem
Bettler schenkte. Sie schickte zu Gott das Gebet:
"Göttlicher, du bist alles für mich. Gebrauche mich wann du willst.
Wenn ich diesen Menschen in ihrem Elend und Unglück nicht helfen kann, dann
lass mich gemeinsam mit ihnen sterben, damit ich ihnen deine Liebe zeigen
kann!"
Jetzt kam noch eine andere Versuchung. Die "Bequemlichkeit" des
Klosters, des Zimmers, der Sicherheit des Ordens, aber sie wies sie ab, zu Gott
betend:
"Großer Gott, du wolltest, dass ich aus dem Kloster austrat, in dem
ich glücklich und ein wenig nützlich war. Jetzt, leite du mich."
Sie erinnerte sich an den Rat von Mutter Drane:
" Meine Tochter, nie zurück, immer vorwärts, nie aufgeben".
Die Ersten, welche die Neuerung bemerkten, Mutter Teresa, und ihr freudig
entgegen liefen, waren wie immer die Kinder, die Jugendlichen, die
Schulmädchen. Arme Kinder die ihre Lehrerin, Schwester Teresa, oder wie sie von
ihnen genannt wurde, ihre MA, brauchten. Seit zwanzig Jahren unterrichtet sie,
daher war sie auf diese Arbeit vorbereitet. Aber hier war alles anders.
Hier gab es keinen großen, schmutzigen Saal, kein Haus, keinen
Unterschlupf, wo man mit dem Unterricht beginnen konnte.
Für Mutter Teresa bedeutet die Schule nicht nur intellektuelle Bildung und
Formung, sondern eine völlige Lehre für das Leben. Jetzt mute sie lernen und
gleichzeitig lehren, mit Nichts und mit Allem beginnen. Mit Nichts, weil tatsächlich
nichts vorhanden war, außer ihr, die mit ihrer großen Liebe unter den armen
Kindern weilte. Mit Allem, weil sie den Kindern alles lehren wollte. Von den
einfachsten Dingen beginnend, die für das Leben notwendig sind.
Frei von Allem und von Allen, besaß sich nichts mehr. Sie setzte sich
völlig gleich mit diesen armen Leuten. Für sie wollte sie Erzieherin, Lehrerin
und Mutter sein.
Die begann mit den Kindern. Nahe, eines Wasserbeckens wusch sie die Kinder
und lehrte ihnen die Sauberkeit.
So erinnerte sie sich der ersten Schule:
"Ich säuberte die immer schmutzigen Kinder, viele von ihnen wurden zum
ersten Mal in ihrem Leben gewaschen. Ich lehrte ihnen Hygiene, gutes Benehmen,
Religion und Lesen. Die Erde war meine Schultafel. Die Kinder waren glücklich.
Zu Beginn waren es nur fünf, dann nahm die Zahl zu. Wer pünktlich kam, erhielt
als Preis ein Seifenstück und um zwölf teilte ich die Milch aus. An dieser
Stelle befindet sich heute eine moderne Schule mit mehr als 5.000 Kindern. Das
ist tatsächlich die Hand Gottes".
Die Menschen bemerkten, dass etwas Großes unter ihnen geschah. Eine weiße
Schwester war Tag und Nacht bei ihnen, half und liebte die Kinder und ihre
Familien. Das einfachste Mittel die Herzen der Erwachsen zu gewinnen, ist ihre
Kinder lieben.
Besonders die Schülerinnen von St. Mary's von Entaily, die sie zwanzig
Jahre hindurch erzogen hatte, sind die Ersten die ihre Arbeit unter den Armen
bemerken. Sie schließen sich ihr an, um bei der Arbeit zu helfen. Sie sind die
Ersten die sich von ihr angezogen fühlen, den Wunsch haben, wie sie zu sein und
sich völlig Gotte und den Nächsten zu widmen.
Bei der Familie Gomes wurde Mutter Teresa, in einem ärmlichen Zimmer
aufgenommen. Aber das war schon viel, weil sie sah viele Menschen, in Kalkutta
und Umgebung, auf den Straßen sterben. Wo sind die anderen Straßen der anderen
Städte, die Straßen Indiens, der Welt, wo die Leute leben, leiden, warten und
sterben?
