Vita dei santi

Der heilige Thomas von Aquin

 

Thomas von Aquin

Auszug aus der Zeitschrift: Feu et lumière von Odile Haumonté

 

Eine außerordentliche Intelligenz im Dienste der Liebe

Seit 1880 ist er Schutzpatron der Universitäten, Mittelschulen und der katholischen Schulen. Er stammt aus dem dreizehnten Jahrhundert. Er kommt um in uns Glaube und Vernunft zu vereinigen. Er ermahnt uns, unsere Intelligenz in einen größeren Liebesdienst zu stellen. Er sagte immer: « Wer lieben will, muss kennen."

In einer Bibliothek sind auf einem Büchergestell die vier Bände der "Summa teologica" gereiht. Es ist das bekannte Werk des heiligen Thomas von Aquin. Trotzdem bildet dieses außerordentliche Werk nur einen Umriss der wichtigsten Frage: wer ist und was ist Gott? Der Autor hörte drei Monate vor seinem Tode mit dem Schreiben auf. Sein Herz und sein Geist war von Gott erfüllt. Dieser war der Gegenstand all seiner Wünsche. «Was ich geschrieben habe, ist alles Stroh, im Vergleich zu dem was ich sah und mir offengebart wurde», antwortete er auf die Frage, warum er zum Schreiben aufgehört hätte.

 

Der Schüler von Montecassino

Im Königreich der zwei Sizilien befindet sich die kleine Stadt Aquino und die Burg von Roccasecca erhebt sich gegenüber der bekannten Abtei von Montecassino. Hier gebar die Gräfin Teodora im Jahre 1224 ihren achten Sohn, Thomas. Graf Landolfo dachte bereits mit Freude an das künftige Leben dieses Kindes. Er hatte schon entschlossen. Aus ihm würde er den Abt von Montecassino machen. Taufpate des Kindes war Papst Honorius III.

Seit seiner Kindheit zeichnet sich Thomas durch seine Güte und Intelligenz aus. Wenn er weint, dann geben sie ihm ein Buch, er beruhigt sich sofort und zeigt große Freude beim Durchblättern. Als fünfjähriger wird auch er, wie viele Adelskinder in die Schule von Montecassino geschickt. Er wurde von seiner Amme begleitet, denn die Eltern blieben auf ihrer Burg und trauerten um die Entfernung von ihrem Sohne.

Er macht große Fortschritte und zeigt über sein Alter hinausgehende Tugenden. Er ist ausgeglichen und verbringt seine Zeit oft in der Kapelle. Er weicht den überflüssigen und lauten Vergnügungen aus. Er lernt mit Eifer und wird immer mit einem Buch in der Hand gesehen. Eines Tages, er war sechs Jahre alt, sieht ihn sein Lehrer völlig in Gedanken vertieft, bei seinem Schreibtisch sitzen und nähert sich ihm. Thomas schlägt die Augen auf und fragt: « Sagen sie mir, wer ist Gott? »

 

Der Student von Neapel

Abt Sinibals hatte die schnelle Heiligkeit und das Studiumseifer von Thomas erkannt und riet dem Grafen, ihn auf die Universität von Neapel zu schicken. Thomas verbrachte einige Monate im Elternhaus und alle konnten seine außerordentliche Herzensgüte feststellen. Man fürchtet aber für seine Unschuld durch das ausgelassene Leben, welches zu dieser Zeit in Neapel herrschte. Es war eine Stadt von der man sagte: Neapel ist ein Paradies, wird aber von Teufeln bewohnt.

Im Jahre 1237 kommt Thomas nach Neapel. Er ist dreizehn Jahre alt. Sein Scharfsinn überrascht die Professoren. Er zeigt sein ausgereiftes Urteilsvermögen und wiederholt die Lektionen mir größerer Klarheit als die Lehrer selbst.

Im Jahre 1215 hatte der heilige Dominikus seinen Orden gegründet. Seit 1231 war dieser auch in Neapel verbreitet. Thomas war siebzehn Jahre alt, als er diesen Predigerorden kennen lernte. Er folgt aufmerksam den Lehren, die in der Kirche «des heiligen Erzengel» gehalten werden. Nach dreijähriger Überlegung nimmt er das Kleid der Dominikaner an. Er ist zwanzig Jahre alt.