Die Mädchen fragen wie und was sie tun möchte. Sie möchte viel tun. Im
Kurzen könnte man es so sagen: Christies Liebe den Leidenden bringen, an ihren
Schmerzen teilnehmen und dadurch lindern, die liebende Mutter aller zu sein. Es
ist überflüssig durch Wort oder Erklärung die Mädchen von diesen großen Plänen
zu überzeugen. Man muss ihnen das Beispiel, geben, beweisen, das Herz berühren,
die Armen, Verlassenen und Leprakranken lieben. Aber auch die Gesunden und
Reichen, denn nur so, gemeinsam, können wir Schönes für Gott schaffen.
Das erste Geschenk des Himmels ist Shabashini Dash, ein reiches, gutes und
hilfebereites Mädchen. Wie Mutter Teresa hatte auch sie innerlich Jahre
gekämpft und dann schließlich entschlossen: " Ich schließe mich Mutter
Teresa an, um ihr zu helfen!"
Mutter Teresa zeigt ihr die eigenen Hände, das Kleid, die Wohnung um ihr zu
sagen:
"Mein Kind. So kann man den Armen weder dienen noch helfen"!
Doch Shabashini ist überzeugt und sagt ihr: Ich gehe und lege meine
Kleider und meinen Schmuck ab und dann komme ich wieder"!
Die Mutter antwortet:
"Nein, jetzt nicht. Komme später, zum Fest des Hl. Josefs".
Das Mädchen antwortet: "In Ordnung", und kehrte nach Hause
zurück.
Am Hl Josefstag kam sie wieder, mit einem einfachen Sari bekleidet
und sagte zu Mutter Teresa:
"Bitte, verneine es mir nicht. Ich bin gekommen und bleibe bei
dir."
Sie sah das entschlossene Mädchen, betete, dacht darüber nach und sagte ihr
dann liebevoll:
"Ja, mein Kind, bleibe bei mir und hoffen wir, das uns Gott
hilft".
Im Leben Mutter Teresas gehen Meditation und Gebet gemeinsam. Nur durch das
Gebet gibt Gott die Kraft bis zum Ende durchzuhalten, sich den anderen völlig
zu widmen und die Wege Gottes anzunehmen.
Dieses Mädchen hatte den Stoff, eine gute Mitarbeiterin zu werden. Sie war
gesund, ihr Herz war für die Armen offen, sie hatte eine Neigung für das
religiöse Leben, war fröhlich und hatte den Wunsch ihr ganzes Leben für andere
zu opfern. So wie Mutter Teresa wechselte sie ihren Namen, nannte sich Agnes,
das war der zweite Taufname von Ganxhe Bojaxhiu.
Auch andere Schülerinnen Mutter Teresas schlugen den Weg Shabashis, mit
Begeisterung und Hingabe, ein. So wurde aus "ihrem", Gottes Werk,
denn "ein Zeichen Gottes, das er uns liebte und unterstützt, ist die
Berufung", sagte Mutter Teresa. Ununterbrochen kamen neue Berufene und
wollten unbedingt bei ihr bleiben und so wie sie sein. Die Liebe Gottes ruft, spornt
und zieht die Jugend, die offenen Seelen, an. Die Lebensweise von Mutter Teresa
wurde bald für viele Mädchen eine Herausforderung zur Nachahmung.
Wenn eine weiße Schwester, eine Ausländerin imstande ist, sich unserem Volk
völlig zu widmen, können und müssen auch wir etwas für sie tun.
November 1949 schrieb Mutter Teresa so nach Hause:
"Jetzt sind wir fünf. Betet, damit unsere Gemeinde in Heiligkeit und
Anzahl wächst, wenn Gott will. Es gibt so viel Arbeit".
Dann wuchs die Zahl. 1950 waren sie sieben und am Ende des Jahres zehn.
Durch die ersten Berufungen konnte die Missionsarbeit vergrößert werden.
Die Arbeit war groß: die Schule, die Armen, die Sterbenden, die Leprakranken.
Doch musste man vorsichtig sein, denn die Berufungen waren eine "Mutprobe".
Man brauchte auch viel Mut neue Strukturen zu schaffen.
Mutter Teresa sagte: "Die Arbeit, der Dienst und die Liebe müssen
direkt von Gott kommen, sonst werden wir, wie viele, einfache soziale Arbeiterinnen
und das wäre unser Ende."
Diese Mädchen mussten für das religiöse Leben und die Gelübde geschult und
zum Handeln angeregt werden, aber nicht nur von ihrem Willen geführt, sondern
von Gottes Willen.
So begann das erste Noviziat. Mutter Teresa hatte die Regel des neuen
Ordens schon im Kopf, musste sie aber dem Verlangen der kirchlichen Behörde,
den Bedürfnissen der Menschen und den Möglichkeiten der, ihr von Gott
gesandten, Mädchen anpassen.
Der Erfolg war selbstverständlich. Mit der Empfehlung von Msgr. Ferdinand
Pereira anerkannte Rom die Bildung der neuen religiösen Gemeinschaft. Es war
der 7 Oktober 1950.
Außer den klassischen Gelübden, die alle religiösen Gemeinschaften haben,
Gehorsam, Armut und Keuschheit, fügte Mutter Teresa noch ein viertes Gelübde
dazu: kostenlos und liebevolle den Ärmsten unter den Armen zu dienen. Warum?
Mutter Teresa erklärt es:
"Die Armen sind arm, nicht weil sie es wollen, sondern weil sie dazu
gezwungen sind. Wir wollen wie sie, arm sein um ihnen und auch den Anderen zu
zeigen, das Gottesliebe überall ist. Die Liebe ist unsere innere Kraft. Gott,
in den Armen, wollen wir lieben und ihm
dienen".
Zwei Dinge, die in der Bevölkerung von Kalkutta und Umgebung verbreitet
sind, berührten besonders das Herz von Mutter Teresa: die Krankheit und die
Armut. Sie allein konnte nicht viel machen. Strukturen müssten geschaffen
werden, und die Öffentlichkeit sensibilisiert, denn Christus stand auf Seiten
der Armen und Kranken und liebte sie in besonderer Weise.
Er verkörpert sich in ihnen und daher muss man Christus, in den Armen
dienen und lieben. Das ist die Logik des Evangeliums und der Liebe und diese
muss durch die Tat vergrößert und realisiert werden. Dies, wiederholte Mutter
Teresa oft.
Als Schwester von Loreto hat die das groß Elend der Menschen gesehen. Erst
durch ihre Arbeit als Krankenschwester und dann durch die Schule, die Kinder,
die Mädchen und deren Familien.
Die Armut ist enorm, "und wird nur schwer ertragen. Erst jetzt
verstehe ich besser, wie sehr sie mit dem Körper und der Seele leiden, wenn sie
Unterschlupf, Hilfe und Stütze suchen".
Mutter Teresa kam zu einer Folgerung, die eigenartig aussehen kann: um den
Armen zu helfen, muss man selbst, arm sein, die Armut erleben und verstehen und
dementsprechend mit Liebe handeln. Es erscheint absurd, dass die armen
Schwestern den Armen helfen. Aber es ist die Tatsache. Das ist ein
"Widerspruch" unserer Zeit und findet in Mutter Teresa eine große
Lehrerin und Zeugin. Mutter Teresa aß was die Armen aßen, schlief mit ihnen auf
der Erde und bekleidete sich wie sie.
Noch etwas Anderes hat Mutter Teresa in der Armut gefunden und besonders
hervorgehoben: die armen Leute sind geistlich und menschlich gesehen, sehr
reich, weil sie durch die Armut gereift wurden.
Mutter Teresa sagt so:
"Unsere Leute, auch wenn sie arm sind, leben und vor allem sterben
glücklich, weil sie frei sind. In ihnen ist die Freude, sie sind für alles
dankbar, sehr gefühlsvoll und gut. Einmal brachte ich einer armen Familie etwas
Reis. Die Mutter der vier Kinder lief sofort weg, kehrte aber bald zurück. Ich
fragte sie: Wo warst du? Und sie antwortete: Gute Mutter, bei uns in der Nähe
wohnt eine, ganz arme, muselmanische Familie. Sie sterben vor Hunger und ich
habe auch ihnen etwas Reis gebracht. Ihre Familienmitglieder waren Hindus. Das
ist die Hochherzigkeit und der Aufopferung der Armen."