 

Der Gefangene von Rocca Secca

Diese Tatsache bestürzt die Familie d'Aquino und alle Verwandten. Der Sohn einer Adelsfamilie wird ein einfacher Bettelmönch! Johannes der Deutsche, ein Ordenslehrer nimmt ihn mit sich in die Lombardei, um Thomas gegen den Zorn der Familie zu schützen. Sein Vater war vor einem Jahr gestorben. Zwei seiner Brüder eilten ihm nach, nahmen ihn gefangen und verschleppten ihn nach Roccasecca.

 

Mehr als ein Jahr erträgt Thomas die strenge Gefangenschaft. Er muss die mütterlichen Versuche, ihn umzustimmen ertragen. Beteuerungen, zärtliche Ermahnungen, Bedrohungen, schlechte Behandlungen. Alles wird versucht, aber nichts kann die Überzeugung und den Glauben des Novizen anhaben. Auf seiner Seite stehen die Schwestern. Seine Brüder versuchen ihm die Kutte abzureißen, aber er hält sie mit eiserner Hand fest. Sie bringen sogar eine Dirne in sein Zimmer. Thomas ergreift jedoch ein glühendes Stück Holz aus dem Kamin und schwingt es vor der Unglücklichen, welche entsetzt flieht. Kniend zeichnet Thomas mit demselben glühenden Holzstück, das die Dirne flüchten ließ, ein großes Kreuz auf dem Boden und bitten den Herrgott um Rettung von Seele und Körper. Er fällt in Ekstase und sieht zwei Engeln vom Himmel herunter kommen die seine Seiten, mit einen feingestickten Gürtel, umgeben. Diesen Gürtel trägt er sein ganzes Leben lang, verbirgt ihn aber vor allen. Dieser herrliche Gürtel wird auch heute noch in der Kirche des heiligen Dominikus in Chieri bewahrt.

Dieser unbeugsame Wiederstand, der aber nie die Sanftmut, den  Respekt oder die Liebe verloren hatte, überzeugte endlich die Gräfin Teodora. Die Predigermönche wurden aus Neapel gerufen und in einer Nacht sahen die einen Korb längs der Burgmauern herunter gleiten. Thomas erreicht den Boden und ist damit der Liebe seiner Mitbrüder wieder gegeben.

 

Der Schüler des heiligen Alberto, des Großen

Thomas beginnt das Theologiestudium in Paris. Sein Lehrer ist Albert, der Große der seit zwanzig Jahren Dominikaner ist. Im Kloster des heiligen Jakobs führt er ein, geregeltes und dem Gebet gewidmetes Leben. Er spricht wenig, studiert und betet sehr viel. Seine Kollegen nennen ihn bösartiger Weise: der groß stumme Ochse aus Sizilien. Lehrer Albert gesteht seine Enttäuschung. Von der Intelligenz des jungen Schülers wurde ihm so viel gesagt, dass er sich mehr erwartet hatte. Während einer besonders schwierigen Aufgabe, geschieht  folgendes. Ein Schüler denkt Thomas in Schwierigkeit und erklärt ihm die Aufgabe, bringt aber alles durcheinander. Thomas bietet seine Hilfe an und erklärt den schwierigen Übergang mit einer derartigen Klarheit, dass der Schüler voll Begeisterung dem Lehrer Albert davon berichtet. Alberto stellt daher dem Studenten in einer öffentlichen Prüfung vier Aufgaben. Thomas behandelt die Argumente mit einer derartigen Klarheit und Leichtigkeit, dass Albert der Große, völlig erstaunt, den Mitschülern sagt: «Ihr nennt ihn den stummen Ochsen! Ich sage euch nur, dass, wenn dieser Ochse brüllen wird, dann wird dieses Brüllen auf der ganzen Welt gehört werden. »

 

Der Theologielehrer

Thomas beginnt mit dreißig Jahren den Unterricht. Zum Priester geweiht zeichnete er sich immer durch seine Liebe und Andacht zur Eucharistie aus. Sein ganzes Leben verwendete für die Ermahnung, dem Ansporn, der Erklärung und dem Kampf gegen die Häresie. Er führt seinen Unterricht und seine Predigte fort. Er schreibt Bücher und  komponiert eine Messe für das Heiligste Sakrament. Außerdem besingt das herrliche Pange Lingua  das ehrenwerte Geheimnis der Eucharistie. Er arbeitet und diktiert zwei oder drei Sekretären gleichzeitig.