Im Leben und Werk von Mutter Teresa und ihren Schwestern, sind die
Armen die wichtigsten Personen und die ganze Welt wurde auf sie aufmerksam
gemacht. Mutter Teresa sagt:
"Jeder Mensch muss Nahrung, Heilmitteln haben, aber besonders
die Liebe. Die größte Ungerechtigkeit ihnen gegenüber ist, sie nicht zu respektieren,
sie zu verachten. Erst wenn die Reichen beginnen, ihren Reichtum mit den Armen
zu teilen, werden auch sie glücklich sein. Gott hat die Armut nicht
geschaffen. Wir taten es. Vor Gott sind wir alle gleich arm."
DAS HAUS DER VERLASSENEN KINDER
Das Leben geht immer weiter, so wie die Geschichte von Mutter Teresa und
der "Missionarinnen der Nächstenliebe Christi", oder besser gesagt
die Geschichte, der Liebe Gottes für die Menschheit, in diesem Fall sind die
Hauptpersonen, die verlassenen Kinder und Waisen.
Oft lagen neben den völlig abgemagerten, halb toten Eltern die verlassenen,
toten oder sterbenden Kinder. Das war eines der entsetzlichsten Probleme der
armen Bevölkerung.
Mutter Teresa "sieht" und "erkennt" in diesen Kindern
Jesus Christus. Auch er, von allen verlassen wurde in einem Stall in Bethlehem
geboren. Die Geschichte wiederholt sich. Sie eröffnet ein neues
Haus, diesmal für diese bedrohten, in Lebensgefahr befindlicher Kinder, das
"Haus des verlassenen Kindes".
Dieses Haus wurde 1955 eröffnet. Viele Kinder waren schon verstorben,
andere lagen im Sterben. Mutter Teresa lässt sie alle in das "Haus des
verlassenen Kindes" bringen und tut das Möglichste. Die Überlebenden fanden
in Mutter Teresa eine neue Mutter, Heim, Familie, Aufnahme, Liebe und
Gemeinschaft. Hier blieben sie, bis sie alt genug waren um arbeiten zu können
und sich eine eigene Familie gründen konnten. Viele wurden von reichen Familien
aus aller Welt adoptier. Auf diese Art war die Freude doppelt: für diese
unglücklichen Kinder und ihre Adoptiveltern, aber besonders für Mutter Teresa,
die damit neue Möglichkeiten schuf um diese armen Kinder zu retten und
glücklich zu machen.
Oft fanden die Schwestern Neugeborene, im Abfall, auf den Straßen, auf den
Gehsteigen und an anderen Orten, in größter Lebensgefahr. Einmal fand Mutter
Teresa ein Kind im Sterben. Sie nahm es auf und drückte es aus ganzer Liebe an
ihr Herz und sagte:
"Seht, in diesem Kind ist noch Leben. Niemand, auf dieser Welt hat das
Recht, das Leben jemandem zu nehmen. Es ist ein Geschenk Gottes".
Das Werk für die verlassenen Kinder und Waisen wuchs immer mehr. Mehr
Kinder und die verschiedensten Probleme: kranke, taubstumme, blinde, geistig
oder körperlich behinderte Kinder. So entstanden, verschiedene Zweige vom "Haus des verlassenen Kindes".
DAS HAUS FÜR DIE STERBENDEN
Ein anderes Zeichen der Armut, das Mutter Teresa beachtet, ist das
Schicksal von den auf Straßen sterbenden Menschen. Auf der Straße leben und
sterben. Welch ein Schicksal, Traurigkeit, Widerspruch, Ungerechtigkeit und
Scham für uns alle!
In Kalkutta und Umgebung, wie in anderen Teilen Indiens und in anderen
armen Ländern der Welt ist es auch heute noch fast "normal", täglich,
eine grausame Wirklichkeit, die fast niemanden "stört".