Einen großen Teil der Nacht verbringt er in der Kirche und kehrt erst am Morgen in seine Zelle zurück. Dadurch bemerkte niemand, dass er nicht schlief. Er fehlte nie bei den gemeinsamen Gebeten, obwohl er wegen seiner enormen Arbeit und den vielen Audienzen die er abhielt, davon entbunden war. Seine Gedanken entfernen sich nie von Gott. Häufig sagte er: die echte Glückseligkeit, besteht nur in Gottesbetrachtung. In einem seiner Gebete sagt er: «Jesus, ich erwarte nur von DIR die Wahrheit zu erfahren, die ich den Mitmenschen lehre. »  Wenn er einen Begriff nicht versteht oder einen schwierigen Punkt der Glaubenslehre zu erklären hat verlässt er alle und geht in die Kirche. Dort öffnet er den Tabernakel, steckt seinen Kopf hinein und bleibt in dieser Stellung, bis er die Erleuchtung erhält.

Während der Eucharistiefeier fließen ihm die Tränen über die Wangen. Öfters sahen sie ihn schweben und in Verzückung verfallen. Bei Tisch bemerkte er oft nicht was er verzehrte. Eines Tages wurden völlig versalzte Oliven zu Tisch gebracht, die niemand essen konnte. Thomas, immer an Gott denkend, beendete seine Portion und bemerkte nichts. Ein anderes Mal war er mit seinem Abt beim heiligen König Ludwig geladen. Bei Tisch stieß er plötzlich einen Schrei aus und schlug mit der Faust auf den Tisch. "Ah! Endlich habe das Argument mit dem ich di Manichäer widerlegen kann! "  Der völlig verwirrte Abt zieht ihm am Ärmel. Thomas bittet demütig um Verzeihung, doch, voll Bewunderung ruft der König den Sekretär, damit diese Eingabe sofort nieder geschrieben werden konnte.

Am 6. Dezember 1273, im Alter von 49 Jahren sieht er während einer Verzückung Christus. "Thomas, du hast gut von mir geschrieben. Was willst du dafür? " - "Nur dich mein Herr! " Das war die Antwort. Fasziniert von der ewigen Wahrheit die er betrachten durfte, beendete er seine Schreibarbeit. Er wollte, dass auf das Ende seines Schreibens sofort sein Tod folgen konnte.

 

Bevor wir mit dieser kurzen Beschreibung des Heiligen enden, wollen wir einige Ereignisse anführen, welche die Tugenden von Thomas ins Licht setzen.

 

Der Gehorsam von Thomas:

 

Nach der Sitte in den Klöstern las er eines Tages bei Tisch vor. Der Korrektor machte ihn auf einen Ausspruchfehler aufmerksam. Thomas besserte sich sofort nach den Ratschlägen des Korrektors aus. Nach dem Essen nähert sich ihm ein Klosterbruder und spricht ihm seine Missstimmung aus. "Sie haben den Satz falsch ausgesprochen, denn der Korrektor hatte sich geirrt und nicht sie." Sofort erwidert Thomas: "Die Aussprache hat keine Bedeutung. Es ist wichtig bescheiden und gehorsam zu sein."

Ein ausländischer Bruder musste in die Stadt und es wurde ihm erlaubt sich von dem Bruder, der ihm als erster begegnete begleiten zu lassen. Er sieht Thomas und lädt ihm ein. Thomas hatte aber große Schmerzen an den Beinen und kam daher nur langsam vorwärts. Das trug ihm schwere Vorwürfe des Klosterbruders ein.

Als die Leute in der Stadt die Szene sahen waren sie völlig verwirrt und erklärten dem Mönch, wer der Mann ist, der ihm wie ein Dienstbote folgte. Der Unglückliche entschuldigte sich und erhielt von dem heiligen Kirchenvater eine Lehre des völligen Gehorsams. "Der Mensch unterwirft sich dem Menschen aus Liebe zu Gott, so wie Gott dem Menschen gehorchte, aus Liebe zu dem Menschen."