Mutter Teresa weiß es. Zur Schule, durch die Straßen von Kalkutta gehend,
hat sie die Sterbenden gesehen. Sie will und kann diese Tatsachen nicht
annehmen. Wissen und Mitleid allein genügen nicht. Ihr Schicksal wird auch das
ihre. Unter den armen und kranken Menschen gibt es immer mehr, welche in ihrem
Leben noch nie, menschliche Hilfe, oder Zärtlichkeiten erlebt haben. Mutter
Teresa beschließt, dass sie auch für diese etwas tun müsste.
Das Werk für die Sterbenden begann so: Mutter Teresa war auf Krankenbesuch,
als sie einen sterbenden Mann fand. Er lag mitten unter den Abfällen, bewegte
noch die Augen und die Lippen und flüsterte:
"Helft mir, ich sterbe und habe niemanden!"
Er versuchte sich zu bewegen, aber er war zu schwach. Es war im Jahre 1952.
Lesen wir die Erzählung von Mutter Teresa:
"In der Nähe unseres Hauses befand sich das Spital Campbell und dort
fand ich eines Tages einen Sterbenden im Abfall liegend. Ich lief in das Spital
und ersuchte um seine Aufnahme. Umsonst. Für ihn war kein Platz frei. Wir holten
Medikamente aus der Apotheke. Doch als wir zurückkamen war er schon verstorben.
Ich war sehr traurig darüber und sagte zu mir selbst: die pflegen Hunde und
Katzen besser als Menschen. Und dann protestierte ich bei der Behörde".
Das allein, genügte ihr nicht. Sie beklagte sich auch beim Spital und sagte
dann zur Behörde:
" Wenn ihr euch nicht um die Menschen, die auf der Straße sterben,
kümmert dann gebt mir einen Platz, wo ich es tun kann".
Sie gaben ihr einen komplizierten und gefährlichen Hinweis. Im Stadtteil
Kalighat, der für Kalkutta gleichbedeutend ist wie der "Vatikan in
Rom", der religiöse Mittelpunkt des Hinduismussees, befindet sich der
bekannte und schöne Tempel der Göttin Kalì. Um den Tempel herum befinden sich
viele Gebäude, ein Einkaufszentrum, eines für die heiligen Bäder und viele
andere. Auch ein Pilgerheim zum Ausrasten nach Gebet und religiösen Handlungen.
Der Staatsbeamte zeigte Mutter Teresa dieses Gebäude und bot ihr an es für die
Sterbenden zu verwenden.
Mutter Teresa nahm sofort dankend an. 24 Stunden später war das neue Haus
voll an Sterbenden.
Eine neue Schwierigkeit zeigte sich. Die Priester der Göttin Kalì und viele
Gläubige sahen ihren heiligen Ort "entweiht" und ohne Kasten- und Religionsunterschied
kamen sie wütend zu Mutter Teresa. Aber sie in völliger Ruhe, heilte, säuberte,
half, liebte und diente. Sie wurde gefragt wieso sie ausgerechnet mit diesen
Menschen hierher gekommen war. Nachdem sie hörten, dass die staatliche Behörde
ihr dieses "Haus für die Sterbenden" gegeben hatte,
protestierten sie lebhaft vor den Behörden und versuchten so einen ernsten
Konflikt mit religiösem Charakter, hervorzurufen.
Ein Beamter versprach sein Möglichsten zu tun um diese "weiße
Frau", die ihre religiösen Traditionen und Kasten nicht berücksichtigt, zu
entfernen. Und er tat es tatsächlich. Wütend wollte er an Ort und Stelle das
"Recht der Entweihung" feststellen. In den großen Saal eintretend sah
er etwas noch nie Gesehenes. Mehr als hundert Frauen und Männer lagen hier im
Sterben. Wie ein Engel versuchte Mutter Teresa und ihre Schwestern ihnen zu helfen
und wenn dies nicht mehr möglich war, sie zumindest in Frieden und mit
menschlicher Würde sterben zu lassen.
Der Beamte war gerührt, rief Mutter Teresa und sagte ihr:
"Glückwunsch, gute Mutter: Sie sind tatsächlich die lebende Göttin
Kalì, der trostspendende Engel. Arbeiten sie weiter so. Ich wünsche ihnen viel
Glück und viel Erfolg. Gott helfe ihnen!"