Auch wenn er mit wichtigen Angelegenheiten noch so sehr beschäftigt war, nahm er an den Ausübungen des Klosters immer teil. Er sagte, dass man dem Glockenläuten sofort folgen müsse. So wie damals, bei Tisch von König Ludwig, löste er einmal ein schwieriges Problem über das er gerade schrieb. Die Glocke läutete und rief die Brüder zum Gebet. Thomas erhebt sich sofort von seinem Schreibtisch, ohne das Wort welches er gerade schrieb zu beenden und begibt sich in die Kapelle. Als er die Arbeit wieder aufnahm fand er das Wort in goldenen Buchstaben geschrieben vor. So wollte Gott den Gehorsam von Thomas auszeichnen.

 

Bescheidenheit und Bedacht

Seine Abstammung, seine, ihm von Gott geschenkte, außergewöhnliche Fähigkeit und die göttlichen Erleuchtung von der er unterstützt war, hätten Thomas zu Stolz verleiten können. Wie ein neuer Moses, war aber niemand bescheidener und sanftmütiger als er.

Ein wütender Jüngling wirft ihm vor nicht so wissend zu sein, wie die anderen von ihm denken. Thomas antworten ihm freundlich: "Du hast völlig recht mein Kind, deswegen höre ich auch mit dem Studium nicht auf."

Wenn Thomas von Stolz oder Selbstsucht sprechen hört, macht er ein Kreuz über seinem Herzen. In seinen Gebeten bittet er nur um zwei Dinge: seine Lehre soll Gott gefallen und dass er als einfacher Mönch leben und sterben darf.

Mit seinen Schülern von der Abtei Sant Denys zurückkehrend, bleiben sie stehen um das Panorama von Paris zu bewundern. Einer seiner Schüler, der die Abstammung von Graf d'Aquino bedenkt, fragt Thomas: "Möchten sie nicht der Herrscher dieser Stadt sein? - Was ich wirklich haben möchte, sind die Erläuterungen des heiligen Johannes Chrysostomus über den heiligen Matthäus!"

 

Die Nächstenliebe von Thomas

Er war so voll von Nächstenliebe, dass er nie von jemandem schlecht dachte. Wenn er im Nächsten einen Fehler entdeckte, weinte er darüber als wäre es seiner. Er wurde darüber nie böse und machte nie Vorwürfe. Er beanstandete nur aus Hingabe oder  um der Wahrheit nachzukommen.

Wenn andere einen Fehler begingen, dann stöhnte er innerlich, betete und weinte vor dem Kreuz kniend. Mit Seelenruhe und überlegten Worten versuchte er den Schuldigen von seinem Fehler zu überzeugen. Auf diese Art konnte er alle beruhigen und erlangte die Anerkennung aller.

Und trotzdem glaubte ein Handschriftendeuter einen heftigen Charakter von Thomas in dessen Schriften zu erkennen.

Aber, Dank Gottes war er nur Sanftmut. Von ihm sagt Bartolomeo von Capua: "Die Seele von Bruder Thomas war der glänzende Tabernakel des Heiligen Geistes, denn auf seinem Gesicht leuchtete immer Freude und Sanftmut." Ein Zeitgenosse sagte von ihm: "Was er mit dem Mund predigte, erfüllte er durch seine Taten. Er hätte nie gewagt, das zu lehren, das Gott ihm nicht erlaubte auszuüben."

 

Kehren wir zur Geschichte zurück:

Papst Gregor X rief ihm zur Teilnahme am Konzil von Lione. Während der Reise erkrankte er. Im Königreich der zwei Sizilien angekommen, wird er in das Zisterzienserkloster Fossa Nova gebracht. Sein Ausruf ist: "Das ist der Ort meines Ausruhens."  Seine letzte Beichte ist wie die eines Kindes. Am 7 März 1274 von Dominikanern und Zisterziensermönchen umgeben empfängt er die Letzte Ölung.  Er hält seine letzte Predigt über das "Hohelied". Dann wird seine Stimme zu Flüsterton. Er murmelt das Glaubensbekenntnis und nach den Worten "ich vertraue alles dem Urteil der Kirche an",  wird er bewusstlos.

In Frieden und weit von den vergänglichen Ehren dieser Welt entfernt, erreicht er bei Tagesanbruch, die Herrlichkeit seines Gebieters von dem er sagte: "Nur einer ist euer Lehrer, Christus." (Matthäus 23,8)