Herauskommend sagte er gerührt und wütend, beinahe weinend den Priestern
der Göttin Kalì, den Gläubigen und den versammelten Reportern:
"Ich habe versprochen diese Frau von hier zu vertreiben und ich halte
mein Versprechen. Aber, hört genau was ich euch sage. Bevor ich das tue, müssen
eure Mütter und Schwestern hierher kommen und das tun was diese Schwestern tun.
Im Tempel habt ihr eine Göttin aus schwarzem Stein. Hier aber eine lebende
Göttin".
Die Güte, Hochherzigkeit und Widmung für die Sterbenden sehend akzeptierten
mit der Zeit die Bevölkerung und die Priester der Göttin Kalì, dieses Haus. Die
Priester unterstützten und halfen ihr sogar.
Das Werk begann am 22 August 1952. Die "Missionarinnen der
Nächstenliebe" waren nur 28 und wohnten im Haus des Herrn Gomes.
1986 erzählt Mutter Teresa:
"Das "Haus des reinen Herzens" ( so wurde das Haus der
Sterbenden genannt) ist für viele das "Fegefeuer", das Vorzimmer des
Hauses Gottes. Bis jetzt sind hier 60.000 Männer und Frauen durchgegangen.
Zirka 30.000 sind hier im Frieden gestorben. Die Anderen wurden geheilt. Ein Beispiel:
Eines Tages fand ich im Kanal einen Mann. Sein Körper war eine einzige
Wunde. Die Mäuse hatten ihn angenagt. Ich brachte ihn in unser Haus für die
Sterbenden. Weißt du, was mir dieser Mann sagte? Er sagte: ich habe wie ein
Tier auf der Straße gelebt. Jetzt werde ich wie ein Engel sterben, von Liebe
und Sorgfalt umgeben.
Ich kann seine Worte, aber besonders sein friedliches Gesicht nicht
vergessen. Drei Stunden später starb er tatsächlich wie ein Engel".
Die Schwestern gingen alle Tage und suchten die Sterbenden. Zu Beginn
wurden sie von den Passanten mit Misstrauen
und sogar mit Angst betrachtet. Und dann begann die Mitarbeit und gegenseitige
Hilfe. Wenn die Leute jemanden auf der Straße fanden, so brachten sie ihn zu
Mutter Teresa, oder sagten den Schwestern, wo er lag und halfen ihn in das "Haus
der Sterbenden" zu bringen.
Unter den Mitarbeitern waren auch junge Leute, Buben und Mädchen. Die
Arbeit war sehr schwer und verlangte einen tiefen Glauben und Liebe, aber auch
körperliche Kraft denn zu Beginn, hatten sie kein Fahrzeug und mussten die
Sterbenden tragen oder auf einen Karren legen und schieben.
1962 gründete Mutter Teresa den männlichen Zweig der "Missionare der
Nächstenliebe", die hauptsächlich diese Arbeit verrichtete.
Schon 1969 hatten die "Missionarinnen der Nächstenliebe" 15
Häuser für die Sterbenden geöffnet. 15 in Indien und 3 außerhalb. Jedes Jahr,
werden es mehr Häuser und es wächst auch die Erfahrung den Übergang in die
Ewigkeit zu erleichtern.
Mutter Teresa erzählt:
"Ich ging mit einigen Schwestern zum eucharistischen Kongress. Auf der
Straße sah ich zwei Sterbende. Eine Frau und einen Mann. Ich blieb stehen und
sagte zu den Schwestern: geht zum Kongress, ich bleibe hier und stehe ihnen
bei. Viele waren dann mit mir böse, weil ich nicht kam. Ich sagte aber einfach:
ich bin weggegangen um Christus in Form des Brotes anzubeten, fand ihn aber auf
der Strasse in Form der Sterbenden. Ich bin stehen geblieben um ihn
anzubeten".
Dieses Werk Mutter Teresas hat einen tiefen menschlichen, besonders aber "christlichen"
Wert. Sinn dem Leben geben, welches verzweifelt und unglücklich ist.
"In extremis" retten, wie Christus am Kreuz den reuenden Schächer.
Diesen Leuten die in ihrem Leben nichts Anderes als Elend, Hunger, Durst, Schmerz
und Straße kennen gelernt hatten, helfen. Gerade in diesen tragischen
Augenblicken den Menschen die Liebe Gottes zeigen und ihnen versichern, dass
Gott auf sie wartet um alle, ohne Religionsunterschied, für die Ewigkeit
aufzunehmen.
Diese Nähe, Zeugnis und Liebe erzeugt folgendes:
Eine im Sterben liegende Frau sieht Mutter Teresa dienen, lieben, säubern,
umarmen und fragt sie:
"Warum tust du das?"
Mutter Teresa antwortet:
"Weil ich dich liebe. Weil Gott dich liebt!"
Und sie, überglücklich:
"Sage es noch einmal. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich
diese Worte höre."
Mutter Teresa sagt dazu:
"Und sie starb in Frieden, sie ging in das Haus des Vaters."
Außer den Kindern, Kranken und Sterbenden widmete sie sich auch den
Leprakranken, den Behinderten und den AIDS-Kranken. Ihr ganzes Leben opferte
sie der sogenannten "menschlichen Armut". Sie sah aber auch in dieser
Armut die Übel unserer industrialisierten Welt: Rauschgift, Alkoholismus,
Einsamkeit, Mangel an Glauben und christlichen Werten. Besonders empfindlich
war sie dem Abort gegenüber eingestellt. Bei vielen öffentlichen Gelegenheiten
sprach sie ihre Missbilligung aus:
"Die größte Gefahr für die Welt ist heute die Abtreibung, das töten
eines noch nicht geborenen Kindes. Wenn wir das, von Gott geschenkte Leben,
auslöschen können, wenn die Mutter zum Henker des eigenen Kindes wird, was
sollen wir dann von den Mördern sagen? Deswegen wird immer mehr gemordet."
Um ihre Lebensaufgabe zu erfüllen, musste Mutter Teresa viele
Schwierigkeiten, wie alle die "bauen" wollen überstehen. Davon war
Neid, Verleumdung, nicht eingehaltene Versprechungen, Dummheit und Heimtücke,
sicherlich die schwierigsten. Sie hatte jedoch ihre Stärke auf dem Evangelium
aufgebaut und nichts konnte sie aufhalten oder einschüchtern.
In dem von ihr gegründeten "Haus der Kinder" in Kalkutta, steht
auf der Mauer, in großen Buchstaben:
Die Leute sind unvernünftig, unlogisch und eigennützig,
LIEBE SIE TROTZDEM.
Wenn du Gutes tust, werden sie dir egoistische Motive und Hintergedanken
vorwerfen,
TUE TROTZDEM GUTES.
Wenn du erfolgreich bist, gewinnst du falsche Freunde und echte Feinde,
SEI TROTZDEM ERFOLGREICH.
Das Gute, das du tust, wird morgen vergessen sein,
TUE TROTZDEM GUTES.
Ehrlichkeit und Offenheit machen dich verwundbar,
SEI TROTZDEM EHRLICH UND OFFEN.
Was du in jahrelanger Arbeit aufgebaut hast, kann über Nacht zerstört
werden,
BAUE TROTZDEM.
Wenn du den Leuten hilfst, werden sie nicht dankbar sein,
HILF IHNEN TROTZDEM.
Gib der Welt dein Bestes, und sie schlagen dir die Zähne aus,
GIB DER WELT TROTZDEM DEIN BESTES.
Mutter Teresa versuchte immer viele Menschen auszufordern, damit sie Gutes
für Gott taten.
Die Menschen müssen erzogen werden, damit sie sich die menschlichen Leiden
zu Herzen nehmen und denen die unsere Hilfe brauchen nahe stehen.
Daher gründete sie verschieden Zweige der Kongregation:
Besonders in den letzten Jahre reiste Mutter Teresa sehr viel und traf sich
mit wichtigen Persönlichkeiten, sie erhielt viele Visitenkarten. Auch sie
hatte, eine mit der Schrift:
Die Frucht der Stille ist das Gebet.
Die Frucht des Gebets ist der Glaube.
Die Frucht des Glaubens ist die Liebe.
Die Frucht der Liebe ist das Dienen.
Die Frucht des Dienens, ist de Friede.
Mutter Teresa